Mando Diao: All die nutzlose Schönheit
Einen Sommer lang sollen sie in Gottes Namen - unsere Ersatz-Beatles sein: Mando Diao aus Schweden sind schön und machen schöne Musik
Die Band besteht zu über 90 Prozent aus Lippen, Haaren und Augen.
Absolute Beat-Gesichter, als ob Mando Diao in einer speziellen Jungs-Riege im antiken Athen oder Sparta herangezüchtet und dann, jawohl, gecastet worden wären. Es ist so ungerecht leicht zu erklären, warum Mädchen die Band mögen. Aber wenn wir uns schon auf einem so schwulen Terrain wie Popmusik bewegen, würde ich mal sagen, dass diese Art Sex auch die jungen Männer im Publikum beim Schwanz packt und dass die Beatles nie im Leben so viele männliche Fans gehabt hätten, wenn sie von Anfang an mit „Hey Jude“-Bärten angekommen wären.
Mando Diao sind eine Band, die es liebt, angeschaut zu werden, oder? „Oh yes“, sagt Sänger Gustaf Noren mit schwedischem Akzent. „It’s for the eye and for the ear. The great poses come with the great songs.“
Gustaf Norens beste Pose im Konzert (an einer Stelle, wo er oben nur noch ein Unterhemd anhat): Bei einem A-cappella-Refrain dreht er den Kopf zur Seite, legt sich die Hand in den Nacken und streckt narzisssenhaft den Ellbogen aus. Der Moshpit ist klein und ganz weiblich. Mando Diao haben einen inoffiziellen Hass-Fanclub, Jungs, die Konzertkarten und Merchandising kaufen und die Lieder mitsingen, aber weit hinten im Saal stehen und der Band – wenn sie hinschaut – den Mittelfinger zeigen.
„Und die schreiben uns ins Internet-Forum: „Ich weiß auch nicht, warum ich das schreibe, aber ich hasse euch so sehr, ihr seid der letzte Dreck. Aber eure Musik ist gut.'“ Das gefällt ihnen, dass sie allein durch das Vorhandensein der Band Leute ärgern können und die sie trotzdem lieben. „The Nigga Ya Love To Hate“ vom Rapper Ice Cube war lange der Schlacht-Song von Mando Diao.
Die hübschen Vögel kommen ja aus den Slums von Südschweden, wie sie gern auch ungefragt betonen. Aus Borlange mit der, Vorsicht, höchsten Mord- und Drogenopfer-Rate des Landes. Also bitte nicht nach Borlange fahren. „Hiphoppig ist es da nicht, das sind nur Gangs aus arbeitslosen Kriminellen. Eine hat sich nach einer Buslinie benannt, die 505-Gang“, sagt Noren. der mit 16 den (heute ebenfalls 23-jährigen) Komponier-Partner Björn Dixgard kennen lernte und sich zurückzog, um über Musik nachzudenken. „Björn und ich galten ein, zwei Jahre als Verräter, dann hatten die anderen uns vergessen.“ Die Freunde, die weder im Gefängnis noch tot sind, kommen manchmal zu Konzerten.
In der Geschichte von Mando Diao gibt es auch typische Charaktere wie den begeisterten Lokal-Journalisten und den behilflichen MTV-Moderator, und natürlich kam das erste Album im zweifelnden Deutschland viel zu spät. Trotzdem waren sehr viele aus dem Häuschen, was bei allem Schweden-Pop-Gejubel (das wie der wohlwollende Beifall der Erwachsenen bei einem B-Jugend-Fußballspiel klingt) doch überraschte. Die zweite Platte „Hurricane Bar“ ist tausendmal besser, so viel nutzlose Schönheit, und sie kopieren nicht die Beatles, obwohl Noren und Dixgard ganze Szenen aus dem „A Hard Day’s Night“-Film nachspielen können.
„Sie waren die Coolsten der Welt, sie hatten alles und waren sich gar nicht bewusst, wie wichtig sie waren“, sagt Noren über die Beatles. „Weil sie so jung waren. Sie hassten die Spießer. Mit 16 hat mich das umgehauen. Denk daran, mit 16 baut man sein Leben auf Klischees, weil man die Klischees zum ersten Mal hört. Man liebt die Klischees!“
Klar wollen Mando Diao genau so sein. Aber die Schönheit, die Herkunft, die guten Lieder, das alles spricht auch gegen sie, und kein Mensch wird in 40 Jahren so über sie sprechen. Deshalb: Lasst sie uns jetzt lieben, einen Sommer lang. Lasst sie uns lieben wie eine kulleräugige, zerstrubbelt schwarzhaarige Affäre mit schönen Lippen, die dann wegzieht und sich einen anderen nimmt. Das ist ganz ernst gemeint.