Makellose Monster-Show: Alice Cooper zeigt gar keine Altersmüdigkeit – München, Colosseum
Er hatte sich lange keine so große Show mehr gegönnt, aber jetzt musste es endlich sein: die Rache an der bayrischen Provinzhauptstadt, die ihm vor Jahren untersagt hatte, sein Theater vor Minderjährigen aufzuführen. Diesmal hatte sich keiner um ein Verbot gekümmert die CSU ist auch nicht mehr das, was sie mal war -, und Alice Cooper machte das Beste, also Böseste daraus.
Es wurde gemordet, gefoltert, geköpft an diesem Abend – und viel gelacht. „I ain’t no Justin Timberlake, I ain’t no Robbie Williams„, rief Alice irgendwann in die Runde, als täte es Not. Später brachte er eine Britney-Imitation um die Ecke und sang hämisch: „Hit me, baby, one more time!“ Das Schöne an dieser Art Horrorshow ist ja, dass sie keinen Moment lang gruselig wirkt. Alles ist so überzogen, so offensichtlich Karikatur, dass man sogar grinsen muss, wenn ein Mutanten-Baby mit doppeltem Kopf aufgespießt wird oder die bewährte Guillotine zum Einsatz kommt. Anders als etwa Manson oder Reznor will Cooper einem gar nicht wirklich Angst einjagen. Er ist bloß ein perfekter Entertainer. Jede seiner Bewegungen sitzt, sei es das Säbelrasseln oder der Kampf mit der bösen Krankenschwester, die ständig hinter ihm her ist.
Trotzdem geht die Musik bei aller Inszenierung nicht unter, und das ist die eigentliche Faszination. Wie gut der Mann singen kann! Das sarkastische „Lost In America“ wirkt fieser denn je, „Poison“ immer noch sagenhaft catchy, „Only Woman Bleed“ lässt einen schaudern. Dass die neueren Songs da nicht mithalten können -geschenkt In diesem Tohuwabohu fällt das gar nicht weiter auf. Cooper scheut sich ja wenigstens nicht, all seine gesammelten Klassiker aufzufahren: „Elected“ und „Tm Eighteen“ und natürlich „School’s Out“.
Ärgerlich ist bloß das sehr langweilige Drumsolo, das an die üblen Aspekte der 80er Jahre erinnert. Aber das muss wohl sein, wenn man sich eine All-Star-Band gönnt – mit Ex-Kiss-Trommler Eric Singer, Ex-Guns N‘ Roses-Keyboarder Teddy Andreadis und Ex-Quiet Riot-Bassist Chuck Wright. Dass so viel Altlast so frisch klingen kann, war nicht zu erwarten. Das Ende kam viel zu schnell, war aber unwiderruflich. Eine Stimme aus dem Off brüllte: „Die Show ist zuende. Ihr habt überlebt. Jetzt raus!“
Nach dem Konzert, im blitzblanken Tourbus, wo etliche Fans und eine kleine, in Zellophan verpackte Mahlzeit auf Alice warten, beklagt sich der „Prince Of Darkness“, dass er seit Monaten keine Zeit mehr zum Golfen hatte und dass hier zu Lande zu viel geraucht wird. „Wir brauchen bei der Show gar kein Trockeneis“, krächzt er und lacht. „Die Deutschen sind schon verrückt.“ Sagt ausgerechnet Alice Cooper? „Aber ich bin doch eigentlich ganz normal. Ich trinke nicht mehr und nehme keine Drogen, ich fange meine Konzerte pünktlich an – das ist gar nicht so schwierig, Axl Rose! – und behandle meine Musiker gut.“ Der perfekte Mitbürger also. Soll die Krankenschwester, die ihn immer ins Irrenhaus stecken will, ihn doch endlich in Ruhe lassen.