Matthias Schweighöfer als ‚Schlussmacher‘: ‚Männer können schon sehr feige sein‘
Ab dem 10. Januar läuft "Schlussmacher" in deutschen Kinos. Wir trafen Matthias Schweighöfer zum Gespräch: über die Feigheit von Männern, die "Generation Karriere" und das "deutsche Auenland".
Matthias Schweighöfer ist als Regisseur bei seiner zweiten romantischen Komödie angekommen: „Schlussmacher“ läuft ab dem 10. Januar in deutschen Kinos. Hollywood- Momente gibt es darin zuhauf: Den fulminanten Auto-Crash etwa, dazu verschrobene Charaktere, wie den undurchsichtigen Karrieretypen und Angestellten einer Trennungsagentur Paul (Schweighöfer). Paul muss man in Sachen Liebe erst noch einmal belehren. Eigentlich ist „Schlussmacher“ aber ein Buddy-Film, der Querverweise in andere Genres liefert.
Wir trafen Matthias Schweighöfer im Berliner Hotel de Rome und sprachen über Beziehungskisten, eine Generation mit Karriereorientierung, Freundschaften mit Musikern und das deutsche Auenland. (Achtung, Spoiler!)
Wie feige sind Männer?
(zögerlich) Ja, manchmal sind sie es schon. Nein (lacht). Ich glaube, es ist schwierig das zu verallgemeinern. Aber Männer können schon sehr feige sein.
Es sind grade Männer, die im Film Aufträge an die Trennungsagentur vergeben … Stimmt, es sind wirklich viele Männer dabei. Obwohl, nein: Wir haben da auch eine Frau: die Blonde im Cafè, die sagte: „Wir haben uns auseinander gelebt.“ Wenn du emotional nicht mehr so verbunden bist mit der Person, von der man sich trennen möchte, ist so eine Dienstleistung natürlich ideal. Viele sagen: „Ist ja scheiße, wenn man solange zusammen ist.“ Und dann steht da so ein Typ vor der Tür. Ich fand das System aber ganz lustig. Es ist natürlich auch feige vom Partner. Vielleicht hat der auch gar keinen Bock mehr auf eine emotionale Auseinandersetzung. Wer weiß. Manche Trennungen sind ja auch befreiend. Und dann sitzt man vor so ’ner Frau oder ’nem Typen, die/der erst einmal einen tierischen Heul-Anfall kriegt, so dass erst mal zwei Stunden die ganze Wohnungseinrichtung durch die Gegend fliegt. Braucht man das?
Gehört das nicht zum Leben?
Vielleicht gehört ja auch bald eine Trennungsagentur zum Leben (lacht).
Ist das nicht sehr unpersönlich?
Aber muss eine Trennung unbedingt persönlich sein?
Wieso dann der Umweg? Warum nicht via SMS oder Telefon?
Das ist richtig. Vielleicht, weil die Agentur den Umzug gleich mit übernimmt.
Was hat dir als Erstes an der Idee der „Schlussmacher“ gefallen? Nach Presseheft ist das Drehbuch ja an real existierende Agenturen angelehnt.
Nach „What A Man“ wollte ich eine Art Jack-Lemmon-/ Walter-Matthau-Film machen. So ein Buddy-Ding. Mit einem Unterschied: Hier ging es mir darum, in welchem Maße zwei verschiedene Generationen in die Liebe involviert sind. Dann kam das Treatment: Die Bühne ist das Schlussmachen. Und deswegen möchte ich anhand dieser fiktiven Agentur einen Film erklären, in der zwei Männer über Liebe in verschiedenen Generationen diskutieren müssen. Jeder für sich, einer der Vater ist und der Andere, der keine Nähe zulassen kann. Und das fand ich eine schöne Idee für meinen zweiten Film: Was den Beiden so passiert in bezug aufs Schlussmachen.
Wie konzipierst du solche Rollen. Wie kommst du auf deine und die deines Filmpartners Toto?
Das sind Männer-Bilder, die man verallgemeinern muss. Man braucht da klassisch gegensätzliche Figuren. Milans [Anm. d. R.: Milan Peschel, spielt Toto] Figur ist eine gescheiterte Person, die vielleicht zu lieb ist. Der Andere – aus meiner Generation – wird vielleicht nicht mehr so an Beziehungen heran geführt. Er ist jemand, der abblockt und sich nicht sofort für die Frau entscheiden würde.
Findest du dich in der Figur wieder, wenn du von „meiner Generation“ redest?
Na ja, ich bin schon jemand, der, bildlich gesprochen, um sich schlagen kann, wenn ihm eine Person zu nahe rückt. Was ich an Paul gut finde, ist: dass er Nähe nicht ertragen kann. Ich bin aber auch ein großer Teil von Toto, der an die große Liebe glaubt. Ich bin von Beiden so ein bisschen was.
Und wie macht sich diese Angst bemerkbar? Bist du vorsichtiger, zögerlicher?
Ich kämpfe. Ich bin aber nicht zögerlicher. Ich mache mich nicht gerne emotional angreifbar. Es braucht schon seine Zeit bis ich sage: Du als Frau hast jetzt die Erlaubnis das zu dürfen. Das ist aber, glaube ich, das Einzige: dieses Nicht-Verletzbar-Machen. Alle in meiner Generation, die ich kenne, handeln so.
Jetzt hast du aber trotzdem im Film dieses typische Happy End. Ist das nicht ein Bruch mit dem Konzept?
Der Film hat gar kein Happy End. Der letzte Satz des Films lautet: „Wir gehen mal spazieren, erzähl‘ mir was von dir.“
Paul und Nathalie halten in der letzten Aufnahme aber Händchen …
Sie nimmt ihn an die Hand. Das ist aber auch alles. Vielleicht gehen die Beiden auch um die nächste Ecke, er erzählt Scheiße und sie meint dann letztendlich: „Tut mir leid, ich kann mit so ’nem Typ nicht umgehen.“ Aber es ist die Idee, sich mit etwas zu beschäftigen, wo andere vielleicht schon viel früher sagen: „Ne.“ Deswegen fand ich die Idee, dass sie ihn an der Hand nimmt und mit ihm ein Stückchen geht, gut. Sie sind dadurch aber nicht sofort wieder ein Paar. Bei Milan fand ich ein Happy End wichtig, in dem er, wenn ein Kind ins Spiel kommt, sagt: „Da bist du ja wieder.“ In meinem Freundeskreis, in dem ich recherchiert habe, passiert das auch in dieser Art. Mit Kind kann man sich nicht nur ausweichen. Da sitzt man sich auch mal gegenüber und schaut, was die letzten Jahre so war.
Um zum Anfang zurück zu kommen: Ist es feige, wenn man seinen eigenen Weg geht und nicht den der Beziehung? Ist es nicht auch mutiger, sich gegen Liebe zu entscheiden?
Das ist richtig. Es ist ja die Frage, warum sich das in unserer Generation so gewandelt hat. Es hat viel damit zu tun, dass jeder auf seinen Plan vom Leben beharrt. Das hat einen ganz anderen Egoismus. Milan ist eine ganz andere Generation und führt eine andere Beziehung. Viel sozialer, er hat ganz andere Grundpfeiler von Erziehung. Ich bin jemand, der viel schneller lebt als Milan. Ich habe einen ganz anderen Tagesrhythmus als er, sodass unsere Welten manchmal aufeinander prallen. Wenn ich mir Joko angucke und Novi, der bei Silbermond trommelt: Die haben andere Lebensentwürfe.
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Wenn wir gerade über Musiker reden: Es ist auffällig, dass du mehr als noch bei „What A Man“ auf unbekanntere Acts wie Leslie Clio setzt. Welcher Gedanke, welches Konzept steckt dahinter?
Ich mache die Playlisten immer fertig, bevor ich filme. Dann kommen noch die Vorschläge vom Major-Label, wen sie gerne im Film hätten. Dann geht’s darum, was bezahlbar ist. Wenn man einen Ben Howard für eine Minute kaufen möchte, kostet das viel Geld. Leslie Clio kannte ich vorher nicht. Ich fand sie total gut. Ich hatte erst noch Of Monsters And Men auf dem Soundtrack, aber ich dachte mir, dass die schon jeder kennt. Ich habe dann doch lieber Leslie Clio genommen, weil ich es lustiger fand, dass sie unbekannt ist. Das ist auch sehr filmische Musik, die ich passend für die Szene fand.
Wie ist es denn, wenn man als Regisseur mit Bands wie Silbermond oder einem Musiker wie Philipp Poisel befreundet ist?
Man ist da sehr familiär. Man macht dann auch direkt Lieder für den Film. Es ist aber auch immer eine Ehre. „Cluesen“ kommt dann Zuhause vorbei, gibt mir Lieder für den nächsten Film und meint: „Hey, die darfst du niemandem zeigen, die sind fürs nächste Album.“ Oder ich rufe Phillip Poisel an und sage: „Zeig‘ mal, was du im Repertoire hast“ oder „Kannst du mal bitte etwas schreiben?“ Das ist schon Luxus. Vor kurzem hat sich Clueso ein Klavier gekauft und spielte mir über das Telefon vor, was er so spielen kann. Es ist toll, wenn man Musik mit Freunden verbinden kann.
Hörst du tatsächlich Blue?
Ich wollte einen großen kommerziellen Song haben. Im Dezember ist es relativ schwer, so etwas zu finden, weil keiner in diesem Zeitraum neues Material veröffentlichen will. Ich habe einen sehr guten Freund, David Jost. Er ist Musikproduzent und hat unter anderem für Tokio Hotel gearbeitet.
Die Hessen scheinen Matthias besonders lieben. Hast du eine Erklärung dafür, dass von dieser Seite so viel Geld in die Filmproduktion fließt?
Es ist sehr geil in Hessen zu drehen. Ich bin großer Hessen-Fan. Als Milan in einer Szene pinkeln muss, sieht es da aus wie in Frankreich. Manchmal sind wir durch Nordhessen gefahren. Ich kannte das vorher nicht, es sieht aus wie das Auenland. Man könnte dort auch „Herr der Ringe“ drehen. Das ist so ein vielfältiges Stück Land. Frankfurt sieht aus wie Seattle. Ich mag Filme die eine bestimmte Stimmung auslösen. Frankfurt vermittelt so ein wenig Jazz. Und schon ist man in Amerika.
Inwieweit ist das Filmemachen ein organischer Prozess? Die Szene, in der euer Auto gegen die Wand der Edertalsperre kracht und runter fällt. Ist diese Sache schon vorher im Drehbuch oder findet ihr den Ort und lasst euch inspirieren?
Der Stunt ist erst am Ende entstanden. Mein Co-Regisseur und mein Kameramann waren auf Motiv-Tour und haben die Talsperre entdeckt. Am nächsten Tag hatte ich das Storyboard auf dem Tisch, in dem stand, wie ein Auto von der Talsperre fliegt. Ich wollte immer einmal eine Szene machen, die mit einem Streit anfängt, dann einen Stunt zeigt und unten nahtlos weitergeht. Wenn ihr mir einen Film nennen könnt, der jemals so eine Szene hatte, kriegt ihr 100 Euro. Das hat dann wieder so etwas fiktiv Filmisches. In meiner Traum-Filmwelt kann so etwas passieren. Es ist einfach so absurd, dass es eigentlich nicht passieren kann. Aber ich mochte es. Und dann kann man das da drehen. Und dir wird erlaubt, ein Auto gegen ’ne Talsperrwand zu jagen (lacht).
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„Schlussmacher“ läuft ab dem 10. Januar 2013 in deutschen Kinos.