Lou Reed, Sänger von The Velvet Underground und Rock-Pionier, ist tot
Die New Yorker Legende, die nahezu 50 Jahre Rockmusik prägte, ist mit 71 Jahren gestorben. Reed musste sich im Mai dieses Jahres einer Lebertransplantation unterziehen.
Dieser leicht gekürzte und übersetzte Text entstammt der Website des amerikanischen ROLLING STONE.
Lou Reed, Ex-Sänger von The Velvet Underground und Rock-Ikone, ist tot. Reed starb mit 71 Jahren. Eine Todesursache wurde noch nicht bekannt gegeben. Im Mai musste Reed sich einer Lebertransplantation unterziehen.
Mit The Velvet Underground fusionierte Reed die geballte Kraft der Straße mit Elementen europäischer Avantgarde – er vermählte Schönheit mit Krach und brachte eine neue Art lyrischer Ehrlichkeit in den Rock and Roll. Aber auch als Solokünstler war er unablässig erfinderisch, von den Siebzigern bis zu den 2010er-Jahren. Reed war wie ein Chamäleon, er hatte Dornen, seine musikalischen Schritte waren nie vorauszusehen. Glam, Punk und Alternative Rock wären ohne ihn undenkbar gewesen. „Ein Akkord ist gut“, sagte er einst. „Zwei Akkorde treiben’s voran. Drei Akkorde, und Du bist beim Jazz angelangt.“
Lewis Allan „Lou“ Reed wurde 1942 in Brooklyn geboren. Anfangs ein Fan von Doo-Wop und frühem Rock’n’Roll, ließ er sich als Student der Syracuse University auch vom Dichter Delmore Schwartz inspirieren. Mitte der Sechziger freundete Reed sich mit dem walisischen Musiker John Cale an – ein klassisch ausgebildeter Violinist. Reed und Cale gründeten eine Band, die zunächst The Primitives, dann Warlocks hieß; nachdem Gitarrist Sterling Morrison und Schlagzeugerin Maureen Tucker hinzustießen, wurde aus dem Quartett The Velvet Underground.
„Produziert“ von Andy Warhol – und nahezu unbemerkt von den Käufern – erschien 1967 das Debütalbum „The Velvet Underground & Nico“. Heute gilt die Platte als Pionierleistung und steht auf einer Stufe mit „Sgt Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ der Beatles und Dylans „Blonde on Blonde“. Reeds realistische Beschreibungen der New Yorker Bohemien, Referenzen an Drogen und Sado/Maso gingen sogar weiter als alles, was die Rolling Stones in ihren dunkelsten Momenten besangen. Die Feedbacks und Verzerrungen, gar der ganze Krach, revolutionierte die Rockgitarre an sich. Mit ihren drei weiteren Alben („White Light/White Heat“, „The Velvet Underground“ sowie „Loaded“) zementierten The Velvet Underground ihren Status als die einflussreichste US-Rockband aller Zeiten.
Nach dem Split von Velvet Underground 1970 war es das zweite Soloalbum, das von Bowie produzierte „Transformer“, das Lou Reed emporhob – von der Kultfigur hin zum Star. „Walk On The Wild Side“, das die Factory-Szene von Warhol beschrieb, wurde ein regelrechter Radiohit, „Satellite Of Love“ wird bis heute von Bands wie U2 gecovert. Den Rest der Siebziger verbrachte Reed geradezu damit, mit allen Erwartungen zu spielen. „Berlin“ (1973) war brutaler, literarischer Bombast, „Sally Can’t Dance“ überraschte durch Soul, „Metal Machine Music“ war, wie es sein Label zu bezeichnen versuchte, „Avantgarde Classic Music“: ein Krach-Experiment.
Zum Journalisten Lester Bangs sagte Reed: “Meine Scheiße ist mehr wert als die Diamanten anderer Leute“.
Seit den Neunzigern war Lou Reed mit der Performance-Musikerin Laurie Anderson zusammen. Sie wurden zu einer Art unzertrennlichen New Yorker Institution, traten als Musiker gemeinsam auf, engagierten sich für Bürgerrechte und Umwelt. Sie heirateten 2008. Reed machte auch in den Nullerjahren weiter Musik. Zuletzt veröffentlichte er das Album „Lulu“ (2011), eine Zusammenarbeit mit Metallica.
“Ich sehe meine Arbeit so: Wenn man sich das Ganze als Buch vorstellt, dann hätte man hier so was wie den ‚Großen Amerikanischen Roman’, jede meiner Platten wäre dann jeweils ein Kapitel davon“, sagte Lou Reed dem ROLLING STONE 1987. „Die Platten lesen sich alle in chronologischer Reihenfolge. Nehmt das ganze Ding und hört es von vorne bis hinten durch. Und dann haben wir’s: there’s my Great American Novel.”