Mad Men: Die schönste Fassade
Ein Portrait eines einstigen Patriarchats, dessen Fassade des jovialen Müßiggangs in der Werbeagentur zu bröckeln beginnt: Mad Men.
Die Geschichten werden bizarrer, Starregisseure drehen Episoden, Superstars kämpfen um Hauptrollen. Löst die Fernsehserie tatsächlich den Kinofilm als Maß aller Dinge ab? Zwar ist das Ritual des Gemeinsam-Schauens obsolet, doch dem Reiz der Serie verfallen immer mehr Menschen: Sie machen uns süchtig mit ihren komplexen Spannungsbögen, Rätseln und Verzögerungstaktiken. Seriengucker sind Einzelkämpfer, Trüffelschweine in der Bilder-Bonanza. Wir werden in den nächsten Tagen einen Blick auf unsere liebsten Serien werfen. Den Anfang macht Breaking Bad. Alle Infos zum Serien-Special gibt es hier.
Die Einschläge kommen näher. Herrschte bisher das feist-fröhliche Patriarchat, feierte man unbegrenztes Wachstum und den Konsumismus als Staatsdoktrin, so beginnt nun die Fassade des jovialen Müßiggangs in der Werbe-agentur zu bröckeln. Der silbrige Zyniker Roger Sterling verliert den Etat von Lucky Strike, deren eiskalter Repräsentant ihn spüren lässt, dass die produzierende Industrie das Sagen hat und er den Werbeschwengel für einen Clown hält.
Auch Kreativ-Star Don Draper hat nach der Scheidung seine Souveränität verloren und braucht die Bestätigung von Frauen wie Zigaretten und Whiskey. Drapers Freundin und Gönnerin, die Frau, die alles über ihn weiß, stirbt in Los Angeles an Krebs, und Draper geht feige nicht ans Telefon, betrinkt sich und verbringt die Nacht mit der derangierten Peggy Olson, die eben mit ihrem Liebhaber Schluss gemacht hat und außerdem die Gegenkultur und das Kiffen entdeckt. In der fünften Staffel heiratet Draper wieder. Die stets aufgeräumte Chefsekretärin Joan Harris wird von Sterling schwanger, lässt abtreiben und wird im Büro von einem Jung-spund als aufgeblasene, prüde Fregatte verspottet.
Am Vorabend der kulturellen Revolution von 1967 straucheln die Gewissheiten: Der gepflegte Alkoholismus wird zu unkontrolliertem Suff, im Fernsehen läuft der Vietnamkrieg, man zeigt schlüpfrige Experimentalfilme in Lofts und probiert neue Formen der Sexualität. Die soignierten Onkel von der Werbefront, bisher die lässige Avantgarde der Nachkriegszeit, haben den Anschluss verpasst. Als Menetekel stirbt die schwerhörige Sekretärin, die in den 30er-Jahren eine Affäre mit dem Agenturgründer hatte, über ihrem Schreibtisch, die Leiche wird unter einer Decke aus den Büroräumen gefahren. Es ist das Ende der goldenen Jahre, der ewigen Prosperität und der bequemen Bigotterie. Jetzt kommen die mobilen Bürschchen, die frechen jungen Dinger, die Künstler, Gammler und Provokateure. Zu den Konzerten der Beatles hatte man noch die Kinder geschickt, es war ja sowieso nichts zu hören – nun gibt es die Doors, JeffersonAirplane, Zappa. Und Christina Hendricks als Joan Harris ist plötzlich eine labile Frau, die heimlich weint, weil sie ihre Macht verloren hat.
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DVD der 5. Staffel ab 20.12.