Marilyn Manson – Asbury Park, Convention Hall
Mit okkultem Habitus und einem Bühnenoutfit, das an Alice Cooper und George A. Romeros Zombiefilme gemahnt, haben es Marilyn Manson, neuestes Ziehkind des Zeitgeistpapstes und Nine Inch Nails-Kopfes Trent Reznor, geschafft, eine stetig wachsende Jüngerschar zu rekrutieren. An Halloween gaben Amerikas derzeit angesagteste Schock-Rocker ein Stelldichein mit bitterem Nachgeschmack.
Die Szenerie konnte kaum besser geeignet sein. Ein rauher Wind peitschte über den einsamen Strand der Atlantikküste im mittlerweile von Gott und Boss Springsteen verlassenen Asbury Park. Dort, eine gute Autostunde von New York City entfernt, sollte das hippste Ereignis der diesjährigen Gespenster-Nacht stattfinden, in der vom Zahn der Zeit angenagten Convention Hall, deren postmodern-barockes Interieur von den goldenen Siebzigern kündet. Ein passendes Setting für Marilyn Manson, die ihre Glam- und Schockeffekte offensichtlich bei David Bowie- und Kiss-Konzerten einstudiert haben.
Der Bandleader agiert auf der Bühne wie ein fleischgewordener Alptraum. Mit unkontrollierten Zuckungen und leichenblassem Antlitz, den Körper notdürftig vom schmierigen Rest eines antiken Frauenkorsetts verhüllt, kreischt er die Frustrationen seiner Generation auf äußerst effektvolle Weise heraus. Die Show seiner Endzeit-Truppe, ein ekstatisches Armageddon aus Rocky Horror Picture Show, Phantom der Oper und diversen klerikal inspirierten Splattermovies, findet ihre Klimax, als Manson sich vor passender Kulisse zum Neuzeit-Hitler aufschwingt und seine Prophezeiung des „Antichrist Superstar“ vom bannergeschmückten Rednerpult herunter kolportiert. Statt Hakenkreuzen prangen die bandeigenen Embleme auf den blutroten Fahnen, und das Publikum kann sich, eher vor Ehrfurcht als vor Lachen, kaum noch halten. Wenn auch die Ideen nicht neu, die Effekte vordergründig und die Motive dem Lehrbuch für gefrustete Gen-X-Anhänger mit Hang zur Dramatik entliehen sind, so funktionieren Marilyn Manson für die von Selbstzweifeln geplagten Kids doch als ungleich besserer Katalysator. Geschickt macht man sich die TV-gesättigte Klientel zunutze und baut mit einer Aneinanderreihung von Zitaten auf den Wiedererkennungswert des Unterbewußtseins. Mit der Intensität des Gezeigten verdeutlicht die Band, wie hoch die Meßlatte heute liegt, wenn’s darum geht, die Massen aus der Lethargie zu wecken. Was danach kommt, vermögen auch sie nicht zu sagen.