Mehr Joy als Division
Die Editors hat man oft als Wave-Epigonen abgetan. Dabei könnten sie die nächste große Stadionband werden
The saddest thing I’ve ever seen/ Were smokers outside the hospital doors“, singt Tom Smith zu Beginn des zweiten Albums der Editors, eine wahrhaftige, gut beobachtete Szene. Im zugehörigen Lied geht es um Entfremdung, den Schock der eigenen Todeserkenntnis – jenen Moment der Adoleszenz also, indem man fortgerissen wird und nicht mehr zurück kann. „Es geht um Tod und Krankheit, aber genauso um Liebe und Wärme“, erklärt der Sänger und Hauptschreiber der Editors die inhaltliche Linie von „An End HasA Start“, „beides habe ich in den letzten zwei Jahren so intensiv wie noch nie zuvor in meinem Leben erfahren.“
Keine untypischen Topoi für eine Band wie die Editors, deren schwarze Eighties-Romantik ohnehin kaum andere Sujets kennt, und für beide Seiten der Medaille gibt es auf „An End…“ beispielhafte Lieder. „Wir haben spätestens auf der Tour mit Franz Ferdinand erlebt, wie wir mit unserer Musik große Arenen füllen können“, sagt Smith. „Dieses Erlebnis hat die neuen Songs deutlich geprägt.“
Tatsächlich ziehen die Editors vom „Back Room“ (der ersten Platte) ins Vorderzimmer, direkt an die Straße, wo jeder zugucken kann und nichts nur von Weitem hört. Mit Produzent Jackknife Lee (Lh, Bloc Party, bald R.E.M.) bewegt sich das Quartett aus Birmingham ein gutes Stück in Richtung musikalischer Mitte, haut riesige Riffs raus und hebt zum großen Chorus an. Ohne sich selbst dabei zu verraten. Der feuchte Joy Division-Keller ist wohl trockengelegt, und ein hoffnungsvoller, teils Nick-Caveartiger Grundton ist neu im Repertoire. Doch bleibt das Bleiche in Smiths Trauertenor; auch Chris Urbanowicz’weit hallende Trillergitarren sind unverändert. Und, ja, „Dark Disco“ dürfe man die Musik nach wie vor nennen. „Wir haben viel mit Rhythmen experimentiert“, erklärt Trommler Ed Lay sein treibendes, oft Dance-affines Spiel.
Dass die Editors nach zwei Jahren Tour und ohne Pause eine so immens stimmungsvolle Platte samt hervorragendem, nie hastig anmutendem Repertoire hinbekommen, das belegt, was man bei dem Debüt etwas zu spät bemerkte: dass sie die beste Band im Lager der Bunnymen- und Joy Divison-Epigonen sind. Auch besser als Interpol, deren neues Album im Vergleich klar unterliegt.
Alles richtig gemacht also. Die Entscheidung fürs Indie-Label, obwohl die Großen alle wollten, das eher unbemerkte Aufbauen einer Fanbase, jetzt das bewusst große Kino mit Starproduzent und Bekenntnis zur Mehrheitsfähigkeit – alles besonnene, zielgerichtete Entscheidungen. Ohne große Dramaturgie auf Tournee, und von Skandalen war nichts zu lesen.
„Wir machen nicht nur zusammen Musik, wir leben zusammen, seit bald sieben Jahren“, erklärt Lay, „wir wissen immer, was mit dem anderen los ist. Das macht uns als Band sehr stark.“