Mein Mann
Bertrand Blier
Der Philosoph Kierkegaard war überzeugt: „Das Wesen der Frau ist Hingabe.“ Das glaubt auch der Pfeifenraucher Bertrand Blier, und schuf Marie (Anouk Grinberg). Sie ist Prostituierte aus Passion. Aufrecht, ihre Arme empfänglich ausgebreitet, ihre Schenkel noch übereinandergeschlagen, sitzt Marie auf einem Barhocker im Foyer eines Luxus-Hotels. „Ich liebe Geld, ich liebe Männer, und ich liebe es, Träume zu verkaufen“, erklärt die Virtuosin der Verführung mit sanfter Inbrust einer biederen Ehefrau. Männer lieben Frauen wie Marie und den Traum, es könnte solche Frauen geben. Schüchterne Spießer, gebrechliche Greise und jovale Jünglinge folgen Marie willig die vielen steilen Treppen hinauf in ihr Appartement, wo ihr das Glück des Mannes und ein eigener Orgasmus zuweilen Lohn genug ist Sie liebt die Träume der Männer – und vor allem den bürgerlichen Traum vom Mann fürs Leben. Feministinnen müßten diesen Film hassen.
Oder auch nicht. In Frankreich hätte sich keine Frau beschwert, sagt Anouk Grinberg. Die Männer hätten empfindlich reagiert. Vielleicht ist in einigen aufgeklärten Köpfen der Schuldkomplex so weit eingedrungen, daß sie sich sogar schämen, wenn sich eine Frau als Objekt ihrer Begierde anbietet, da sie sich bei ihrem Trieb ertappt fühlen. Schon die erste Einstellung degradiert die Männer, indem die Kamera über den Marmorboden entlang und hoch an Maries mit Netzstrümpfen bekleideten Beinen kriecht. Die Männer sind hier Wichte, von der Gabe einer Frau überfordert. So wie der Penner Jeannot (Gerard Lanvin), den Marie in ihrem Hausflur zwischen Mülltonnen entdeckt – ihr Mann, un homme, ein Kerl. Sie will, daß er mit ihr schläft, erst danach badet, und bittet schließlich den irritierten Gast, ihr Beschützer zu werden, also ihr Zuhälter. Sie gibt ihm Geld, er näht ihre Büstenhalter und soll mit Goldkette und Rolex durch die Cafes flanieren. Er will der Umklammerung entgehen, indem er die schöne Kosmetikerin Sanguine (Valeria Bruni-Tedeschi) verfuhrt und als Callgirl für sich arbeiten läßt – bis die Sittenpolizei eingreift. Am Ende bettelt Jeannot beide um Vergebung an.
Ohne Moral und mit subtiler Ironie balanciert der alternde agent provocateur Blier alle Standpunkte und Sehnsüchte, Stammtisch-Phantasien und Stereotypen beider Geschlechter aus. Die groteske Geschichte vom Clochard und der Dirne ist komisch, auch tragikomisch, ergreifend und peinlich, altmodisch und ästhetisch, voyeuristisch und doch auch eine Huldigung an die Hingabe der Frau – aber natürlich weder ein Skandal noch ein Meisterwerk. Diskussionen demnächst an Ihrem Cineasten-Stammtisch.