Mensch Bruder, wo warst du?
Wie war die Kindheit im neuseeländischen Vulkanland? Auf ihrer besten gemeinsamen Platte seit Crowded House erzählen die Finn BrothersS Tim und Neil davon
Alle Neuseeländer; die in der Welt was gelten, sehen das ähnlich: Zu Hause kann man träumen und sich von der spirituellen, archaischen, ganz transzendenten Landschaft inspirieren lassen. Aber um etwas aus sich zu machen, muss man raus aus dem Traum, sonst bleibt man mit sich und den Möglichkeiten allein. „Sagen wir mal so: Wenn du Karriere machen, Neuseeland aber nicht verlassen willst, musst du dich drauf einstellen, viel Zeit deines Lebens in Flugzeugen zu verbringen“, grinst Neil Finn, just auf britischer Konzertreise, „für uns funktioniert es mittlerweile – wir haben unser Heim und unsere Familien in Neuseeland und damit so eine Art Refugium am unteren Ende der Welt“
Eben dieses Refugium haben Neil Finn und Bruder Tim jetzt zum Thema einer Platte gemacht. Auf „Everyone Is Here“, ihrer ersten Kollaboration seit bald einer Dekade, singen die Finns über die Loyalität der Liebenden, über Familienbande und übers trotzige Festhalten angesichts der eigenen Endlichkeit Ein manchmal melodramatischer Existenzialismus ist das, aber einer, der ganz aufrichtig ist und den Nagel auf dem Kopf trifft. „Wir wollten eine sehr direkte Platte machen – eindeutige Lieder, transparente Kompositionen“, erklärt Finn, „und wir wollten endlich mal Texte, die sich nicht verstecken.“ Und so haben die Gebrüder Finn mit „Everyone…“ ihre klarste Platte seit Crowded Houses „Woodface“ gemacht, mit Sounds und Arrangements unter anderem von Mitchell Froom und Tony Visconti. Und natürlich jeder Menge dieser zweistimmigen Melodien, für die man sie gemeinhin schätzt „Wir haben uns an unsere Kindheit erinnert, als wir im Flur unseres Elternhauses zusammen gesungen haben“, plaudert Finn und erläutert so den Inhalt eines zentralen Liedes namens „Disembodied Voices“, „ein bisschen von diesem Gefühl konnten wir auf dieser Platte wieder zum Leben erwecken“.
Eine ganze Platte haben die Finns erst einmal zuvor zusammen gemacht. Das schlicht „Finn“ betitelte, 1994 erschienene Werk enthielt eine manchmal obskure Sammlung schnell geschriebener Songs, bei denen die Protagonisten alle Instrumente selbst spielten. Und während das Obskure dieser Platte ein großes Publikum verhinderte, wird „Everyone…“ schon jetzt überall gern gemocht und als erstes wirkliches Crowded House-Album seit dem besagten „Woodface“ gefeiert eine etwas oberflächliche Betrachtung.
„Die Leute vergleichen uns immer mit den Everly Brothers oder den Gallaghers – und fragen sich dann, wieso wir nicht schon längst heillos zerstritten sind“, beantwortet Finn die Frage, ob die nächste gemeinsame Platte nun wieder eine Dekade brauchen wird, „Wir kommen so gut miteinander aus, weil wir uns gegenseitig viel Raum lassen. Das wird auch in Zukunft so bleiben.“