Magnolia Electric Co: Trauerarbeit und Triumph
Mit dem neuen Album von Magnolia Electric Co., "Josephine", nimmt Jason Molina auf ganz eigene Art Abschied von einem Freund und Kollegen.
Am 23. Dezember 2007 starb Evan Farrell an den Folgen einer Rauchvergiftung. Der Bassist war zum Zeitpunkt seines Todes Teil von Jason Molinas Magnolia Electric Co., hatte mindestens eine Tournee mitgespielt und sich in das Songwriting eingebracht. Doch Farrell war viel mehr. „Er war zehn Jahre lang mein Freund“, erinnert sich Molina, „aber nicht nur das- er hatte mir die Augen über meine Musik geöffnet, er war eine unglaubliche Hilfe und hat mir eine ganz neue Perspektive auf Musik insgesamt eröffnet. Sein Verlust hat mich komplett aus der Bahn geworfen.“
Der Tod Farrells ist Ausgangspunkt und Inhalt der neuen Magnolia-Platte, „Josephine“ . Molina spricht offen über die Zeit nach dem Unglück, versucht zu erklären, was passierte. Fast hätte er mit der Musik aufgehört, sagt Molina, der in London abtauchte und die Einsamkeit suchte. Und dann war da noch ein fast tödlicher Spinnenbiss, der Molina für einige Tage in seinem Körper einsperrte, unfähig, sich zu bewegen oder zu sprechen. „Es war komischerweise gar nicht schlimm“, erinnert er sich. „Meine Freunde standen an meinem Bett und weinten, alle dachten, ich wäre bald tot, aber mir ging’s ganz gut. Ein seltsamer Moment des Innehaltens.“
Zum Symbol von Molinas Trauerarbeit wurde eine uralte, orangefarbene Les Paul, auf der Farrell in den Wochen vor seinem Tod viel gespielt hatte. Molina rührte den Gitarrenkoffer nach dem Unglück ein halbes Jahr nicht an. „Eines Morgens passierte es dann, ich nahm die Gitarre und zog neue Saiten auf. Einfach so, ohne darüber nachzudenken. Das war der Anfang.“ Das Album, das schließlich entstand, ist kein Nachruf. Molina wollte alle Klischees auslassen und eher das Leben reflektieren.
„Josephine“ ist voller Verweise auf Molinas bisheriges Werk, eine Art Puzzlespiel mit Assoziationen, Städten und symbolhaften Orten wie Brücken, Flüssen und Kreuzungen. „Einen Musiker zu verlieren, ist das Schlimmste, was dir passieren kann“, sagt Molina. „Diese Songs dokumentieren den Versuch, mit der Einsamkeit klarzukommen. Deshalb geht es ständig um Orte, an denen man eigentlich nicht bleibt… Ich habe mein ganzes Leben auf der Straße verbracht, für mich sind diese Städte und Straßen ein immer anderes Zuhause. Und so ist es doch: Wir alle treffen uns im Nirgendwo. Wir hoffen, eine Verbindung herstellen zu können und zu erleben, dass wir nicht allein sind.“
Molina nennt das neue Album einen persönlichen Triumph: „Hier waren wir- eine ultratraurige Band, der tatsächlich etwas wirklich Tragisches passiert ist. Wir hatten die besten Voraussetzungen, eine sehr depressive Platte zu machen. Aber wir haben etwas anderes gemacht, etwas Heroisches, Universelles. Ich hätte nicht gedacht, dass wir das schaffen können.“
Jörn Schlüter