Melancholische Wucht
Aus Irland: The Frames erobern mit ihrem elegischen Breitwand-Rock das Londoner Publikum
In den wenigsten verwüsteten Hotelzimmern findet man in der Nachttischschublade eine Rock’n’Roll-Bibel. Wäre das der Fall, es gäbe ein Kapitel darin über den Weg zu Ruhm und Erfolg, der von Steinen verstellt und nicht über Nacht zu bewältigen ist Das wissen auch die Frames, die ihre erste Single bereits 1992 veröffentlichten, sich seitdem in ihrer irischen Heimat eine treue Anhängerschaft aufbauten – und die niemand außerhalb Irlands kennt.
„Es gab eine Zeit, da haben wir in London vor genau fünf Leuten gespielt“, erzählt Sänger und Texter Glen Hansard. Nach diversen Label-Verträgen, wechselnden Band-Formationen, selbstfinanzierten Amerika-Tourneen und bereits fünf Alben unterschrieben die Frames nun bei dem Label Anti, das unter anderen Tom Waits und Tricky beherbergt Wer hier womöglich Snow Patrol wittert, der irrt: Die Frames dudeln nicht herum – die Musik auf ihrem neuen Album „Burn The Map“ ist melancholisch-melodisch, passioniert, energiegeladen. Irland halt: die Weite, Einsamkeit und die Sehnsucht Bemerkenswert, wie die Band die 400 Fans beim Konzert in London mitreißt. Energische Flaschenbier-Mädchen tanzen so textsicher wie verträumt vor sich hin zu Hansards Herzschmerz-Lyrik und der traurigen Violine von Colm Mac An Iomaire (der heißt wirklich so!). „Schon seltsam, wie die Fans auf den Konzerten die bedrückendsten Texte mitsingen“, sagt Sänger Hansard, dessen rothaarige, vollbärtige Erscheinung unwillkürlich an Eichhörnchen-trifft-Erdmännchen gemahnt. Ähnlich kauzig tanzt er auch auf der Bühne. Immer wieder spricht er mit den Zuschauern, erzählt Geschichten. In den besten Momenten, etwa bei dem Song „Finally“, vereinen die Frames die Inbrunst von Grant Lee BufFalo mit der Grandezza der Tindersticks und unvermutet lyrischen Passagen.
Das neue Album bietet den notorisch klammen Musikern die Chance, ihre Konten halbwegs zu sanieren. Hansard strahlt: „Das ist das erste Mal, dass wir Geld verdienen. Wir haben sonst immer nur Schulden gemacht. Nun bekommen wir sogar Geld für unsere Musik – Wahnsinn!“
Doch sind die Frames trotzdem eine leise, bescheidene Band. Man habe sich dazu entschlossen, jedem Personenkult auszuweichen (sollte er denn je drohen), so Gitarrist Rob Bochnik treuherzig. „Bullshit-Radar“ nennen sie das. Fast naturgemäß schließt Glen Handsard das Interview mit einer schönen Berti-Vogts-Weisheit: „Wenn es einen Rockstar in der Band gibt, dann ist es jedenfalls der Song an sich“