Madness: The Rise & Fall / Keep Moving
Zwei melancholische Meisterwerke aus den Jahren 1982 und 1984
„These are the streets I used to walk“: So eröffnet Graham McPherson das Hauptwerk in der großen britischen Komödie von Madness, „The Rise & Fall“. Sie waren immer schon Nostalgiker – nun erinnerten sich die sieben Musiker (sogar Trommler Daniel Woodgate im famosen „Sunday Morning“!) an ihre Kindheit in Camden, ein England in Grau und Braun, wie man es auf dem berühmten Cover sieht und auf weiteren Fotos im Booklet. Die Bühne, auf der sie ihre wehmütige Clownerie vorführen, ist die der Music Hall, der Ealing Comedy, von Alec Guinness, Richard Harris und Michael Caine (dem sie ja auf der nächsten Platte ihre Reverenz erweisen sollten). Wenn es neben „Different Class“ von Pulp eine perfekte Pop-Platte über Britannien gibt, dann ist es diese.
1982 waren Madness die Könige des Empire, ihre Singles verkauften wie geschnitten Brot, sie drehten ein Video nach dem anderen, nicht nur Mike Barson schrieb mühelos Gassenhauer. Mit „Our House“ kam jetzt der erfolgreichste Song hinzu, ein Wunderwerk aus Kinderlied, Motown-Soul und Pop-Magie. Die Bläser-Fanfaren und Streicher-Schlieren wurden von Clive Langer und Alan Winstanley, den wichtigsten Produzenten jener Jahre, unwiderstehlich arrangiert. „Primrose Hill“ und „Tiptoes“ sind Evokationen der Kindheit: die Zeitungsstapel, die Warenlieferungen vor den Läden, der Blick auf den Hügel, die Stille in der Dunkelheit. B-Seiten und Live-Aufnahmen wurden auf der zweiten CD ergänzt.
„Keep Moving“ erschien im Frühjahr 1984 und war das vorerst letzte Album mit Mike Barson, der sich zum Gärtnern nach Amsterdam zurückzog. Madness haben selbst angemerkt, dass die Songs ein Jota zu professionell, zu aseptisch produziert sind. Aber was für Songs! „Michael Caine“ war der Hit der Stunde, eine Ode an den eckigen Helden der Sixties (der damals im „Weißen Hai IV“ spielte) und über IRA-Spionage, „One Better Day“, „Victoria Gardens“ und „Prospects“ sind melancholische Meditationen über das beschädigte Leben und ein paar Dinge, die bleiben. Der torkelnde „Waltz Into Mischief“ und die Ironie von „Time For Tea“ bringen den Witz, doch sogar das Burleske leuchtet in matteren Farben. „Give Me A Reason“, ein Stück über häusliche Gewalt, beendet das Album mit einem aufgekratzten, fatalistischen Ton, den man von Madness nicht kannte. Unter den Ergänzungen ist die wunderbare Single „The Sun And The Rain“: „Feel the rain falling on my face/ I can say there is no better place.“
Die nächste und letzte Tranche der Gesammelten Werke enthält die traurigen Jahre: „Yesterday’s Men“. (Salvo)