Maifeld Derby 2022: Parcours der Engel – Ein Streifzug am Festival-Sonntag
Love is Indie Air: Am Wochenende fand das Maifeld Derby endlich wieder statt. Vor Ort waren unter anderem Bilderbuch, Arlo Parks, Kettcar – und, am Sonntag, unsere Autorin und Fotografin, die den heimlichen Star des Festivals erlebt hat.
Auf dem Mannheimer Maimarktgelände versammelt Schirmherr Timo Kumpf, Gitarrist der Band Get Well Soon, zum 11. Maifeld Derby am vergangenen Junimond-Wochenende neben Headlinern wie Bonobo, Bilderbuch und Sampa the Great eine delikate Vielfalt einheimischer „Monnemer“ Künstler*innen (MA) wie Luva und (inter-)nationale Indie-Acts. Darunter gleich zwei glitzernde Artists aus Down Under: Amyl & The Sniffers und Stella Donnelly. Sowie die zauberhafte Büşra Kayıkçı. Ein Streifzug.
Wasserstoffblonde 80s-Föhnwellen-Haarfrisur, exzentrisches schwarzes Augen-Make-Up, nippelbetonendes helles Muskelshirt, kirschenbestickte Jeans-Hotpants, kombiniert mit Millenial Nikes und augenzwinkernd rüpelhafter sweet Hooligan-Attitude: Der heimliche Star des Maifeld Derbys 2022 – nicht nur optisch, auch energetisch eine besondere Erscheinung – ist dieses Jahr Amy Taylor, die mit ihrer Männerbande bis ans Ende der Welt getourt ist. Die stilsichere Frontfrau der australischen Garage-Punk-Virtuosen Amyl & The Sniffers erinnert an eine wilde Kreuzung zwischen Lady Di & Camilla meet Patti Smith im Fitness-Kraftraum. Genreübergreifend gefeiert und bereits für einen Track mit den Sleaford Mods im musikalischen Schlepptau. In Mannheim geben die Melbourner heute eines ihrer seltenen Deutschlandkonzerte.
Mit herausgestreckter Zunge und Machoposen wirbelt die zierliche Gestalt ekstatisch außerirdisch über die sonnig aufgeheizte Open-Air Bühne, zieht Fratzen und streckt „Security“ liebevoll grinsend ihren halbnackten Hintern hin. Ein Konzert, das ordentlich knallt.
Nicht nur Kerle fühlen sich da angezogen und suchen mit Pappschildern („Fuck Needle Injection“) Amys Aufmerksamkeit. Besonders die weiblichen Fans scheinen hier ein Rolemodel zu finden, das durch seine ungewöhnliche, wilde feminine Kraft und verspieltem Wutausdruck zu selbstbestimmter Freizügigkeit und Stagedive inspiriert. Die Sicherheitsmänner nehmen das grinsend hin.
Überhaupt freuen sich alle hier endlich mal wieder etwas ausrasten zu dürfen. Ein etwa sechsjähriges Mädchen begleitet von ihrem wenige Jahre älteren Bruder drängelt sich bei „Guided by Angels“, dem wohl bekanntesten Song von Amyl & The Sniffers, in die erste Reihe und blickt fasziniert über die viel zu hohe Absperrung auf die Bühne. Obwohl sich wenige Meter neben ihnen gleich ein Moshpit zusammenbrauen wird, sind die Kleinen achtsam beschützt.
Der allgemeine Vibe des Festivals ist friedlich entspannt und es sind tagsüber einige Musikgenerationen mit ihren Kids da.
Am anderen Ende des Festivalgeländes lässt man sich am Junimond-Sonntag im „Parcours d’Amour“ von einem sanften Glitzerregen der türkischen Solopianistin Büşra Kayıkçı berieseln. Unten an der Retro-Stadion-Tribüne aus bunten Plastiksitzen, dekoriert mit vielen Herzchen, gibt die Neoklassik-Künstlerin im Kopftuch seelig an ihrem Oldschool-Holzklavier mit offenen Tasten den überhitzten Festivalbesucher*innen frische, neue Energie für den Endspurt.
Nach einer ausgelassenen Publikums-Tanzchoreographie und dem beflügelnden „Love is in the Air“-Cover der pixiehaft leichtfüßigen Stella Donnelly aus Australien, verabschiedet sich das Festival im goldenen Sonnenuntergang zu den schillernden Klängen der norwegischen Headliner Kings of Convenience.
Am Ausgang bedanken sich herzliche Securities bei den Fans. Von erschwerten Bedingungen als Indie-Veranstalter mit coronobedingten Ausfällen und Personalmangel ist bei dem guten Flow und all den positiven Vibes des resilienten Maifeld Derbys nicht viel spürbar. Allen Engeln sei Dank.