Lyrik-Karussell
Die pointierten Verse der Augsburger Dichterin Lydia Daher
Sicher, ein Lied kann eine Brücke sein, aber hier ist schon jeder Satz eine Achterbahn, und wenn die Worte erst mal Karussell fahren, gibt es kein Zurück, dann wirbeln die Pointen, überschlagen sich die Bedeutungen, alles wird schneller und schneller, bis man begeistert in die Hände klatscht, weil die Texte von Lydia Daher so verdammt gut, schnell und mitreißend sind, dass man erst nach einer Weile bemerkt: Huch, da ist ja sogar noch Musik dabei. Aus dem Handgelenk geschüttelter Lo-Fi-Pop, gesungen mit einer angenehm dunklen Stimme.
„Letzten Sommer hab ich durch Zufall das Programm ‚Garageband‘ auf meinem Computer entdeckt. Das schien mir eine nette Abwechslung zum stillen und einsamen Schreiben. Als ich das erste Stück aufgenommen hatte, dachte ich: Prima, klappt doch“, erzählt die 27-jährige Dichterin aus Augsburg, die bereits eine Karriere als Slam-Poetin hinter sich hat. Auf der Internet-Seite des WDR kann man noch sehen, wie sie einen Text über „Einsamkeit“ vorträgt: emphatisch, mitreißend, berührend und – was schwer ist bei so einem Thema auch komisch. Inzwischen hat sich Lydia Daher von der Slam-Szene abgewendet: „Ich hab da viel gelernt“, sagt sie. „Man tritt ja vor Leuten auf, die nicht mit einem rechnen, die unter Umständen auch betrunken sind. Und dann hast du deine fünf Minuten, in denen du das Publikum kriegen musst. Es kann sein.
das meine Lieder deswegen so pointiert sind, weil ich das inder Vergangenheit sein musste.“
Auf ihrem Debüt tauscht Daher fünf Songs von Syd Barrett gegen einen Kuss oder gibt einem kleinen Mädchen Tipps für die Pubertät: „Mach dir ruhig ein Tribal-Tattoo drauf – mit der Haarnadel deiner Schwester.“ Und in „Gott wohnt hinter meinem linken Ohr“ singt sie: „In meinem Kopf ist soviel Krach und Kram/ Der legt das ganze System langsam lahm/ Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll/ Mein Kopf ist viel zu voll/ Und dann das ganze Bonusmaterial.“
Die Lakonie dieser Songs, die genaue Beobachtungsgabe und das Persönliche, das immer wieder durchschimmert, erinnern ein wenig an die Lassie Singers, Britta, manchmal auch an Jens Friebe. Und was Lydia Daher aus der Garageband-Software herausgeholt hat ist beeindruckend. Sie hat auch noch ein wenig Gitarre oben drauf gespielt und ein paar andere klingende Kleinigkeiten dazugegeben. Das gesamte Album entstand in einem leidenschaftlichen DIY-Rausch, „zu Hause, im 4. Stock“. Wie gern hätte ich geschrieben, dass Lydia Daher keine MySpace-Seite hat. Hatte sie bis vor kurzem auch nicht. Aber die fürsorgliche Plattenfirma hat ihr auf die Schnelle noch eine eingerichtet. Schade, eigentlich.