
Madonnas „Material Girl“: Was bleibt nach 40 Jahren?
40 Jahre nach Madonnas „Material Girl“ regiert noch immer Geld die Welt. Macht uns das glücklich?

Zurzeit, das lässt sich zusammenfassend wohl so simpel sagen, bestimmen den Lauf der Welt Menschen (vor allem Männer), denen Materielles alles bedeutet. Bei Trumps Amtseinführung standen die Milliardäre in der ersten Reihe, es war ein eindeutiges Zeichen: Geld regiert die Welt. Nun ist Musik eine der schönsten Formen von Eskapismus, aber natürlich ist auch sie ein Geschäft – und mitten im Kapitalismus spielte Geld in Songs schon immer eine Rolle. Money On My Mind. Money Changes Everything. Money, Money, Money. Money Left To Burn. Keep Your Eye On The Money. Pay Me My Money Down. Put Yer Money Where Yer Mouth Is. Free Money. Opportunities (Let’s Make Lots Of Money). It’s Money That I Love. Das sind nur die zehn ersten Treffer, die mein Lieblingsluxusding, das iPhone, ausspuckt. Und dann ist da natürlich Madonna.
Vor 40 Jahren wurde „Material Girl“ als zweite Single aus Madonnas zweitem Album, „Like A Virgin“, veröffentlicht. Nile Rodgers bastelte ihr einen mächtigen Disco-Beat, und sogar mir als Zwölfjähriger war klar, dass Madonna zwar nicht singen kann, aber so unfassbar famos quäken, dass wir sie nie wieder vergessen würden. Den Wortwitz verstand ich damals noch nicht ganz. Die clevere Madonna merkte dagegen sofort, was für einen lustigen Song ihr Peter Brown und Robert Rans da geschrieben hatten.
„If they don’t give me proper credit/ I just walk away …“ (Madonna)
In den ersten Zeilen wird gleich klargemacht, was hier geht und was nicht: „Some boys kiss me, some boys hug me/ I think they’re okay/ If they don’t give me proper credit/ I just walk away.“ Nun kann „credit“ wortwörtlich Kredit bedeuten, aber eben auch gebührende Anerkennung. Ähnlich bei der Zeile „If they can’t raise my interest/ Then I have to let them be“: Meint sie Zinsen oder Interesse? Auf jeden Fall erwartet diese Frau viel, Romantik hin, Engtanz her. Am Ende deutet sich allerdings an, dass sie eigentlich gar nicht mehr angewiesen ist auf irgendwelche Typen: „Boys may come and boys may go/ And that’s all right, you see/ Experience has made me rich/ And now they’re after me.“
Madonna meinte natürlich, dass die Jungs hinter ihr her sind, doch beim Blick auf die reichsten der Reichen erkennt man oft eine andere, armselige Paranoia: Wer viel hat, hat viel Angst, es zu verlieren. Der Duden definiert Materialismus als „auf Besitz und Gewinn bedachte Einstellung dem Leben gegenüber“. Wie zufrieden kann jemand werden, der nur darauf setzt? Und was hinterlässt er der Welt? Wird doch eh alles zu Staub irgendwann. Erfahrungen machen uns reich, damit hat der Song recht – aber in dem Sinn, dass unsere Erinnerungen mehr wert sind als Gegenstände. (Und nicht dass Sie jetzt denken, ich verzapfe Unsinn wie „Geld macht nicht glücklich“ – das mag ja sogar sein, aber ich weiß sehr wohl, dass kein Geld unglücklich macht. Wer das nicht weiß, hatte immer genügend.)
Die Gegenbewegung zum Materialismus nennt sich Death Cleaning
Interessanterweise gibt es im – mal wieder überlegenen – Schweden seit einer Weile eine kleine Gegenbewegung, bei der es darum geht, dass wir möglichst wenig Kram hinterlassen sollten – Döstädning heißt die Devise. Margareta Magnusson hat einen Bestseller darüber geschrieben: „The Gentle Art Of Swedish Death Cleaning“, den Amy Poehler sogar in eine Fernsehserie umgewandelt hat. Ballast loswerden, die Hinterbliebenen vor zu viel Gerümpel schützen, lieber Liebe zurücklassen – es könnte so einfach sein. Allerdings möchte ich ehrlich gesagt ungern auf mein iPhone mit seinen 16.323 Liedern verzichten!
Materialismus oder Minimalismus? Die Wahrheit liegt wie meistens dazwischen. Madonna gönnt sich gern allerlei Exquisites, steckt gleichzeitig viel Geld in ihre Ray-of-Light-Stiftung und hat – anders als die Milliardärs-Clique – den Mumm, öffentlich gegen Trump zu wettern. Solche Material Girls kann die Welt brauchen.