Witze über Menschen ohne Beine und Arme, echt jetzt?
Luke Mockridge hat verächtliche Jokes über Sportler der Paralympics gemacht. Das ist nicht nur dumm, es ist auch gefährlich.
Natürlich wäre es jetzt möglich, sich länger Gedanken über gut gemachte oder gut gemeinte Witze über Menschen mit Behinderung zu machen. Als erstes würde man dann wohl davon sprechen, dass gerade Personen, die mit dieser Situation leben müssen, tatsächlich einige sehr gute, auch böse Läster-Attacken auf Lager haben. Damit stünde dann aber auch die Frage im Raum, WER überhaupt Possen reißen darf und wer nicht. Und so hat Humor bekanntlich noch nie funktioniert.
Das Thema ist ernst, deshalb wird darüber seit Tagen diskutiert: Luke Mockridge hat in einem Podcast namens „Die Deutschen“ äußerst geschmacklose Kommentare über paralympische Athleten gemacht. Schlimmster Satz: „Es gibt Menschen ohne Beine und Arme, die wirft man in ein Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen.“ Die nach einem Unfall querschnittsgelähmte ehemalige Radsportlerin Kristina Vogel nannte dies nicht ohne Grund „menschenverachtend“. Mockridge bat später um Entschuldigung, bekam aber den Shitstorm zu spüren.
Die Grenze für schlechte Witze ist nicht der gute Geschmack, sondern der gute Menschenverstand
Nun könnte man sich fragen, warum der in der Vergangenheit nicht unbedingt wegen geistreicher Zoten aufgefallene Mockridge überhaupt Sportler mit Behinderungen als Zielscheibe ausgesucht hat. Vielleicht ging es ihm um die Überflüssigkeit des Wettbewerbs. ‚Ey, du kennst doch die Olympischen Spiele, ich hab ne ähnliche Idee. Ihr habt doch auch Behinderte in eurem Land, wollen wir mal gucken, wer Schnellere hat?'“, kanzelte er die Entstehungsgeschichte der Paralympics ab.
Nur etwas Geschichtsunterricht am Rande: Die Paralympischen Spiele wurden bereits 1960 ins Leben gerufen, und ihre Ursprünge reichen bis ins Jahr 1948 zurück. Sie wurden zunächst als Sportwettbewerb für Kriegsveteranen mit Rückenmarksverletzungen entwickelt, bevor sie sich zu einem globalen Sportereignis für Athletinnen und Athleten mit verschiedenen Behinderungen entwickelten.
Mit anderen Worten: Die Paralympics sind kein gut gemeintes Projekt von Diversity-Projektmanagern.
Dass Sat1 seinen Moderator nun fallen ließ und seine neue Show „Was ist in der Box?“ nicht ausstrahlen wird, mag zunächst mit den vom Privatsender auch betonten Unternehmenswerten zu tun haben, erspart aber natürlich keine Diskussion darüber, ob das, was Mockridge in einem offenbar ziemlich richtungslosen Podcast-Gespräch gesagt hat, jungenhaftblöd, töricht, hässlich oder eben ableistisch war.
Hat Luke Mockridge überhaupt mal reingeschaut bei den Paralympics?
Es war eher gefährlich, weil es eine Sorte von Humor aufruft, die keinerlei Referenz kennt, für niemanden eine Entlastungsfunktion hat und sich schlicht lustig macht über Menschen, die mit ihren körperlichen und psychischen Voraussetzungen sportliche Höchstleistungen erzielen.
Natürlich bieten auch die Paralympics Stoff für gute Witze. Sport ist seit jeher ein gutes Forum dafür, denn die Menschen neigen dazu, Wettbewerbe viel zu ernst zu nehmen. Aber dann ginge es eher um die Verbissenheit der Teilnehmenden, um vermeintliche Fehltritte, um die vom IOC unnötig zur Show aufgeblasenen Spiele – oder was auch immer.
Mockridge und seine Kollegen hätten sich sogar darüber lustig machen können, dass den Paralympics so viel Wert beigemessen wird, obwohl vielleicht das allgemeine Zuschauerinteresse dieser breitflächigen Präsentation gar nicht entspricht (was die ordentlichen Einschaltquoten so allerdings nicht bestätigen). Schließlich bekommt nicht mal Handball, nach Fußball die wohl zweitbeliebteste Ballsportart hierzulande, bei großen Turnieren eine ähnliche Fernsehpräsenz.
Aber um derlei feinsinnige Unterschiede ging es den Spöttern nicht. Sie machten Witze über Menschen, die ihnen mit ihren Behinderungen anscheinend als lächerlich vorkamen. Das entspringt, so sehr man es auch dreht und wendet, einer Haltung, die Menschen zwischen fähig und unfähig separiert. Mit Humor hat das nichts mehr zu tun.