Menschen sind ganz okay
Gib zu, du warst im Biermann-Konzert: Funny van Dannen, der allseits beliebte Berliner Alltaqs-Poet, sieht sich als Volkssänger ohne Volk
Wenn man heutzutage über jemanden sagt: Er ist ein guter Familienvater, hat Herz und Humor – dann klingt das eher uncool. Als cool gelten die Machertypen, die schnell sind und gut. Daß diese toughen Profis heimlich ins Taschentuch weinen, notfalls auf einem Nana-Mouskouri-Konzert, diese Erkenntnis verdanken wir Funny van Dannen. Seit seinem Debüt „Clubsongs“ von 1995 zählt der Berliner Songwriter, Maler und Autor zu den Lieblingen des Feuilletons – weil seine Lieder exzellent beobachtet sind, weil Tragik und Witz in einer wunderbar klaren Sprache transportiert werden.
Auch „Nebelmaschine“, das neueste Album, lebt vom Alltag. Van Dannen wohnt im uncoolen Tempelhof, einem schön grünen Viertel mit altmodischen Einfamilienhäusern: „Ich möchte schon gerne so viele Leute wie möglich ansprechen“, sagt der 47jährige, der auch die Lassie Singers mitgegründet hat. „Ich mache zwar keinen Pop, aber vielleicht kann man dazu ,Volksmusik ohne Volk‘ sagen.“
Die breite Masse wird er mit Liedern wie „Mein Volk“ sicher nicht erreichen: „Sie lesen die dümmste Zeitung und sie schauen die dämmlichsten Sender/ Viele saufen sich tot dabei, oder wiegen über zwei Zentner/ Und so was soll mein Volk sein? Die sind mir einfach zu blöd/ Bevor die merken, was los ist, ist es leider meistens zu spät“ Dabei sind van Dannens Lieder eigentlich menschenfreundlich. Nur das Volk als ganzes geht ihm gehörig auf die Nerven, vor allem „die aktuelle Hitlerei der Deutschen“. Da läßt er sich lieber im Baumarkt inspirieren, oder hört einfach den Leuten zu: „Vor einer Weile saßen vor mir im Bus zwei Mädchen, die über ihre Berufswünsche redeten. Die eine sagte: Tja, Popstar… Oder Friseur! Aber, na ja, kriegst ja keine Lehrstelle…“ Oft sind es auch nur Wörter, die den Grundstein zu einem Song legen: ,“Uruguay‘ ist so ein Wort aus den Tiefen der Kindheit: Du siehst hellblaue Shirts, schwarze Hosen, WM ’66, irgendwie Uruguay. Dann geht das von selbst los. Eine Stunde später ist dann der Song fertig, wenn es gut läuft.“ Seit dem letzten Album „Her?scheiße“ läßt der vierfache Vater, der früher allein zur Gitarre sang, seine Stücke von Peter Pichler arrangieren und mit einer Band einspielen. Und trotzdem muß man manchmal an die alten Liedermacher denken: „Bob Dylan steht mir näher, aber ich bin früher tatsächlich auch mal auf einem Biermann-Konzert gewesen. Heute finde ich den zum Kotzen, Hannes Wader ist mir sympathischer.“
Sympatisch findet Funny van Dannen auch die Toten Hosen, was durchaus von Vorteil ist, schließlich hat er für Campinos Truppe bereits zwei Singles geschrieben: „Bayern“ und „Kein Alkohol ist auch keine Lösung“: „Für mich war Punk bereits 1982 erledigt, und unter 20 von meinen Liedern ist höchstens eins dabei für die Toten Hosen „, sagt er und lächelt stillvergnügt.
„Das Land unter dem Apfelbaum“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ über ein Porträt des Liedermachers. Das paßt zu einem Menschen, der sich wohl fühlt als Hausmann, während seine hübsche Frau als Modedesignerin arbeitet. Klar, er malt immer noch viel, schreibt Lieder und auch schon mal einen Bestseller, wie letztes Jahr „Neues von Gott“, eine Sammlung von Geschichten, die bis auf Platz 12 der „Spiegel“-Charts stieg. Lesungen, Konzerte oder Interviews mag er nicht mehr so gerne. Zu stressig. Funny van Dannen – das wird nach einem langen Nachmittag in seiner Küche klar – ist ein Familienmensch, einer der das Leben mehr liebt als den Erfolg.
Deshalb sind seine Lieder nicht cool, aber sie haben Herz und Humor. Das ist heute viel wichtiger.