Mein Song, dein Song
Fast eine Band: Auch die Geschwister Angus & Julia Stone arbeiten jetzt mit Rick Rubin
Es gibt Künstler, die können nicht anders. Bei dem Folk-Duo Angus & Julia Stone ist es anders: Musizieren ist bei den Geschwistern eher wie ein In-den-Tag-hineinleben. „Wir waren nie ambitioniert, haben nie gedacht: Wir gehen da jetzt raus und reißen die Welt an uns!“, sagt Julia Stone. Ihre Karriere ist ihnen zugefallen. So wie der Deal, den Angus mit 19 plötzlich in der Tasche hatte. Eine Frau von EMI hatte einen seiner Open-Mic-Auftritte gesehen. Kann man mal machen, dachte er. Australische Entspanntheit. Angus‘ und Julias Tante arbeitete in der Musikindustrie und entschied sich, Nichte und Neffe zu managen. Sie war es auch, die den beiden Solokünstlern nahelegte, als Duo zu starten. Musiziert haben Bruder und Schwester bereits als Kinder, als Julia Trompete spielte und Angus Posaune. Im Hause Stone drang ständig Classic Rock aus Wohnzimmer oder Garage, wenn die Hippie-Eltern, selbst ein Folk-Duo, für Hochzeiten oder Familienfeste probten.
Angus & Julia Stone lieferten den passenden Soundtrack für herbstliche Nieselregentage. Kritiker waren entzückt vom Debüt „A Book Like This“ von 2007 und dem Nachfolger „Down The Way“ von 2010. Es folgten Auftritte, Festivals. Dann das Aus. Auf einem Flughafen, sie erinnern sich nicht mal mehr, auf welchem, die Erkenntnis: Wir wollen keine reisenden Jukeboxen sein. Tränen. Pause. Soloprojekte. Julia veröffentlichte 2010 ihr Solowerk „The Memory Machine“, Angus folgte zwei Jahre später mit „Broken Brights“.
Es war Star-Produzent Rick Rubin, der sie davon überzeugte: Ihr habt euer gemeinsames Potenzial noch nicht ausgeschöpft. „Früher hieß es: Mein Song, dein Song, mein Tag im Studio, dein Tag im Studio.
Bei unserem neuen Album wollten wir eine echte Band sein“, sagt Julia. „Wir spürten die Offenheit, uns auszutauschen, seit wir genug Zeit hatten, uns selbst auszuleben“, pflichtet Angus bei. „Stört es, wenn wir nebenher Suppe essen?“, fragen sie beim Interview. Julia lümmelt im Blumenkleidchen auf der Couch und schlürft aus ihrer Schüssel im Schoß, Angus streckt sich auf dem Sofa aus. Sein Pullover hat ein Loch im Ärmel, sein Haar kann sich für keine Richtung entscheiden. Surfer-Dude-Kiffer-Klischee. Auch, weil Angus für einen Satz gefühlt zwei Minuten braucht, um dann doch noch den Faden zu verlieren. Auf der Bühne spürt man sein weiches Wesen, während Julia diejenige ist, die zwischen den Songs mit dem Publikum spricht.
Die Selbstbetitelung der Platte soll die neue Nähe ausdrücken. Wie war die enge Zusammenarbeit zwischen Bruder und Schwester nach Jahren der Unabhängigkeit?“Furchtbar!“, sagt Julia und prustet los. „Hast du schon mal von diesem Ort namens ‚Hölle‘ gehört?“, fragt Angus und zwirbelt grinsend seinen Bart. Beide lachen.
Der elektronische, poppige Sound des Neulings lässt einen fragend zurück: Wohin wollen die beiden mit ihrer Musik? Julia singt noch immer wie Mickey Mouse im Körper von Björk, nur lasziver. Angus sagt: „Es fühlt sich an, als wären diese Songs meine Haut, die ich gehäutet habe.“ Es habe sich eine Blockade gelöst, sagen beide. „Wer weiß schon, was den Leuten gefallen wird? Ich gebe einen Scheiß drauf, ob wir in die Schublade Folk oder Pop oder Blues-Rock gesteckt werden“, sagt Julia. „Sie sind pur, tun Dinge von Herzen. Ich habe noch nie mit jemandem wie ihnen gearbeitet“, schwärmt Rubin.
Zum Abschied streckt man ihnen die Hand hin – aber sie umarmen und drücken einen.