Lou Reed – Transformer
Was man so wohl nie vermutet hätte, machten erst die Demos auf der ersten CD der Velvet Underground-Box „Peel Slowly And See“ offenbar: Niemand beeinflusste Lou Reed bei seinen frühen Kompositionen stärker als Bob Dylan. Wie er sich vom großen Vorbild abnabelte, um das Basismaterial komplett zu transformieren, ist da im Vergleich faszinierend zu hören. Ein ähnliches Aha-Erlebnis bescheren die zwei Bonus-Tracks dieser Remaster-Edition. Mit Dylan im Hinterkopf als Folksongs zur akustischen Gitarre gesungen, könnten sich diese Demo-Frühfassungen von „Hangin‘ Round“ und „Perfect Day“ kaum stärker von den endgültigen David Bowie/Mick Ronson-Produktionen unterscheiden. Diese beiden befanden die Geschichte von der wie eine Klette an ihm hängenden Jeanie als zu wortlastig und funktionierten das alles zum passenderweise misogynen Stones-Rocker mit dezentem Glamrock-Flair um – und die Folk-Erzählung von „Perfect Day“ zur elegischen Ballade mit New-York-state-of-mind-Touch.
Wie drastisch das Team auch andere Originalsongs letztlich transformierte, kann man nur vermuten. Tatsache ist: Das war nach dem Solo-Debüt auch bitter nötig. Für das hatte Reed praktisch ausnahmslos schon 1969 geschriebene Songs aufgenommen, da ihn die mit den Velvet Underground eingespielten Demoversionen immer frustrierten. Um nicht noch mal einen so katastrophalen kommerziellen Flop zu erleben, musste er sich als Persona wie als Künstler neu erfinden. Bowie leistete ihm dabei denkbar beste Hilfestellung. Der war Jahre zuvor von den unerhörten Klängen des Velvet Underground-Debüts fasziniert gewesen, das ihm sein Manager als Anpressung vor der Veröffentlichung aus New York mitgebracht hatte. Jetzt verpasste er einigen der neuen Songs das richtige Ziggy-Stardust-Feeling und vermittelte so auch einigen schwächeren Kompositionen die nötige Kenntlichkeit.
Reed nutzte derweil mehrfach in Songs die Gelegenheit zur Abrechnung mit dem ehemaligen Mentor Andy Warhol und seinem Clan. Ungewohnt komisch in „Vicious“ mit den klassischen Versen „Vicious! You hit me with a flower/You do it every hour/Oh baby you’re so vicious“ – das ganze homoerotische, bi- und transsexuelle Flair beschwörend. Erotische Metaphern auch in „Andy’s Chest“ benutzend, bei dem Bowie/Ronson die Wortlastigkeit offenbar gar nicht als solche empfanden. Und natürlich in „Walk On The Wild Side“, in dem er über Warhols „Superstars“, über Dealer und diverse sexuelle Praktiken erzählt. Dazu passten perfekt die Fotos von Strichern und Transvestiten – und Lou Reed als Boris Karloffs Frankenstein auf dem Cover.