Festival-Bericht

Megan Thee Stallion: Erst streikt ihr Privatjet, dann Mega-Show in Riga

Das Positivus-Festival wurde seinem Ruf des Coachella im Baltikum gerecht. Shiny Happy People gehen steil mit Blumenkränzen auf den zumeist blonden Häuptern

Erst dunkle Wolken und Regengüsse, dann musste mit Megan Thee Stallion eine der Haupt-Actrice beim Positivus-Festival in Riga absagen. Tänzer und Entourage waren bereits vor Ort. Die Explicit-HipHop-Queen aus Houston/Texas war irgendwo auf dem weiten Weg nach Europa gestrandet. Standesgemäß im Privatjet unterwegs, ließ die unverwüstliche Lady aber schon in einem ersten „Sorry“-Tweet durchblicken, dass sie ihren Gig am zweiten Abend nachholen wird. Tiefes Durchatmen bei den Veranstaltern.

Auch die Festival-Szene in Ost-, Südost- und Nordost-Europa läuft nach der mittlerweile berüchtigten „Covid-Pause“ wieder zur alten Form auf. Neben den längst bekannten Mega-Events wie Sziget in Ungarns Hauptstadt Budapest oder Exit im nordserbischen Novi Sad, versuchen auch andere Live-Konzepte ein internationales Publikum zu locken. Zum USP gehört zumeist ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, wobei auch in den ehemaligen Ostblock-Ländern nicht nur die Preise für Bier und Sonstiges angezogen haben, sowie ein Booking mit einem Händchen für einen Mix aus etablierten Stars, regionalen Acts und einem bunten Strauß an Avantgarde-Entdeckungen. Ein weiteres Plus sind die oft ausgelassen und euphorisch abgehenden Locals. In Riga feierte besonders die starke heimische HipHop- und Indie-Szenerie.

Megan Thee Stallion

Mit rund 20.000 BesucherInnen am Megan-Thee-Stallion-„Ersatz“-Samstag war es zwar voll, aber in keiner Sekunde ZU voll. Rotiert und geschubst wurde nur im Rap-Moshpit. Zwei Tage mit einem Spektrum von US-Superstar-Rap, über Jamie XX und Avalanches bis hin zu den Cambridge-Folkies Black Country, New Road.

„Riga kann eine grüne Insel mitten in einer, auch sonst sehr lebendigen und attraktiven Stadt bieten“

Das Positivus-Festival, das seit dem letzten Wochenende zum ersten Mal auf einer langgestreckten Fluss-Insel in Riga stattfand, hat für eine (vorsichtige) Expansion sogar den Standort gewechselt. Der Countryside-Flavour in der baltischen Provinz mit bestenfalls charmant-improvisierter Infrastruktur ist Vergangenheit. Nun ist das neue Gelände mit vier Bühnen und den üblichen Chill-Out-, Gastro- und Remmi-Demmi-Flächen per Fußmarsch aus der City zu erreichen.

Im Gespräch mit ROLLING STONE sagte Positivus-Veranstalter Girts Majors zum Sprung auf die internationale Live-Landkarte: „Riga kann eine grüne Insel mitten in einer, auch sonst sehr lebendigen und attraktiven Stadt bieten; nicht viele europäische Städte können das! Auch bei uns ist der Sommer 2002 für uns Festivalmacher sehr, sehr herausfordernd. Wir halten trotz Expansion den Ball flach und freuen uns darüber, dass alle angekündigten Bands und Künstler anwesend sein konnten.“

Mit dem New Yorker Rapper Bas, ein Kumpel von Megastar 50 Cent, begann ein wilder Reigen, der mit der Pyroshow und den fliegenden Schlüpfern aus dem Publikum bei ASAP Rocky seinen fast schon hysterischen Höhepunkt fand. Bass-Geballer und Feuerwerk, von „Fashion Killa“ bis zum eindringlichen Murmel-Rap „D.M.B“. Das Baltikum-Publikum gefiel sich darin, cool und megatrendy zu sein. Motto: Was Palm Springs, dem Wüsten-Ort des „Coachella“-Festivals, kann – können wir schön lange! Schöne Jungs und luftig aufgebrezelte Mädels galore, die etwas derbe UK-Kategorie „boobs-out“-Festival gilt für das Positivus ohne Zweifel.

Das Positivus-Gesamtpaket mit Abhängen, auf den breiten Fluss Düna schauen, baltische Snacks austesten oder am Regen-Nachmittag lettischen Singer-SongwriterInnen wie Elizabete Gaill zu lauschen, kann sich hören und sehen lassen. Es ist den Positivus-Machern und Macherinnen zu wünschen, dass ihr Risiko ein wenig größer zu denken und auch zu handeln in den Festival-Jahren von den Fans belohnt wird.

Infos zu 2023 gibt es hier.

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