Nonstop Nonsens: Aufstieg und Fall des „MAD“-Magazins
Vor etwas mehr 50 Jahren erschien das erste deutsche „MAD“, das US-Original gibt es sogar schon 15 Jahre länger. Einst war das Heft ein Glücksfall für Pennäler auf der Suche nach hintersinnigem Blödsinn. Doch die Zeiten haben sich geändert.
In diesen Tagen feiert das deutsche „MAD“ 50. Geburtstag. Ein erstaunliches Jubiläum, wenn man bedenkt, wie viele satirische Magazine in der Vergangenheit auf den Markt geworfen wurden und dann wieder verschwunden sind. Heute erscheint „MAD“ leider nur noch alle drei Monate. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum – und feiern Sie es im Magazin?
Um einen bekannten deutschen Barden zu zitieren: „50. Was jetzt schon?“ Die wenigsten wissen es … ich teile das Geburtsdatum des deutschen MADs, will sagen, sowohl MAD als auch ich haben mittlerweile 50 Lenze auf dem Buckel. In dieser Zeit durchliefen wir, glaube ich, beide sehr wesentliche Veränderungen. Vieles davon war sehr gut, einiges davon würde man heute vielleicht anders machen und ein paar Sachen gar nicht, aber, nun ja … das gehört zum schrittchenweisen Ergrauen dazu. Und jeder Teilaspekt hat zum heutigen Status Quo beigetragen. Feiern wir das groß? Nicht übermäßig, würde ich sagen.
Tatsächlich ist der Geburtstag eines Magazins im Grunde nur für den Verlag und die Crew ein Highlight. Der Leser selbst mag es vielleicht realisiert haben, aber ob nun die MAD 179 oder MAD 180 das Heft zum Jubiläum ist, ist dann doch eher zweitrangig. Natürlich haben wir kein Geheimnis daraus gemacht, dass wir dieses Jahr einen sehr runden Geburtstag haben und das Comic Festival in München stand ganz im Zeichen dieses Jubiläums, zu dem auch viele illustre MAD-Leute kamen und diverse madige Aktionen gemacht wurden, aber die rauschenden Geburtstagspartys überlassen wir dann doch lieber den Youngsters. Wir sind da eher bescheiden und freuen uns, dass wir eine gute alte Traditionsnummer immer noch an den Kiosk bringen können. Vor allem, weil uns beim MAD-Neustart in den späten 1990ern noch prophezeit wurde, dass wir spätestens nach drei Nummern wieder vom Markt verschwunden sein würden. Jetzt gehen wir stramm auf die 200 zu. Verdammt. Vielleicht hätten wir das doch alles etwas größer aufziehen sollen.
Welche Verbindungen gibt es heute noch zu den Anfängen in den 60er-Jahren? Halten Sie Kontakt zu Autoren und Zeichnern älteren Semesters?
Ja. Natürlich. Wie sollten wir denn sonst garantieren, dass wir die ganzen alten, lauen Gags nach wie vor im Heft haben? Nein … ernsthaft … Tatsächlich haben wir z.B. mit Ivo Astalos eines der Urgesteine des deutschen MADs in unseren Reihen, der uns mit Rat und Tat auch durch die zweiten 25 MAD Jahre begleitete und weiter begleitet, außerdem gibt es Kontakte zu Leuten wie z.B. zu Tom Bunk, Dieter Stein und bei den Amerikanern zu Altmeister Sergio Aragonés. Diese Kontakte sind von unschätzbarem Wert, denn gerade die alte Garde hat einen überraschend unverklärten Blick auf die Dinge und versteht zum Beispiel die Notwendigkeit des Wandels, also, dass man das MAD der 1960er und 1970er Jahre heute einfach nicht mehr machen kann. Statt eines rührseligen „Früher war alles besser“-Kommentars bekommt man da gerade von Sergio immer wieder herrlich modernen Input. Etwas, das ich keinesfalls missen möchte.
Wie würden Sie den Unterschied zwischen den Beiträgen im US-Original und denen im deutschen „MAD“ beschreiben? Gibt es etwas, worauf sie mit Bezug auf das deutsche Blatt besonders stolz sind?
In der Tat. Hervorzuheben ist da in jedem Fall die Übersetzungsleistung unseres Teams. Da wir einen beachtlichen Teil des US-MAD übernehmen, dürfte jedem klar sein, dass man bei der Übertragung von speziellen Gags und Humor im Allgemeinen oftmals vor ziemlich großen Herausforderungen steht – vor allem dann, wenn der Gag im Englischen zündet, aber im Deutschen halt so überhaupt nicht. Dann ist es kein bloßes Übersetzen mehr, sondern ein regelrechtes Dolmetschen. Hier wird zum Teil wirklich große (Übersetzungs-) Kunst geliefert und dabei zeigt sich immer wieder die Klasse unseres Hauptübersetzers Oliver Naatz, der dafür ein perfektes Händchen oder besser gesagt perfektes Züngelchen hat.
Das alte „MAD“ unter der Regie von Herbert Feuerstein erfand ja quasi eine eigene Cartoon-Sprache („lechz“, „hechel“ etc.), die sich fast wie selbstverständlich ins kollektive Gedächtnis der deutschen Comic-Leser gegraben hat. Das ist dann fast schon ein wenig so wie die Duck-Übersetzungen von Dr. Erika Fuchs. Was halten Sie von diesem sprachlichen Erbe? Gibt es da besondere Bemühungen, das im „MAD“ von heute weiter zu verfeinern bzw. fortzusetzen? Oder haben sich die Zeiten geändert?
Diese Art Onomatopoesie, die vor allem von Don Martin so stilsicher beherrscht wurde, gehört einfach zu MAD wie die Zahnlücke zu unserem Maskottchen Alfred. Und Herbert Feuerstein und Ivo Astalos gebührt die Ehre, dass sie diesen Geist schon frühzeitig in der MAD-Geschichte ins Deutsche rübergerettet haben. Die MAD-Red., also Mathias Ulinski, Oliver Naatz und meine Wenigkeit, die nun diese Tradition fortsetzen, halten das selbstverständlich in Ehren.
Das deutsche „MAD“ lebt ja auch von zahlreichen Vintage-Beiträgen von Kult-Zeichnern wie Don Martin. Welche Rolle spielen diese signature artists für das Erscheinungsbild des Blatts, das sich graphisch ja doch um einige Nuancen vom US-Original unterscheidet?
Sie funktionieren einfach immer noch. Ich denke, das ist einer der wesentlichen Gründe, warum wir ihr Andenken hochhalten. Ihr Humor ist zeitlos und wird über Ländergrenzen hinweg verstanden. Einiges an den Bildern mag vielleicht etwas antiquiert anmuten, weil es in den 60er und 70er Jahren halt noch keine Handys, Flachbildschirme und Tablets gab, aber die Punchline der Gags trifft auch heute noch den Nerv. Außerdem sind es die humoristischen Helden unserer Jugend und die Basis unseres Humorverständnisses. Es ist Ehrensache, dass wir Don Martin, Prohias und Co in jedem weiteren MAD ein Denkmal setzen.
Wie würden Sie die Beziehungen zu den amerikanischen Kollegen bezeichnen? Gibt es aus den USA Wünsche, wie das deutsche „MAD“ in Teilen auszusehen hat – oder haben Sie freie Hand?
Wir arbeiten sehr eng mit den amerikanischen Kollegen zusammen. Wir diskutieren die Schwerpunktthemen und stimmen uns mit der US MAD-Red ab. Da gibt es natürlich immer mal wieder auch ein bisschen Diskussionsbedarf gerade in Sachen Humorverständnis oder Schmerzgrenzen, aber das ist bisweilen auch recht erfrischend. Sieht man doch daran, wie unterschiedlich man gelegentlich tickt auf beiden Seiten des Atlantiks und andererseits aber auch, wie ähnlich Humor sein kann. Daher freue ich mich schon jetzt sehr auf die Zusammenarbeit mit dem neuen US-MAD-Chefredakteur, Bill Morrison, den wir im Verlag schon seit vielen Jahren als Artdirektor bei den Simpsons kennen und mit dem mich seit den späten 1990ern eine herzliche Freundschaft verbindet.
„MAD“ ist ja sowas wie ein Vorreiter in Sachen Selbstironie. Auch gab es früher kein Blatt, das so ernsthaft dabei war, Blödsinn zu zeigen und zu erzählen. Heute wollen alle selbstironisch sein, geblödelt wird im Netz sowieso. Wie empfinden Sie Ihre Rolle in einem Markt, in dem es ja auch Institutionen wie die „Titanic“ gibt? Ist „MAD“ überhaupt (noch) ein Satire-Blatt? Oder ist „Satire“ im Grunde das falsche Wort für das, was „MAD“ macht?
Wo fängt Satire an und wo hört sie auf? Ich habe über MAD in den letzten Jahren die interessantesten Bezeichnungen gelesen. Da war von „Witz- oder Spaßblatt“ die Rede, von „Humormagazin“ oder „Blödelzeitung“. Auch innerhalb der MAD-Red. wird immer wieder diskutiert, ob MAD satirisch ist oder es eben nicht oder nicht mehr ist. Aber wenn ich mir zum Beispiel gerade unsere Spezialausgabe zu Trump anschaue oder die Beiträge von Ivo Astalos und dem Kreativgespann Guido Neukamm und Daniel Gramsch, dann geht MAD sogar außerordentlich satirisch zu Werke.
Bei anderen Beiträgen steht dann aber der schnelle Gag oder das Cartooneske per se im Vordergrund. Als Gesamtwerk sind wir sicher nicht so satirisch wie beispielsweise die Titanic, aber ich denke, wir haben mit MAD eine gute Mischung aus humoristischen Beiträgen jeglicher Couleur und Aspekten der klassischen Satire beisammen. Man sollte dabei auch keinesfalls vergessen, an welche Zielgruppe wir uns wenden. Ein Großteil unserer Leser sind Jugendliche zwischen 12 und 15. Unsere Leser haben völlig andere Ansprüche als es – um beim Beispiel zu bleiben – die Leser der Titanic haben. Dafür sorgen wir auch für die Humor- und Satirebildung der Jugend.
Vor einigen Tagen war Wahl in Deutschland. Ein willkommener Anlass, die zumeist blassen Politiker durch den Kakao zu ziehen – so wie Sie es ja durchaus liebevoll mit Donald Trump gemacht haben. Ist „MAD“ eigentlich politisch?
Kann ein Humor- bzw. Satiremagazin unpolitisch sein? Ich glaube nicht. Man macht nur häufig den Fehler, dass man unter „Politik“ oder „politisch“ oftmals eben nur Parteipolitik, Weltpolitik oder das Gemeinwesen versteht. Aber da Menschen politische Wesen sind, sind auch alle ihre Aspekte, Handlungen und Taten oftmals, wenn nicht sogar immer, irgendwie politisch motiviert. Wenn ich diese Dinge unter die Satire- oder Humorlupe nehme, werde ich damit dann nicht ganz automatisch auch politisch?
Mit Sonderheften wie dem zu Trump gehen Sie neue Wege. Gibt es da in Zukunft Planungen für weitere Sonderausgaben?
Sehr wahrscheinlich. Satire und Humor waren schon immer effektive Waffen der Machtlosen gegen die Mächtigen. Von daher halte ich es für durchaus möglich, dass wir uns wieder mit einem Sonderheft zu Wort melden. Wahnsinnige gibt es dieser Tage ja nun wahrlich genug.
Zuletzt war in den Medien zu lesen, dass die neuste Ausgabe von „MAD“ nicht erscheinen kann. Und das leider ausgerechnet vor der Wahl – wo viel Humor gefragt ist. Von einem Lizenzproblem war die Rede. Würden Sie uns verraten, um was für ein Problem es sich dabei konkret gehandelt hat?
Hier muss ich Sie leider um Mut zur Lücke bitten.
Welche Wünsche haben Sie für die nächsten 50 Jahre „MAD“?
Ich wünsche mir, dass wir in Zukunft keinen Anlass mehr dazu haben werden, uns über die Mächtigen der Welt, die Menschheit an sich und im speziellen über Politiker lustig machen zu müssen, weil wir alle das ‚sapiens‘ endlich wörtlich nehmen . Aber ich denke – und da werden Sie mir zustimmen – , dass das nichts als ein frommer Wunsch bleiben wird. Außerdem wäre das wahrscheinlich sehr langweilig und wir wollen ja auch weiterhin die MAD-Leser nach Strich und Faden schröpfen (scheffel, scheffel).
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