Mars Attacks! von Tim Burton; 101 Dalmatiner von Stephen Herek
Plan nine from outer space. Der Regisseur Roland Emmerich bespricht mit dem Drehbuchautor Dean Devlin die letzten Details zu ihrem Film“.Inder Regisseur Roland Emmerich bespricht mit dem Drehbuchautor Dean Devlin die letzten Details zu ihrem Film „Independence Day“, als sich ein bedrohlicher Schatten über ihr Projekt legt. Tim Burton, erfahren sie, drehe mit Joker Jack Nicholson ebenfalls über eine Invasion von Aliens. Das Duo ist jedoch beruhigt, als klar wird, daß dessen Film nicht vor Weihnachten fertig würde, eine Schlacht mit dem Batman Burton also vermieden werde. Der Rest ist Geschichte.
Sollten Außerirdische eines Tages wirklich die Erde verwüsten und als letztes Zeugnis unserer Zivilisation in den Ruinen die Kopien von Burtons Kinofilmen sichten, müßten sie die Menschheit für eine ziemlich bekloppte Rasse halten. Sie würden lachen über den schizophrenen Supertrottel „Batman“, den kirmeshaften Exorzisten „Beetlejuice“, die aufgebrezelten Hausfrauen, deren spießigen Gatten und ihre bonbonfarbenen Reißbretthäusle in „Edward mit den Scherenhänden“; ungefähr so, wie jene grünen Männchen gickeln, die in „Mars Attacks!“ die albernen Menschen mit Laserpistolen in Gerippe verwandeln, die in Gruselbahnen stehen. Und manchmal würden die Außerirdischen auch weinen.
Zwischen „Akte X“-Paranoia und der „ID 4“-Hysterie kommt Burton als Parodist dieses Phänomens, der auch jetzt wieder ganz bei sich selbst ist Ende der 80er Jahre galt Burton als Talent und durfte als solches die Comic-Ikone „Batman“ verfilmen. Da sein Film gut und erfolgreich war und ohnehin kaum etwas schiefgehen konnte, durfte er auch den zweiten Teil drehen. Der Film war ebenfalls erfolgreich, aber zu gut, zu böse in seiner tragischen Märchenkomik, zu sehr Burton, und so entzog Warner Bros, ihm die Regie für den dritten Teil. Daraufhin porträtierte Burton den Regisseur Ed Wood, den ins Kino vernarrten, verspotteten Phantasten und Autodidakten, der konsequent schlechte Filme machte. Konsequent auch dachte Burton die Bilder weiter, die Wood im Kopf gehabt hat, verleibte ihn sich als Alter ego ein, und „Ed Wood“ wurde zur Allegorie der B-Movie-Besessenen.
Nun inszenierte Tim Burton seine Anfangsszene von „Mars Attacks!“ als Analogie zu Woods Science-fiction-Schrott „Plan Nine From Outer Space“, der als schlechtester Film aller Zeiten gilt, und verbindet ihn mit dem Raumschiff-Walzer aus Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltall“. Hunderte flacher, silbriger Ufos gleiten auf den blauen Planeten zu, und wie Kreisel fuhren sie ein Ballett auf zu Musik, die in den 50er Jahren mit Heultönen das Unheimliche aus dem unbekannten Universum suggerierte. Wood hatte bemalte Pappteuer an Fäden aufgehängt, Burtons fliegende Untertassen schuf nun ein Computer. Eine Ode ans Kino – und eine Parodie auf die Anfangssequenz von „Independence Day“.
Burtons Aliens sind inspiriert von Sammelkarten, die in den Siebzigern einer Kaugummimarke beilagen. Sie haben dürre Körper und riesige ovale Gehirne und sind mit enervierendem Quäken und anarchischem Gemüt den Comic-Chaoten Beavies 8C Butt-Head ähnlich. Sie schießen auf weiße Täuben, blättern im „Playboy“ und ziehen als Space Cowboys marodierend durch die Städte. Es ist eine Attacke auf die amerikanische Popkultur, Lebensart, Businessphilosophie und Politik, angelegt als Knallbonbon aus Camp-Filmen und Doris-Day-Komödien. Pierce Brosnan spielt mit Pfeife einen so eitlen wie ahnungslosen Alien-Experten, Rod Steiger imitiert den zynischen General aus Kubricks „Dr. Seltsam“, durch einen pazifistischen schwarzen Kontrahenten sogar zur Satire aufs Golfkriegs-Gespann Schwarzkopf/Powell überhöht. Jack Nicholson gibt einen karnevalistischen Las-Vegas-Tycoon neu im Kino Leinwandund den US-Präsidenten als orientierungslosen Optimisten mit einer zickigen Gattin (Glenn Close). In der besten Szene hält er dem Anführer der Aliens eine heldenhaft-idealistische Rede. Der Marsianer wischt sich eine Träne aus dem Auge – und pulverisiert den Schwätzer. Das sich ein Country-Schlager als Geheimwaffe entpuppt, ist Burtons sarkastischster Schlag gegen seine Heimatkultur. Tom Jones spielt sich in einer Show selbst – und, klar, überlebt Am Ende spielt eine Mariachi-Band die Nationalhyme. Apocalpyse America.
„101 Dalmatiner“ könnte von Tim Burton sein. Fast Glenn Qose ist als Mode-Hexe De ViL die sich einen extravaganten Pelz aus den Fellen von Dalmatiner-Welpen schneidern will, grandios in ihren exaltierten Posen. Dagegen agieren Joely Richardson undJeffDaniels ab junges Ehepaar, das um den Wurf ihrer Dalmatiner Pongo und Perdy fürchtet, wie in einer Puppenstsube, in der Liebe kindlich-schön aus einem feuchten Blick entsteht und vor dem Kamin sofort entflammt. Das nennt sich Realverfilmung. Die Kulissen aber stammen aus dem Paralleluniversum der Studios, in dem die Wirklichkeit immer auch ein Zeichentrick ist, etwa wenn Autoscheinwerfer wie gemalte Lichtkegel wirken. Ein Kassenhit, der jeden rühren sollte, der noch an treuherzige Gefühle glaubt.
Der Tag, an dem Burton zurückschlug, wurde in den USA kein Triumph. Die 70 Millionen Dollar teure Attacke endete nach fünf Wochen bei 36 Millionen Dollar Einspielergebnis. Burton, sagt Dean Devlin, sei „ein Genie“. So ist es. Es ist Burtons Welt.