Maulfaule Helden
Nach ihrem erfolgreichen Debüt "Hot Fuss" ließen The Killers den Nachfolger jetzt in London auf Hitalbum trimmen
Die Londoner „Assault & Battery Studios“ sind in die Jahre gekommen. Nichts an dem leicht lädierten Anwesen im ebenfalls leicht lädierten Stadtteil Kilburn lässt zunächst darauf schließen, dass hier hin und wieder bedeutsame und massenhaft verkaufte Musik gemacht wird. Wenn der große Glanz ins Haus kommt, liegt das indes immer an Alan Moulder und Mark Ellis a.k.a. Flood – die beiden Edelproduzenten sind verwachsen (und wohl auch ökonomisch verbunden) mit dem „A&B“ und kommen zumindest zum Mischen gern hierher. NIN, U2, Depeche Mode: Alles Bands, deren Alben in dem klitzekleinen, von einem überdimensionierten Pult beherrschten Regieraum im hinteren Teil des Hauses zumindest zum Teil zustande gekommen sind. Auch die Killers, die sich für ihr zweites Album gleich beide Produzenten buchten, sind für einige Wochen hier zu Gast. Aufgenommen wurde daheim in Las Vegas, wo Brandon Flowers, David Keuning, Mark Stoerner und Ronnie Vannucci ein brandneues Studio im „Palms Casino“ eingeweiht haben. „Für uns war das die Chance, eine Weile am Stück zu Hause zu sein, bevor der Wahnsinn wieder von vorn beginnt“, erklärt Trommler Vannucci. Flood und Moulder (letzterer hatte schon „Hot Fuss“ gemischt) haben die Bedingung hingenommen, weil sie furchtbar viel halten von den Killers und da ein Ausnahmetalent erkannt zu haben glauben. Ausnahme oder nicht: Dass die Killers talentiert sind, darauf wird man sich einigen können. Auf „Hot Fuss“ waren außerordentliche Lieder sowie ein ganz eigener, überraschenderweise an Queen orientierter Sound, den so kein anderer konnte. Die Karriere gelang im Nu, auch England war entzückt. Natürlich applaudierte auch David Bowie öffentlich. Jetzt, knapp zwei Jahre nach dem Durchbruch, steht Brandon Flowers da im Foyer des „A&B“, und man wundert sich darüber, wie unscheinbar der Sänger, Keyboarder und Songschreiber der Killers immer noch wirkt. Flowers trägt Chucks und eng unförmige Jeans, ein Eighties-Kunststoffblouson mit. großem weißem Reißverschluss, Gummizug und Tigermuster sowie – das ist der letzte Schrei – einen Schnauzbart. Nicht meine Schuld, dass ich an Freddy Mercury denken muss. Vor dem Gespräch über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Killers gibt es die neue Musik zu hören: sechs Titel vom neuen, nach einem Kasino benannten Album „Sam’s Town“, die einen ziemlich bombastischen, recht voll gestopften Eindruck machen – man vermisst die großen Melodien des Erstlings. Aber vielleicht braucht man mehr Zeit mit dieser Platte. Die Killers haben fürs Debüt im Grunde nur Demos aufpoliert, und also ist jetzt der Moment zu zeigen, was man kann. So jedenfalls sehen es die Killers. „Wir hatten im Laufe der Vorbereitung auf dieses Album immer das Gefühl, der Welt was beweisen zu müssen“, erklärt Vannucci. Wenn es um solche grundsätzlichen Aussagen zur Band geht, spricht immer Vannucci, der als einziger Killer nicht in dem Ruf steht, maulfaul zu sein. Flowers hingegen macht den schon in der Vergangenheit viel beschriebenen Eindruck eines leisen, unsicheren Menschen, der sich mit augenscheinlichem Desinteresse und einer Art Arroganz der Situation zu entziehen versucht. „Die Bühne ist ein seltsamer Ort“, erklärt Flowers immerhin den offensichtlichen Spalt zwischen Musikkarriere und Leben, „du hast die Lizenz alles zu tun, was du willst.“ Laut sein und selbstbewusst vielleicht. „Ich erinnere mich noch, als ich mir von meiner Mutter zwanzig Dollar geliehen habe, um The Cure zu sehen. Der Nebel am Anfang, aus dem dann Smiths Haare auftauchten, das Drama, die Aufregung- das hat mich für immer beeindruckt. Wir wollen eine Show machen, die Leute perfekt unterhalten. Irgendein großer Literat hat mal gesagt, dass man einem Menschen eine Maske aufsetzen muss, damit er die Wahrheit sagt. Das wird sichtbar, wenn wir in unsere Rollen schlüpfen und wie Aliens auf die Bühne niederkommen.“