Madonna: Hintergründe zur Provokation in Istanbul
Am Freitag gab Madonna bei einem Konzert in Istanbul den Blick unter ihren BH frei, was erwartungsgemäß für Empörung sorgte. Dass die Aktion vermutlich vor allem einer aktuellen Debatte in der Türkei galt, die sich um ein mögliches erneutes Abtreibungsverbot dreht, wurde jedoch bloß am Rande erwähnt. Wir haben die Hintergründe noch einmal zusammengefasst.
Am vergangenen Freitag lüftete Madonna bei einem Konzert in Istanbul kurzzeitig ihren BH und sorgte für die zu erwartenden Reaktionen: Will man das von einer Frau in ihrem Alter noch sehen? Hat sie es so nötig, die Presse zur „MDNA“-Tour noch einmal anzufeuern? Fragen, die zwar immer wieder gerne aufbrausend diskutiert werden, doch in diesem Fall nicht unbedingt im Fokus stehen sollten. Denn unabhängig davon, ob Madonna auch noch andere Absichten hatte, hat sie mit ihrem Striptease mit großer Wahrscheinlichkeit auf die aktuelle Abtreibungs-Debatte in der Türkei Bezug genommen und eine klare Position bezogen. Verschiedene Frauenverbände hatten kürzlich unter dem Slogan „Mein Körper gehört mir“ gegen ein erneutes Verbot protestiert.
Die Hintergründe: Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verfolgt aktuell Pläne, Abtreibungen nach über 30 Jahren wieder in die Illegalität zu verbannen. Ihren Ursprung nahm diese Entwicklung in einer Rede des Ministerpräsidenten, in der er, um von einem Unglücksfall im Dezember abzulenken, auf die aktuellen Abtreibungszahlen verwies. Im vergangenen Winter hatte die türkische Luftwaffe in Uludere irrtümlich 34 kurdische Jugendliche getötet, die mit einer Guerillagruppe der PKK verwechselt wurden. Ein tragisches Ereignis, das Erdogan nun kürzlich mit einem Vergleich zu Schwangerschaftsabbrüchen kommentierte: „Ihr redet immer von Uludere, dabei finden durch Abtreibung in unserem Land doch täglich Morde statt“.
Obwohl Abtreibungen in der Türkei in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich kein Thema mehr waren, wurden sie nun wieder zu einem, das auch von anderen Regierungsvertretern aufgegriffen wurde. So verkündete Gesundheitsminister Recep Akdag kurz darauf, bereits an einem neuen Gesetz zu arbeiten, und auch Erdogan fütterte die Debatte weiter an, indem er darauf verwies, dass Abtreibungen dem Bevölkerungswachstum schaden würden und so einer jungen Gesellschaft im Weg stünden.
Entwicklungen, die breite Bevölkerungsschichten, sogar AKP-nahe islamische Frauenverbände, auf die Barrikaden riefen. Denn eigentlich waren Abtreibungen auch für islamisch geprägte Bevölkerungsgruppen keineswegs ein aktuelles Thema. Im Gegensatz zum Christentum vertritt der Islam den Glauben, dass die Seele erst später in den Fötus gelangt und somit ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten Wochen vertretbar sei.
Die Frauenverbände fordern von Erdogan nun, unter dem Slogan „Mein Körper gehört mir“ den Körper der Frauen nicht für Politik zu missbrauchen.
Eine Forderung, die Madonna vermutlich mit ihrer körperbetonten Aktion und dem Slogan „No Fear“ unterstützen wollte. Ob noch andere medienwirksame Aspekte mitauschlaggebend waren, sei einmal dahingestellt. Selber gab die Sängerin zu der Aktion noch kein öffentliches Statement ab.