Mao in der Aktentasche

Der Entertainer Götz Alsmann bringt Schlager-Harmonie und Widerstand unter eine Tolle.

Wenn Götz Aismann in Köln weilt, um eine neue Staffel seiner WDR-Show „Zimmer frei“ zu drehen, residiert er im ersten Haus am Platz, dem „Dom Hotel“. Er hat sich das verdient. Schließlich spielt er im Jahr ungefähr so viele Konzerte wie Bob Dylan, arbeitet als Fernseh- und Radiomoderator und veröffentlicht alle zwei Jahre ein neues Album. Für sein neustes Werk, „Engel oder Teufel“, hat er zudem die meisten Lieder selbst verfasst. Kann gut sein, dass er der größte Malocher im deutschen Unterhaltungsgeschäft ist. Aber er lässt es sich nicht anmerken, denn er hat Stil, sitzt – natürlich ein Einstecktüchlein im hellen Sakko entspannt unter einem Sonnenschirm, vor sich Sekt und Milchkaffee.

Das Hotel passt gut zu Ihnen.

Ich habe lange in einem dieser Design-Hotels gewohnt. Dann ereilte mich eine Grippe, und ich bat an der Rezeption um eine Heiße Zitrone. Da sagte die Dame: „Sie wissen doch, dass wir ein Design-Hotel sind. Wir haben keinen Room-Service. Aber ich rufe im Restaurant an, dann können sie sich die Zitrone in 15 Minuten abholen.“ Als Dauergast, der ich damals war, dachte ich, das einzige, was ich mir hier noch abhole, ist die Rechnung. Dann habe ich zum Taxifahrer gesagt: „Ich möchte ein Hotel, wo ein älterer Herr im Livree vor der Tür steht und ,Guten Tag, Herr Geheimrat‘ sagt, wenn ich komme.“ Der Taxifahrer hat nur genickt: „Dann fahre ich sie ins Dom Hotel.“ Seitdem wohne ich hier.

Würden Sie sich als konservativ bezeichnen?

Man sträubt sich ja gern dagegen, „konservativ“ genannt zu werden. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem ich dachte: Zumindest bin ich altmodisch. Das ist ein bisschen verspielter. Und es klingt irgendwie nach Aktentasche, und ich reise immer mit Aktentasche.

Sie waren ja auch mal Maoist.

Mein Lieber, ich war 15 und habe ein Flugblatt verteilt. Das war’s im Prinzip. Als ich 16 war, hatte ich endlich eine Freundin, da brauchte ich das nicht mehr.

Aber Sie haben wegen Ihrer Vergangenheit doch später sogar Probleme mit dem Militärischen Abschirmdienst MAD bekommen…

Das hatte mit meinem Reisepass zu tun. Ich bin als Teenager schon durch die Sowjetunion gereist.

Wie kam’s dazu?

Ich war 16, und meine Schulklasse besuchte den nordrhein-westfälischen Landtag. Mein Klassenlehrer hatte einen Cousin, der für die SPD dort Abgeordneter war und dem wir ein paar Fragen stellen durften. Damals war gerade das erste neuzeitliche Berufsverbot in Deutschland ergangen. Es ging um einen Richter, der der DKP angehörte, er hieß Götz mit Nachnamen – ein Name, den ich einfach nicht vergessen kann. Also habe ich eine Frage dazu an meinen Abgeordneten gestellt, und der rastete völlig aus.Ich war plötzlich die personifizierte Weltrevolution. Und dann schrie er: „Gehen Sie doch mal da rüber!“ Und ich wurde keck und sagte: „Wenn ich einen gut funktionierenden mittelständischen Schleifmaschinenbetrieb leiten würde, so wie Sie, dann hätte ich genug Geld, um mir eine solche Reise leisten zu können.“ Und er schrie: „Ich bezahl Ihnen die Reise!“

Hat er dann tatsächlich getan?

Nach einigem Drängen. Mein Standort war das kaukasische Sotschi am Schwarzen Meer. Von dort bin ich dann überall hingeflogen, nach Aserbaidschan, nach Abchasien… Es waren nur ein paar Wochen, aber jeder Grenzer hat da seinen Stempel in meinen Pass gewämmst. Und dann kam ich zur Bundeswehr, gab meinen Pass ab, und es war gleich ’ne Bombenstimmung!

Ihre neue Platte heißt „Engel oder Teufel“. Steckt im Schlager tatsächlich etwas Teuflisches – der Geist, der stets verneint? Ich dachte immer, Schlager sei pure Affirmation…

Da tun Sie ihm aber Unrecht. Mal abgesehen davon, dass das Wort immer noch einer wirklichen Definition harrt. Es sagt zugleich alles und nichts aus, und deshalb muss man es auch positiv beladen können. Die durchaus humorvollen Songs von Bill Ramsey und Chris Howland etwa würde man heute unter „großartiges Kabarett“ abbuchen.

Ihr Sohn spielt in einer progressiven Heavy-Metal-Band.

Stimmt. Dort ist er Gitarrist. Aber er spielt auch Anderes auf anderen Instrumenten. Auf meinem neuen Album spielt er die Drehleier.

Seinen ersten Auftritt hatte er allerdings schon in den Neunzigern. Auf einem Album des Komponisten Moondog. Da war er gerade mal ein Jahr alt. Wie kam’s dazu?

Er war neun Monate, um genau zu sein. Gesehen habe habe ich Moondog das erste Mal – wie wir alle in Münster – Ende der 70er Jahre. Da lebte er 40 Kilometer entfernt in Oer-Erkenschwick. Ende der Achtziger habe ich dann eine große Rundfunksendung über ihn gemacht, da kamen wir uns auch persönlich näher. Dann habe ich mit ihm Konzerte gespielt, für ihn moderiert und gesungen. Zusammen mit Markus Paßlick, dem Perkussionisten meiner Band, haben wir zu dritt Moondogs Klavierstücke aufgeführt.

Er hatte auch eine tolle Stimme.

Ja. Und sehr amerikanisch. Wir lieben es ja, ihn uns als untypischen Amerikaner vorzustellen. Aber wenn er in einer Stadt war, und da gab es ein altes Gebäude, dann hat er die Steine angefasst, richtig abgetastet. Er war total fasziniert davon. Unterm Strich war er also ’n richtiger Ami.

Er hat ja sogar ganz altmodisch das Edelweiß besungen.

Zu Recht, wie ich finde.

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