Machine Gun Kelly in der Waldbühne: Ein Moshpit der Lebensfreude
Von Hollywood-Allüren keine Spur. Der Punk-Rap-Styler spielt in Berlin seine bislang größte Solo-Show außerhalb der USA
Irgendwann zwischen den Songs „Pressure“ und „maybe“ legt Colson Baker, geboren in Houston/Texas, aufgewachsen in Denver/Colorado, den Stimmungsschalter mit einem Schlag um. Der Mann, der in einer etwa zu zwei Dritteln gefüllten Berliner Waldbühne mit „MGK“-Sprechchören lauthals gefeiert, richtet sich erstmals an sein zünftig aufgebrezeltes Mittzwanziger-Publikum:
„Hello Berlin, exciting to be here!“ begrüßt Machine Gun Kelly die deutsche Hauptstadt und ihre Menschen. Spannend für ihn, der auf seine deutsche Vorväterschaft verweist und unter lautem Gejohle verrät, dass „BERLIN“, nunmehr die „highest selling“ Solo-Show außerhalb der USA sei. Um einige Witzchen nachzuschieben, dass er selbst es ja eigentlich gewesen wäre, der die meisten Eintrittskarten gekauft habe. Und wie ein Gewerkschafts-Vertreter will er wissen: „WO arbeitet ihr?“ Auf Zurufe aus den ersten Reihen (eine „Row Zero“ gibt es hier nicht) dann die Replik von Fans, die offenbar am BER beschäftigt sind: „Ah, interessant; AIRPORT ….!?“
Man merkt, dass der 33-Jährige, der in bislang sechs Alben seit 2012 so ziemlich alle Genres von Eminem-Rap bis Youngstyler-Metal zu einem poppiger Powerpaket verwurstet, den guten Draht zu seiner Fan-Schar sucht. In den Chroniken wird Baker ja als „Rapper“ geführt. In der Waldbühne ist die rund 100-minütige Show eher eine Pop-Punk-Vorstellung, inklusive Moshpits und Arme-von-rechts-nach-links-Schwenken. Und bei den Balladen glühen die Handy-Lämpchen.
Zusammen mit seiner schnittigen Tourband, darunter die ihre blonde Mähne schwingende Vize-Gitarristin Sophie Lloyd aus Großbritannien, ist Baker um warmherzigen Spaß bemüht. Good, clean Fun, von einem obertätowierten Show-Darling mit gefärbter Strohdachfrisur, auf der streckenweise ein neckischer Flausche-Hut thront.
Ob „Concert for Aliens“ oder die Hangover-Saga „Drunk Face“: Hier macht ein nicht mehr ganz so junger Hollywood-Charakter Remmi Demmi für junge Leute. Sicherlich kein Feinschmecker-Sound für Kulturkritiker, aber für einen lauen Frühsommer-Abend ein furioser Ritt durch sein (Rock-)Repertoire.
Zu „I Think, I’m OKAY“ erklingt der orchestrale Opener von The Verves „Bitter Sweet Symphony“ (anno 1997) aus den Boxentürmen. Eine kleine Vorbeugung vor den Altvorderen, und auch ein Wink mit dem Sound-Pfahl, dass das Kelly-Ouevre sowohl Genre- wie Musikepochen-übergreifend andocken will. Ein Kessel Punk-Buntes, fein aufgekocht in MGKs Westcoast-Studio.
Wüsste man nicht aus der deutschen und internationalen Klatschpresse, dass Mister „Mainstream Sellout“ (so der Titel seiner aktuellen Platte) gerade im „Liebes-Chaos“ mit seiner wilden Angetrauten Megan Fox steckt, man könnte ihn für den kleinen, sympathischen Bruder der großen US-amerikanischen Stadionpunk-Familie halten.
„Was wird aus ihrer Hochzeit?“ hat zuletzt der besorgte Boulevard gefragt. Um sogleich genüsslich die ganze Litanei der Fremdgeh- und Widerversöhnungs-Arie-auf-Hawaii zwischen Colson und Fox schaumig aufzuquirlen. Das bunte Ami-Blatt „People“ hat etwa recherchiert, dass die omnipräsenten Zwei es nach ihrem Dauerzoff nun nicht SOOO eilig haben, in einem rosa Lambo vor den Traualtar zu brettern. Insider flüstern von „Versöhnung“, doch die türkisen Brillant-Ringe bleiben erstmal im Safe.
Das alles mag bei Machine Gun Kelly stets als VIP-Aura mitschwingen. Und sicherlich sind einige der Berliner Besucherinnen auch genau wegen ebenjener knallbunten Fame-Vita in die Waldbühne gekommen.
Doch live auf der Bühne perlt der flüchtige Glamour-Glitter von Kelly ab, als wäre der Mann mit Rock’n’Roll-Teflon beschichtet.
Core- oder Punk-Hardlinern dürfte die flotte Sause mit allerlei Bühnen-Gags wie die Schlagzeug-Pyramide oder die Plastikhand in Kellys Hand, die als Mikrohalter dient, zu sehr „Kinder-Heavy-Metal“ sein. Doch der offen gesinnte, neutrale Beobachter fühlt sich bestens unterhalten bei MGKs mit allerlei Tempowechseln ausgestatteten Live-Ritt.
Gegen Ende des Auftritts (der wie immer wochentags in der Waldbühne um PUNKT 22 Uhr beendet sein muss!) tanzt eine junge Frau mit Marusha-Doppel-Dutt und luftiger Sommerkleidung ganz allein auf der oberen Rängen zu den Ballerbeats und lässt selbstvergessen die Arme rudern. Colson Baker alias Machine Gun Kelly hätte das sicherlich gefallen, hätte er es sehen können.