Magenta, Moos und Muse

DIE NATUR MAG KEINE Wiederholung, sie mag Variation“, sagt Josephine Foster mit einer Stimme, die genauso sepiagetönt klingt wie auf ihrem Wunderalbum „I’m A Dreamer“, einer Platte, für die man dringend die Formulierung „aus der Zeit gefallen“ erfinden müsste, wenn sie nicht ohnehin schon ständig irgendwelchen Alben hinterhergeschrieben würde. Mit der Wiederholung hat es die Musikerin tatsächlich nicht: In Colorado geboren, sang sie in jungen Jahren auf Hochzeiten und Beerdigungen, strebte aber bald eine Karriere als Opernsängerin an. „Ich habe den Plan noch immer nicht ganz verworfen“, gibt sie zu, „aber wenn ich das wirklich durchziehen wollte, müsste ich so viele Dinge, an denen ich hänge, opfern.“

Platten macht sie seit rund 13 Jahren – und auch hier regiert die Abwechslung: Mal singt sie eigenes Material, dann wieder interpretiert sie Lieder von Schubert, Brahms und Schumann, spanischen Folk oder Gedichte von Emily Dickinson; sie spielt Tin-Pan-Alley-Stücke, Kinderlieder, psychedelischen Folk oder klassische Songwriter-Ware. Doch so gut ihre bisherigen Platten auch waren: Auf die Schönheit und Kraft von „I’m A Dreamer“ war man nicht vorbereitet. Abgründige, durchschwelgte Kunst-Folk-Lieder mit Saloon-Geklimper, Double Bass und Besen-Schlagzeug umgarnen den Hörer. Und dann diese sonderbare Mezzosopran-Stimme, die beinahe wie durch ein Grammophon zu leiern scheint: Menschen mit auch nur linder Abneigung gegen nostalgische Anverwandlungen könnten spätestens an dieser Stelle augenrollend weiterblättern und die Foster als Kunsthandwerkerin abtun.

Sicher, ihr Album taucht zu einem Zeitpunkt auf, wo der Überdruss am Rückgriff auf alte Folk-Traditionen durch sich rustikal gebärdende Bartburschen oder Banjo-Schwestern in Rüschenblusen immer lauter wird – fast so laut wie die Musik der Bartburschen und Banjo-Schwestern selbst. Aber Fosters Songs wischen alle pauschalen Vorurteile gegen Old-Timey-Seligkeit vom Tisch: „I’m A Dreamer“ klingt zwar tatsächlich unglaublich altmodisch -und eben doch wie nichts anderes. Lieder wie der Titelsong oder „This Is Where The Dreams Head, Maude“ evozieren in gleichem Maße Magenta und Moos, Spinnweben und Lagerfeuer, verrottendes Fleisch und nackte Haut, Holzhütten und Opium-Salons, Pfeifenträume und Wermutspirituosen.“Viele dieser Songs habe ich tatsächlich geträumt, zumindest einzelne Melodien oder Zeilen“, erzählt Foster.

Dass die Frau mit ihren Musen in gutem Kontakt ist, kann man hören. Nicht nur in einem Song namens „Amuse A Muse„:“Ich habe viele Musen, die wichtigste ist meine Einbildungskraft. Du musst deinem Bewusstsein einen Altar, einen Tempel bauen und ihm regelmäßig die besten Sachen darbringen.“ Klingt halbwegs entrückt, sicher, und Josephine Foster hat auch kein Problem, zu erzählen, dass ihr letztes Album in einem Yoga-Zentrum aufgenommen wurde. Aber die Foster lacht auch gerne, wenn sie so etwas sagt. Sie weiß, wie das klingt, was sie da erzählt, aber sie kann auch nicht anders.

Für die Aufnahmen verschlug es die Weitgereiste diesmal nach Nashville, hier fand sie den eigentümlichen Sound für die Platte. „Ich habe dort schon früher aufgenommen, es war also nicht völlig neu für mich. Nashville hat einen eigenen Reiz für Amerikaner: Man braucht hier kein Auto, alles ist zu Fuß zu erledigen.“ Der Ort, an dem sie aufnimmt, sei ihr sehr wichtig, klar. Sie überlegt eine Weile: „Ein Architekt ignoriert ja auch nicht den Ort, an dem er ein Haus baut. Für einen Musiker gilt das ebenso: Der Ort, die Menschen, die Zeit – all das fließt in eine Aufnahme ein, das macht vielleicht die Magie aus.“

In Nashville traf sie auch den Pianisten Micah Hulscher, dessen Spiel das Album ebenso prägt wie Fosters Stimme. Sicher, sie spiele auch selbst Klavier, aber als bekennende Nomadin komme das Klavier eben irgendwann zu kurz. „Und die Sachen, die Micah spielt, diese Blockakkorde – das kann ich ohnehin gar nicht.“ Ein weiterer wichtiger musikalischer Partner ist Fosters Ehemann, der Gitarrist Victor Herrero, der seit Jahren auf ihren Platten spielt.“Victor ist wie mein Spiegel“, sagt sie und klingt mal wieder, als sänge sie eigentlich, „er ist von vornherein dabei, wenn die Stücke entstehen. Mit ihm teile ich diesen wunderbaren Moment der kreativen Entdeckung.“

Man darf gespannt sein, an welchen geografischen und musikalischen Ort es die beiden Musiker wohl als Nächstes verschlägt: „Zuhause ist dort, wo diejenigen sind, die man liebt“, erklärt Foster. „Also habe ich nicht nur ein Zuhause, sondern viele.“

DREI KLEINE WUNDERWERKE

Der mystische Zauber von „I’m A Dreamer“ soll nicht verschleiern, dass Foster schon einige andere tolle Alben geschaffen hat

Allein den Einflüssen nachzuspüren, die die Songwriterin aus Colorado auf ihren Alben zu oft windschiefen, oft brüchigen Klanggebilden verschmelzt, gleicht einer Reise in die Musikgeschichte bis weit ins 19. Jahrhundert. Ob versponnener Lo-Fi-Folk auf „All Leaves Are Gone“(2004), eine Platte mit Kunstliedern von Brahms, Schubert und Schumann („A Wolf In Sheep’s Clothing“, 2006) oder Psychedelic Rock („This Coming Gladness“, 2008) – Josephine Foster transzendiert alles mit entrückt hexenhafter Stimme und klingt manchmal wie eine unter Jahrhunderten verschüttete Version von Jefferson Airplane und manchmal wie Joanna Newsoms schlafwandelnde Großmutter.

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