Mark Knopfler – Freibeuter mit Werten
Mark Knopfler geht zum siebten Mal auf große Fahrt. Das neue Werk des Gitarristen ist eine Ode auf Leidenschaft und Durchhaltevermögen - und ein Abgesang auf bedauernswerte Feinde
Bis vor ein paar Jahren haben wir gedacht: Mark Knopfler zieht sich ins Privatleben zurück. Lässt die Musik ausklingen, summt noch ein paar Lieder, dann ist es genug. Doch es kam anders. Seit drei, vier Alben scheint Knopfler den Sound zu finden, den er gesucht hat. Das letzte Werk, „Get Lucky“, war dichter und schöner und ausgereifter als die meiste Musik im Solowerk des ehemaligen Dire-Straits-Gitarristen. Er schien dort zu sitzen und aus der Erinnerung zu spielen, so als kenne er diese Lieder schon seit Jahrzehnten.
Der Künstler selbst sagt: Ich habe endlich meine Band gefunden. Und die preist der Songschreiber gern, bewundert ihre Flexibilität beim Begleiten des Bandleaders. Auf der neuen CD „Privateering“, die ein Doppelalbum geworden ist, weil Knopfler offenbar mehr Songs als je zuvor schreibt, zeigt diese Band noch deutlicher, was sie kann. Sie spielt den Blues nach alter Fasson, die Folklore wie beim irischen Schwoof und Knopflers transatlantische Balladen mit der gebotenen Sensibilität. Aber auch einige Ausfallschritte sind im Programm, darunter eine New-York-Serenade mit Jazz-Orchester. „Ich habe eine Liebesaffäre mit New York“, erklärt Knopfler. „Ich bewundere den freiheitlichen, optimistischen Geist der Stadt.“
In den sehr unterschiedlichen Liedern auf „Privateering“ schlägt Knopflers großes musikalisches Herz, seine Gedanken verweben sich zu Melodien, die den größten Teil seines stilistischen Repertoires abdecken.
Auch unterscheiden sich die Stile klarer als sonst – Knopfler hätte mehrere thematisch getrennte Repertoires zusammenstellen können, wollte aber das eine nicht ohne das andere. Schöner Nebeneffekt: Die vordergründigen, statischen Bluesrock-Licks, die bislang die Alben störten, fehlen fast völlig. „Es ist ja kein richtiger Blues, wenn niemand Mundharmonika spielt“, grinst Knopfler. Die Mundharmonika, die auf dem Album zu hören ist, wird von Kim Wilson (Fabulous Thunderbirds) geblasen, der schon mit Muddy Waters und Jimmy Rogers auftrat und als einer der besten seines Fachs gilt. Nun ist der Blues wirklich Blues. „Es war faszinierend, ihn im Studio zu haben. Wir haben einfach gespielt, und dann waren wir fertig.“
Knopfler hat sein neues Album „Privateering“ (von „Privateer“ = Freibeuter) genannt, weil er das fahrende Musikertum mit dem Piratenleben vergleichen möchte. Knopfler ist der Kapitän auf seinem Schiff und geht mit seiner Crew auf große Fahrt, um in den Konzerthäusern der Welt fette Beute zu machen. Gleich am Anfang des Albums definiert er mit einem Lied über Börsenmakler und Finanzmogule das Feindbild. „Der Typ in dem Lied ist eine dieser bedauernswerten Kreaturen von Canary Wharf“, sagt Knopfler. „Er ist wie ein Hohepriester, sein Wolkenkratzer ein moderner Tempel. Ich kann ihm nicht mal böse sein. Er tut mir nur leid.“
Dagegen stehen bei Mark Knopfler das freie Leben, die Ungebundenheit des Menschen im Allgemeinen und des Musikers im Besonderen. „Klar ist es heute schwer, als Band durchzukommen. Aber man kriegt seine Chance, garantiert. Wenn man es will und gut ist, kommen die Leute. Es dauert gar nicht lange, dann stehen sie Schlange. Wir haben unsere Shows mit den Dire Straits am Anfang doch auch selbst gebucht, sind in unseren klapprigen Van gestiegen und zum Club gefahren.“ Der Van – beziehungsweise ein anderes Exemplar dieser Art – ziert nun das Cover von „Privateering“. Knopfler hat ihn extra für das Foto gekauft und auf sein Grundstück gestellt. Der Bandbus als Piratenschiff: klar zum Entern! „Man braucht keine staatliche Förderung, um Gehör zu finden“, wird Knopfler nun leidenschaftlich, „Man muss einfach weitermachen, durchziehen, dranbleiben. Das scheint mir im Moment das Thema zu sein.“
Dranbleiben, darum geht es auch in mehreren Songs auf Knopflers siebentem Soloalbum. Bei einem Stück führt ein Mann ein Zwiegespräch mit zwei Kühen und lässt sich von deren stoischer Dickhäutigkeit inspirieren. Das erinnert Knopfler an die Zeit, als er als junger Mann die Tochter eines Farmers in Northumberland ehelichte und tagein, tagaus auf dem Feld schuftete. „Wenn du einen Zaun über eine Weide gespannt oder eine Scheune mit Heu vollgemacht hast, denkst du nicht mehr nach, und du spielst auch nicht Gitarre. Du arbeitest und schläfst, das ist alles. Ich habe damals gelernt, durchzuhalten und mein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.“ Die Kühe in Northumberland, der Broker von Canary Wharf, der Van, der optimistische New Yorker – irgendwie hängt das alles zusammen. Durchhalten, bodenständig bleiben, unabhängig leben: Das ist die große Fahrt des Captain Knopfler.