London Calling
Für ihr drittes Album nach der Reunion kehren The Go-Betweesn in die Stadt zurück, in der sie in den 80er Jahren mit wenigen Mitteln und vielen Melodien ein Leben zwischen kleinen Erfolgen und großem Pop führten
London, November 2004″, steht mit schwarzem Kugelschreiber in meinem grünen Notizbuch. Ort und Zeitangabe reichen aus, und schon ist alles wieder da: Am Abend mit dem Zug von Waterloo Station Richtung Süden bis Norwood Junction. Von dort ein paar hundert Meter die Portland Road hinab, in eine kleine Seitenstraße eingebogen, und schon steht man vor dem Studio, in dem die Go-Betweens gerade ihr neues Album aufnehmen. Vor dem Gebäude parkt ein alter Wagen. Das Fabrikat kann man unter all dem Dreck nicht ausmachen. Ich klingle. Ein Mann mit fettiger Pudelfrisur in Cowboystiefeln öffnet. Ein struppiger Mischlingshund springt mir entgegen. „Come here Lotti. I’m sorry. Come in. I’m Mark Wallis.“ Mark Wallis ist der Studiobesitzer und hauptberuflich Produzent – für die La’s, Travis und Tom Verlaine. Ich trete ein und sehe nach links in einen kleinen, schlecht beleuchteten Raum, in dem ein Sofa, ein Tisch, ein Drehstuhl und ein Mischpult stehen. Spärlich möbliert- und doch sieht’s irgendwie unaufgeräumt aus. „Robert wants to see you“, hatte mir Bernard MacMahon von Lo-Max Records, der mich begleitet, in feinstem Cockney am Nachmittag grinsend verkündet und das Studio als „bohemian style“ beschrieben. Es hat eher Jugendgästehauscharme. Weder Robert Forster, Grant McLennan noch sonst jemand, der irgendwie nach Go-Between aussieht, ist in dem winzigen Aufnahmeraum hinter der Glasscheibe auszumachen. „They’re upstairs.“ Oben, in einer kleinen Sitzgruppe lümmeln sich Bassistin Adele Pickvance, Schlagzeuger Glenn Thompson und Grant McLennan, der allerdings so sehr in sein Sofa eingesunken ist, daß man ihn hinter einem Tisch voller dicker Bücher kaum sehen kann. Eine fast familiäre Atmosphäre, von Streß und Anspannung ist nichts zu spüren. Dabei geht es doch immerhin um den Nachfolger vom meisterlichen „Bright Yellow Bright Orange“. Glenn und Adele albern herum, Grant sitzt vor seinem Bier, raucht und schaut sehr zufrieden. Einer der angenehmsten, höflichsten und aufmerksamsten Menschen, denen man in der Popmusik begegnen kann. Bernard öffnet die mitgebrachten Weinflaschen, Grant bietet selbstgedrehtes Rauchzeugs an, Robert kommt die Treppe hinauf, schüttelt Hände, fragt nach frischgepreßten Säften und der Miso-Soup, die wir ihm mitbringen sollten.
Sofort ist die ganze Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet. Die Diva, der Exzentriker, der Dandy. „Glamour“ ist eines seiner Lieblingswörter. Er läuft zum Fernseher, der in der anderen Ecke des Raumes steht, und schiebt eine DVD in den Player. Er habe da eine Idee für das Video zur ersten Single, das in ein paar Tagen gedreht werden soll. Ohne weiteren Kommentar sieht man die Talking Heads, wie sie in der britischen Fernsehshow „The Old Grey Whistle Test“ „Psycho Killer“ performen. Recht unspektakulär. Fragezeichen über allen Köpfen. Was will er uns sagen? Robert drückt die Pausentaste und deutet auf David Byrnes kanariengelbes Polohemd: „I want that shirt.“ – „But Robert, we’re shooting in black and white“, wirft Bernard ein. „Wir gehen gleich mal runter zu Mark. Du mußt dir ein paar Sachen anhören, bevor wir weitersprechen“, wendet sich Robert an mich. Ich hatte mir schon so was gedacht. Am Abend zuvor traf ich einen Schreiber vom „NME“, der mir mit glänzenden Augen von einem neuen Go-Betweens-Song erzählte, den sie ihm bei seinem Studiobesuch vorgestellt hatten. Also die Treppen runter, in den kleinen Raum mit dem Mischpult, ins Sofa geflätzt, umringt von in freudiger Erwartung grinsenden Go-Betweens. Mark Wallis wirft die Maschine an. „Here Comes A City“ heißt der Song. Die erste Single. „Just pulled out of a train Station we’re moving sideways“. Druckvoll. Elegant. Zickige Gitarren, treibender Rhythmus, weiblicher Chor. Das klingt wie eine völlig neue Band – und natürlich doch irgendwie wie die Go-Betweens. Man erkennt’s an der typischen Forster-Lyrik und seinem unvergleichlichen Vortragsstil: „And why do people who read Dostoevsky always look like (Kunstpause) Dostoevsky.“ Erinnert an „Fear Of Music“. Man versteht sofort, warum Robert bei seiner Videoidee gleich an die Talking Heads dachte. Danach Stille. Robert schaut verklärt zur Decke: „We’re breaking through“ – wendet sich zu mir, der ich ebenso honigkuchenpferdmäßig strahle wie der Rest, und sagt: „Das erste Mal, daß jemand den lamen .Dostojewski‘ in einem Popsong verwendet.“ Ich zweifle. Adam Green nenne den Namen auf seinem neuen Album auch einmal. „Hm, Zeitgeist“, erwidert Robert leicht pikiert.
„The Mountains Near Dellray“, der zweite nach einer Woche Studioarbeit bereits fertige Song, ist eine typische Forster-Ballade. Schimmernde Akustikgitarren, ein Markenzeichen von Wallis, dazu leicht artifizielle Perkussion – das Werk von Co-Produzent David Ruffy. „Clouds“ von “ 16 Lovers Lane“ fällt einem ein. Kein Wunder, schließlich war auch das das Werk von Wallis. Damals hatten sie in Sidney aufgenommen, wohin es sie nach sieben beschwerlichen Jahren im ungeliebten London gezogen hatte. Umso überraschender, daß sie jetzt nach dem Sommerfrischen, in Australien aufgenommenen „Bright Yellow Bright Orange“ wieder an die Themse zurückkehren – im Winter.
„Wir wollten unbedingt wieder nach London“, erklärt mir Robert einige Tage später in einem Cafe in Maida Vale sitzend. „Die ganze Infrastruktur ist ja seit den 80em immer noch hier: unsere Plattenfirma, unser Manager, unser Verlag. Also warum nicht zurückkommen und das ausnutzen, schauen, was so geht?“ Zumal mit Mark Wallis auch noch ein alter Bekannter ein Studio dort hat. „Das war Zufall. Wir haben hier Ende Juni ein Konzert gespielt, so eine Art Retrospektive, und dachten: Wenn wir hier sind, können wir das mit Mark ja mal ausprobieren. Einen Tag im Studio und einen Song aufnehmen. Wenn’s nicht klappt, haben wir nicht viel verloren. Und wir hatten ,Here Comes A City‘ – ich wußte, daß das ein bahnbrechender Song für uns ist.“ Wallis sah das auch so, und die Band gab sich in seine Hände.
„It’s a London-record“, meint Robert, als wir uns drei Monate später im „Löwenbräukeller“ in München bei bayrischen Spezialitäten wiedertreffen. „Nicht nur ,Here Comes A City‘, das ganze Album. Es hat diesen Sound. Es ist alles ein bißchen artifizieller, nicht so organisch wie die letzten Platten. It’s more tweed. Die Regler wurden zu einem üppigeren Sound gedreht. Es ist ein Album, das kommt und dich packt.“
Ein London-Album also. Wie Filmemacher suchen die Go-Betweens immer zuerst nach der richtigen location. Das dürfte erklären, warum Robert während der Aufnahmen – egal ob in der U-Bahn, zum Fototermin oder zum Friseur – immer seinen 800-Seiten-Wälzer „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ mit sich rumschleppte. Susanna Clarkes von der Kritik hochgelobter Fantasy-Bestseller über einen Magier und seinen gewitzten Schüler, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts das rationalistische London wieder verzaubern, brachte ihn vermutlich in die richtige Stimmung, um für die Magie dieser Stadt, die ihm und seiner Band in den 80ern so hart zugesetzt hatte („It’s called poverty, Maik“), empfänglich zu sein. „For many years he was much addicted to holding deep and weighty Conference with the Spirit of the River Thames. He would fall into a trance and ask the Spirit questions and the voice of the Spiritj would issue forth from his mouth in accents deep, watery and windy.“
Auch der Titel, den sie nach langen Überlegungen schließlich diesem Album gaben, hat einen direkten Bezug zum Ort, an dem es entstand. Während der Aufnahmen waren die Go-Betweens im „Queens Hotel“ in Crystal Palace untergebracht und machten sich jeden Morgen gegen zehn auf den Weg zum Studio: etwa 20 Minuten über den South Norwood Hill bis in die Portland Road. Und nur wenige Blocks vor dem Studio, in 152 Portland Road, steht ein Pub mit dem Namen „Oceans Apart“. „Es war nach einem langen Tag im Studio“, erinnert sich Bernard, „und Grant meinte:,Gehen wir ins .Oceans Apart‘. Ich hatte wohl nicht richtig zugehört und fragte: ,lst das der Albumtitel?‘ Und er: ,Nein. Aber jetzt, wo du es sagst.“ „Ein bißchen wie ‚Morrison Hotel‘, meint Grant. Orte sind für die Go-Betweens von großer Bedeutung. Ein Blick ins Textheft von „Oceans Apart“ zeigt das schon: Etterzhausen, Frankfurt central, „Lisbon road“, Fox Hill Green, „five mile fence“, Darlinghurst, Caracas, Tasmania, Sidney, „the boulevards“ ,“the edge of the moon“, „the montains near Dellray“. Eine Landschaft aus Städten, Bergen, Straßen, Schienen, Erinnerungen – und Träumen, wie in Grants unwiderstehlichem „Finding You“. „We’ll meet up in an alley with more places I know“, singt Robert in „Darlinghurst Nights“.
„Speziell ‚Darlinghurst Nights‘ hat mich sehr beeindruckt“, erzählt mir Robert Vickers, von 1983 bis 1988 Go-Betweens-Bassist und noch immer Freund der Band, den ich im New Yorker East Village nahe seiner Wohnung treffe. „Dieser Song fängt das Gefühl der Zeit und des Ortes ein, wie ,Walk On The Wild Side‘ die frühen 70er in New York einfing. Für einen Songwriter eine große Leistung. Ein Schriftsteller hat ja viel mehr Wörter, um eine solche Atmosphäre aufzubauen, ein Song muß das mit wenigen Zeilen und dem richtigen Sound schaffen. Der Sound sind in diesem Fall die Bläser, die mich an die Laughing Clowns erinnern – die waren wichtiger Bestandteil unserer Szene in London, aber auch in Australien. Unsere Wege kreuzten sich meist in Darlinghurst. Das ist das Zentrum für die Boheme von Sidney. Die Leute, die Robert in dem Song erwähnt, waren Freunde von uns: Musiker, Fotografen, Journalisten etc. Das war eine lebhafte Szene und ein starker Kontrast zu London, wo man aufgrund der Größe häufig Schwierigkeiten hatte, sich abends zu treffen. Nach einer langen Zeit im winterlichen London im sonnigen Sidney anzukommen und zu wissen, daß die Freunde ganz in der Nähe tranken, quatschten und Musik hörten, war ein sehr willkommenes Gefühl. Diesen Song zu hören, brachte das Gefühl zurück.“
Entfernt erinnert das an das Konzept, das Bruce Chatwin in seinem Reisebericht „The Songlines“ beschreibt. Dort schildert er, wie die australischen Ureinwohner sich in ihrem weiten Heimatland mit Hilfe von Songs orientieren. Diese beschreiben eine mystische Zeit, in der die Aborigines-Stämme durch das Land wanderten und Tieren, Pflanzen, Steinen, Bergen usw. Namen gaben (und sie dadurch erst erschufen „Am Anfang war das Wort.“). Wenn die Aborigines diese Songs, die dem Weg ihrer Vorfahren durch das Land folgen, in der richtigen Reihenfolge singen, können sie jederzeit an beliebige Orte auf diesem Pfad zurückkehren. „The land of the past is a foreign country, they do things differently there“, heißt der erste Satz von L. R Harleys Roman „The Go-Between“. Die Go-Betweens kartographieren mit ihren Songs ihre Vergangenheit und können so jeder Zeit in ihr umherreisen. Grant kehrt in „Boundary Rider“ etwa in die Landschaft seiner Kindheit zurück, die er in seinem proustianischen „Cattle And Cane“ besang, und sinniert über das unbarmherzige Voranschreiten der Zeit, Robert ironisiert in „Born To A Family“ Konflikte mit den mittelständischen Eltern.
Machen wir uns auf die Reise durch Go-Betweens-Land. Robert und Grant nehmen uns im folgenden an einige wichtige Orte ihrer Vergangenheit mit. Für den passenden Sound dazu müssen wir wohl oder übel selbst sorgen. Als Einstieg böte sich die B-Seite der ersten Go-Betweens-Single („Lee Remick“) von 1978 an: „Karen“. Ein Song über eine Bibliothekarin an der Uni in Brisbane. „She helps me find Hemingway, helps me find Genet, helps me find Brecht, helps me find Chandler, helps me find Joyce, she always makes the right choice.“
Robert: Grant macht seinen Abschluß in dem Jahr. Die Schauspielklasse fällt mir ein. Brecht. Genet.
Shakespeare. Bowie. Television „Marquee Moon“. Ich frage Grant, ob er in meiner Band sein möchte.
Grant: Ich bin unglaublich filmvernarrt. Schrecklich verliebt in die Nouvelle Vague, gehe überall hin, wo einer der Filme läuft, lese alles, was ich darüber finden kann. Vergucke mich in jede Frau in den Francois-Truffaut-, Jean-Luc-Godard- und Jacques-Rivette-Filmen, die ich sehe. Parties in Studentenhäusern, auf denen Zappa-Platten gehört werden und ich mir wünsche, ich hätte „Talking Heads 77“ mitgebracht. Dann Robert, der umherstromert wie eine Art einsames…
Robert: Sag Genie, sag Genie keine falsche Scheu.
Robert: Wir sind jung und sehr groovy. Eine Single und ein paar Gigs im Rücken. Wir laufen durch die Straßen und wissen, daß wir genau das tun, was wir tun wollen. Und das ist, in einer Band zu sein. The Go-Betweens. Mit 20. Wir üben. Unsere Songs. Unsere Interviews. Unsere Fotosessions.
Robert Vickers: Ich spielte damals bei The Numbers, und von den Go-Betweens hörte ich zum ersten Mal, als sie nach einer Show zu uns kamen, um uns zu fragen, ob sie unseren Schlagzeuger ausleihen könnten. Mit dem machten sie dann die „Lee Remick“-Single. Die Go-Betweens waren damals nur Robert und Grant, und jeder, den ich kannte, liebte sie. Vor allem Robert, der schon in mehreren Bands gespielt hatte und dessen exzentrisches Bühnengebaren ein Ereignis war. Er war immer schon ein bißchen seltsam, und Leute, die ihn nicht kannten, fragten häufig: „Ist alles okay mit ihm?“ Er war großartig. Grant stand mit seinem Baß still am Rand. Er übte noch – wie wir alle.
London, Ende 1979 Robert: Alles, was ich dazu sagen kann, ist, daß wir nach London gingen, ohne dort auch nur eine Person aus dem Musikbusiness zu kennen. Aber einfach so dort rüberzufliegen zeugte von einer großen Überzeugung, von uns als Band und dem, was wir taten. Wir kamen dort an – mit unseren akustischen Gitarren. Und laufen damit durch die Straßen. Es ist 1979. Wir hätten dafür im Gefängnis landen können.
Grant: Ich hatte keine Ahnung. Über London hatte ich nur ab und zu was in Zeitschriften gelesen. Und ehrlich gesagt schien das für mich alles eher irrelevant. Ich interessierte mich wesentlich mehr für New York. Seltsamerweise war das für mich immer noch mit den 50ern verbunden. New York war für mich das „Actor’s Studio“, Schwarz-weiß-Filme, aber gleichzeitig Television, Blondie, die Ramones…
Robert: Wir kennen eine Person in London. Die arbeitet im „Rough Trade“-Plattenladen und hat unsere Single an die Wand gehängt. Dann kommen eines Tages Alan Hörne und Edwyn Collins in den Laden und fragen nach den Go-Betweens. So landen wir auf „Postcard“.
Hillhead und Westend, Glasgow, Frühling 1980 Die Go-Betweens unterschreiben beim schottischen Postcard-Label und nehmen die Single „I Need To Heads/ Stop Before You Say It“ auf. Robert: Postcard! Ein wahrer Glücksfall. All diese Leute zu treffen. Orange Juice im April 1980 zu treffen, war wie die Beatles 1961 zu treffen. Sie waren unglaublich und vollkommen anders als alle anderen. Sie hatten großartige Songs und kleideten sich wie niemand sonst. Die 80er hätten ihnen gehören können. Sie hätten alles tun können, was die Smiths getan haben, was U2 getan haben oder R.E.M. – und sie hätten es besser gemacht.
Grant: Glasgow war eine Arbeiterstadt, und sie liefen da rum wie Aliens. Aber sie gingen aufrecht und waren wunderschön. Es war großartig, Leute zu treffen, die auch daran glaubten, etwas ändern zu können, ohne dabei irgendwie herablassend zu wirken. Robert: Immer wenn was aus Glasgow kommt und es schafft, ist es sehr sehr gut. Orange Juice, Aztec Camera – das sind Bands, die ich liebe. Später kamen Jesus And Mary Chain. Immer wenn man über einen femininen, schärferen, intelligenteren – auch wenn dieses Wort im Rock’n’Roll eine schlechte Konnotation hat – Stil spricht, hat Glasgow was damit zu tun. Es ist daher für mich keine Überraschung, daß Franz Ferdinand da her kommen und so klingen, wie sie klingen. Wenn du aus einer so grauen und rauhen Stadt kommst, willst du ein bißchen Farbe reinbringen.
Melbourne, 1981 Nach ihrer Rückkehr in die Heimat wurde Roberts Freundin Lindy neue Schlagzeugerin der Go-Betweens. Ob die Liebe zu französischen Filmen diese Entscheidung begünstigt hat? Jedenfalls waren sie nun zwei Jungs und ein Mädchen – eine Konstellation wie in Truffauts „Jules et Jim“. Ein wichtiger Schritt. Lindys eigenwilliger Stil, der eher dem Gesang folgt als einem Metronom, wird zum wesentlichen Merkmal des Go-Betweens-Sounds.
Die Band nimmt in Melbourne ihr erstes Album „Send Me A Lullaby“ auf. Der naive Pop von „Lee Remick“ und der nervöse New Wave von „I Need Two Heads“ weichen einem spröden Art-Wave. Forster, der bis dahin fast alle Songs für die Band geschrieben hatte, steckt in einer kreativen Krise.
Robert: Ich hatte anderthalb Jahre lang nichts mehr geschrieben, was mir wirklich gefiel. Dann schreibe ich „By Chance“, das später auf „Before Hollywood“ landen wird. Das ist ein völlig neuer Stil. In den späten 70ern hatte ich viele Sachen wie „Lee Remick“ geschrieben, doch dann kam ich mit den ersten Punksachen in Berührung und konnte danach diesen 60er-Jahre-Kram nicht mehr schreiben. Ich dachte, ich könnte nie wieder etwas schreiben, was mir wirklich gefällt – und ich habe viel geschrieben zu der Zeit. Einiges davon ist auf „Send Me A Lullaby“. Ich probierte vieles aus, und bei „By Chance“ glückt es endlich. Es klingt ein bißchen wie das erste Album, ist aber besser als alle Songs, die da drauf sind. Das war der Schlüsselsong. Danach explodiert die Band.
London, St.Charles Square, Sommer 1982 „Rough Trade“-Chef Geoff Travis lädt die Band in ein unbewohntes Haus ein, um neue Songs für ihr Label-Debüt zu schreiben. Daraus wird „Before Hollywood“. Robert: Ein dreistöckiges, wunderschönes leeres Sommerhaus. Wir schreiben großartige Songs.
Grant: Mir fällt ein, daß ich damals meine Bibliothek aufgebaut habe (lacht). Ich ging zu W. H. Smith irgendwo in der Nähe und stahl so viele Bücher, wie mir möglich war. Umberto Eco veröffentlichte zu der Zeit seinen ersten Roman. „Der Name der Rose“ – die gebundene Ausgabe an meinem Körper aus dem Laden zu schmuggeln, ohne erwischt zu werden. Wir waren arm – aber das war egal. Es war eine wundervolle Zeit – auch weil man wußte, daß man auf einem wirklich coolen Label war. Geoff Travis hat immer an uns geglaubt – na ja, fast immer.
Le Val, Frankreich, May 1984 Nach dem (künstlerischen) Erfolg von „Before Hollywood“ und dem Wechsel zum Major-Label „Sire“ nehmen die Go-Betweens ihr drittes Album auf – zu viert.
Robert Vickers: Ich kam schon kurz nach den Aufnahmen zu „Before Hollywood“ zu den Go-Betweens. Ich hatte in New York bei einer Band namens The Colors gespielt, die hatten sich gerade aufgelöst, und hatte gehört, daß die Go-Betweens sich erweitern wollten. „Before Hollywood“ war großartig, aber ich wußte, daß ich ihnen helfen konnte, kommerzieller zu werden, einen flüssigeren Sound hinzubekommen. Da hab ich sie angerufen. Sie haben mich genommen.
Robert: Wir kommen im Studio in Südfrankreich an und sehen ein riesiges Gemälde an der Wand. Ich drehe mich zu dem Studiobesitzer und frage: „Wer hat das gemalt?“ Und er sagt, es sei vom Leadsänger von Yes. Wer immer das auch ist.
Grant: Jon Anderson.
Robert schüttelt den Kopf.
Grant: Er hat bessere Bilder gemalt (lacht). Ich habe Gitanes entdeckt und zum ersten Mal Hase gegessen.
Robert (verkniffen): Das war s.
Grant: Ach ja: Wir wurden zum ersten Mal mit den Methoden der britischen Musikindustrie vertraut, Hitplatten zu machen. Eine große Überraschung. Es war der gleiche Produzent wie bei „Before Hollywood“, aber eine völlig andere Arbeitsweise.
Robert Vickers: Wir arbeiteten mit click-track, das heißt, das Schlagzeug wurde nicht immer live eingespielt, sondern teilweise mit einer Maschine programmiert. Für Lindy Morrisons Stil war das aber die vollkommen falsche Arbeitsweise.
Grant: Fast der erste kleine Bruch in der Band, muß man wohl sagen.
Robert Vickers: Es war der erste große Streit. Aber ich hatte bereits in einigen Bands gespielt und kannte mich schon ein bißchen mit band politics aus. Lindy und ich waren die Rhythmusgruppe, dadurch bildeten wir eine Einheit; ich war aber noch aus Brisbane-Zeiten mit Robert befeundet, und Grant hatte mich 1979 in New York besucht. Ich war also die vermittelnde Instanz. Ein Go-Between (lacht).
Darlinghurst, Sidney, australischer Sommer 1985/86 Nach den Arbeiten an dem Album, das viele Fans für ihr Meisterwerk halten, „Liberty Belle And The Black Diamond Express“, und einem neuen vertrag bei Beggars Banquet kehren die Go-Betweens glücklich aus dem kalten London ins warme Sidney zurück.
Robert: Der Videoclip zu „Spring Rain“. Ein toller Song. Bei Regen auf einem Hügel stehen und tanzen.
Grant: (lacht) Den ganzen Sommer. Es war eine Regenmaschine. Etwa um die Zeit stößt Amanda Brown zur Band. Endlich konnten wir auf der Bühne Streicher – oder doch zumindest ihre Violine – einsetzen.
Robert Vickers: Darlinghurst nights (lacht). Ich würde sagen, das ist genau die Phase, in der dieser Song spielt.
Camden und Soho, London, Herbst/Winter 1986/87, Die Vorbereitungen und Aufnahmen zu „Tallulah“. Beggars Banquet erwartet endlich kommerziellen Erfolg. Die beiden Grant-McLennan-Songs „Right Here“ und „Cut It Out“ werden von einem externen Produzenten zu Hits (ver-)produziert. Robert Forster und Lindy Morrsion trennen sich, Grant McLennan und Amanda Brown werden ein Paar.
Robert: Wir sind im falschen Studio – es sieht aus wie ein Übungsraum. Die Aufnahmen starten mit einer Enttäuschung. Ach ja: Ich glaube zu der Zeit beginne ich auch, mich ein bißchen gehen zu lassen. Die Zeit kennt man als „Der Abstieg“. Der Abstieg in die Hölle, (lacht) Robert Vickers: Die Go-Betweens waren im Herzen immer eine Punkband. Jeder durfte mitbestimmen und arbeitete seinen Part aus. Speziell Robert kam häufig nur mit Fragmenten in den Proberaum, und dann setzten wir das zusammen. Es wurde immer viel diskutiert, bevor es ins Studio ging. Aber bei „Tallulah“ war es besonders hart. Wohl ein Grund mit dafür, daß es vermutlich nie eine Reunion des klassischen Quartetts oder gar Quintetts geben wird. Frag mal Lindy Morrison.
Grant: Robert und ich hatten unseren einzigen richtigen Streit über die Richtung, in die unsere Musik gehen sollte. Aber das hatte vielleicht mit Roberts Abstieg in die Hölle zu tun (lacht). Und es war das zweite Mal, daß eine Plattenfirma beinahe die Band auseinander gebracht hätte. Aber rein persönlich war ich so glücklich, wie man nur sein kann.
Nach den deprimierenden Erfahrungen mit „Tallulah“ beschlossen die Go-Betweens, London den Rücken zu kehren und ihr nächstes Album in Sidney zu machen. Für Robert Vickers, der mit seiner Freundin immer noch in New York wohnt, war das das Ende. Er stieg für kurze Zeit bei Yo La Tengo ein. Die Band nahm mit dem neuen Bassisten John Willsteed “ 16 Lovers Lane“, ihr bis dato erfolgreichstes Album, auf und wurde in den USA gar von Capitol unter Vertrag genommen. Die Jahre davor waren before Hollywood gewesen, nun war die Zeit endlich reif.
Hollywood, Palace Theatre, Februar 1989 Gegenüber des Capitol-Towers spielen die Go-Betweens vor der gesamten Chefetage – das soll der Durchbruch werden.
Grant: Diese Show ruinierte unsere Karriere.
Robert: Dazu braucht man ein bißchen Hintergrundwissen, okay? Zu dieser Zeit wußte keine der großen Plattenfirmen, wie man mit einer Independent-Band umzugehen hatte, weil es keine Independent-Bands auf Major Labels gab. Wir waren die ersten. Grant, Amanda und ich verbrachten einige Zeit in den USA, um mit ihnen zu arbeiten und es war, als seien wir vom Mars. Dann kam der Abend – es war unsere große Show -, und ich trug ein Kleid. Und natürlich waren sie vollkommen geschockt. Ich hatte diese Aktion zwar mit Grant abgesprochen, doch sie hat unsere Karriere sabotiert, und Capitol – was immer sie mit uns vorhatten, es endete sofort (schnippt mit dem Finger). Erst als „Nevermind“ kam und die großen Firmen sich für Independent-Bands interessierten, änderte sich ihre Einstellung. Kurt Cobain trug ein Kleid, und es war cool. Wir waren zwei Jahre zu früh dran.
Grant: Was soll ich sagen.
Robert: It can only be: no regrets.
Grant: No regrets.
Botany Street, Sidney, 24. Oktober 1989 Robert: Grant und ich spielen die Songs, die wir in den 18 Monaten seit “ 16 Lovers Lane“ geschrieben haben. Ich lebe bereits seit drei Monaten in Bayern (Robert Forster hatte seine spätere Frau Karin Bäumler aus Regensburg kennengelernt) und habe dort ein paar Songs geschrieben. Tony Cohen, mit dem wir „Send Me A Lullaby“ gemacht hatten, nimmt alles auf einer Vierspurmaschine auf.
Grant: „Perfumed, Poised And Dangerous“ fällt mir ein – so sollte das neue Album heißen, und vielleicht hätte Mick Harvey von den Bad Seeds es produzieren sollen. Wir waren in Sidney, Robert war in Deutschland, der Sommer stand vor der Tür, wir hatten keinen Bassisten mehr, weil John Willsteed nicht mehr zur Verfügung stand. Die Erwartungen waren hoch, da „16 Lovers Lane“ einen guten Eindruck gemacht hatte, aber wir wußten, daß wir das mit dem nächsten Album nicht wiederholen konnten oder wollten. Es gab erste Anzeichen, daß es zu Ende gehen könnte.
Am 15. Dezember 1989 spielten die Go-Betweens ihr letztes Konzert – auch wenn nur Forster und Mc-Lennan das wußten. Robert machte dann wie geplant ein Album mit Mick Harvey, das den Titel „Danger In The Past“ trug. Grant orientierte sich bei seinem Solodebüt “ Watershed“ an kommerziellerem Pop. Beide Alben enthielten Songs der Botany-Street-Session. Brown und Morrison gründeten Cleopatra Wong. Vickers spielte inzwischen bei Lloyd Cole, der einen Support für seine Europa-Tour 1991 suchte und dabei an Robert Forster dachte. „Ich fragte ihn: .Warum fragst du nicht Robert und Grant, das wäre doch etwas Besonderes'“, grinst Vickers. „Und sie haben es gemacht – ich habe sie wieder zusammengebracht.“
Allerdings benutzten sie nicht den alten Bandnamen, der taucht das erste Mal wieder 1996 auf, als die französische Musikzeitschrift „Les Inrockuptibles“ anläßlich ihres zehnten Geburtstages “ 16 Lovers Lane“ zu einem der drei besten Alben zwischen 1986 und 1996 wählte und die Go-Betweens zu einem Gig nach Paris einlud. Robert und Grant wurden von Forsters Tourband Warm Nights mit Adele Pickvance am Baß und dem Schlagzeuger Glenn Thompson begleitet.
Paris, 23. Mai 1996 Grant: Ein Raum voller Models. Elektrifizierend, nicht nur weil so viele Models da waren, sondern, weil ein so cooles Magazin uns eingeladen hat. Allein die Aufregung, unsere alten Songs wieder zu spielen und das in einer unserer Lieblingsstädte. Wir fühlen uns gut, weil die Smiths und die Pixies sich untereinander hassen und es daher nicht tun können. Eine einmaliger Erinnerungsstoß.
Robert: Wir spielen mit Glenn und Adele. Es ist ein bißchen Hollywood dabei. Die Band geht für sechs Jahre ab, und wenn sie wiederkommt, ist da Paris, eine Nacht, eine riesige Zuschauermenge, die überschnappt. Da ist eine Treppe an der Seite der Bühne, wo man abgeht und die Leute drehen durch. Eine magische Nacht. Wie im Märchen.
Die richtige Reunion ließ aber noch auf sich warten. Forster veröffentlichte lange keine Platte mehr, McLennan machte mit lan Haug von Powerfinger und Adele Pickvance eine Art-Rock-Platte als Far Out Corporation und veröffentlichte sein bestes Solowerk „In Your Bright Ray“. Ende der 90er standen beide ohne Plattenvertrag da. 1999 spielten sie einige Akustik-Gigs zu zweit. Es war wieder Vickers, der den Stein ins Rollen brachte. „Ich arbeitete bei Jetset Records und dachte an die Veröffentlichung der Aufnahmen, die die Go-Betweens vor ihrem ersten Album in Brisbane gemacht hatten. Da bat ich Robert und Grant um Hilfe.“ Die Aufnahmen erscheinen schließlich als „The Lost Album“ mit exklusiven Liner notes von Robert Forster.
Und irgendwie müssen diese Songs die Erinnerung an die frühen Tage der Band bei ihm wiederaufgefrischt haben, muß er sich an die Zeit an der Queensland University, die Sessions in seinem Zimmer in Toowong und den Clubs von
Portland, Oregon, Januar 2000 Robert: Winter. Schnee. Berge. Ein sehr schönes Hotel. Ein großartiger Buchladen um die Ecke. „Hal’s Bookshop“ – vermutlich der beste Buchladen der Welt. Von der Atmosphäre her war es ein bißchen, als würden wir in der Zeit zurückgehen und „Lee Remick“ aufnehmen. Ein Studio wie ein kleines Wohnzimmer. Und zu wissen, daß Janet Weiss von Sleater Kinney und Quasi Schlagzeug spielen wird – das hängt die ganze Zeit so in der Luft. Ich mag die Idee, daß wir nicht aus London zurückkommen, nicht aus L. A., nicht aus Sidney – sondern aus Portland, Oregon. Das ist die perfekte Rückkehr für diese Band. Man hätte sich keinen schöneren, obskureren Ort erträumen können.
Grant: Ein Traum wird wahr. Eine Platte in Amerika machen. Darüber hatten Robert und ich schon lange gesprochen. Portland ist ein bißchen wie Brisbane. Und Adele Pickvance. Ohne sie hätten wir das Album nicht gemacht. Wir wußten sofort, daß sie dabei sein muß. Sie ist sehr, sehr wichtig für das Wohlbefinden und die musikalische Seite der Band. Wir haben einen neuen Go-Between gefunden.
Wie ernst die Go-Betweens es mit ihrer Reunion meinten, zeigte sich, als sie knapp zweieinhalb Jahre später schon ihr nächstes Album fertig hatten: „Bright Yellow Bright Orange“ in Sachen Bandchemie hörbar ein Schritt nach vorn. Robert war von Regensburg zurück nach Brisbane gezogen, man arbeitete an neuen Songs und schrieb sogar einen gemeinsam: „Too Much Of One Thing“. Oder wie Robert ihn heute nennt: „The Ballad Of The Go-Betweens.“ Glenn Thompson, selbst auch ein beachtlicher Songschreiber, wurde während der „Rachel Die Go-Betweens 1987 beim Dreh zur dritten „Tallulah“-Single „Bye Bye Pride“
Worth“-Jour zum neuen Schlagzeuger der Band, und somit war das Line-up der Paris-Show wieder komplett. Ein bißchen Hollywood… „Bright Yellow Bright Orange“ ist das Album einer Band, die sich während der Aufnahmen fand – organisch, hell, lässig. Hier geht es nicht um den großen Wurf, sondern um Kontinuität. Die Qualität dieses Albums liegt in seiner Beiläufigkeit, die manche – wie beispielsweise Robert Vickers – als „Unfertigkeit“ kritisieren. Aber das ist ja das Tolle daran: Es klingt wie das spontane Dokument des Aufeinandertreffen von vier Musikern, zwischen denen etwas Besonderes passiert. „It’s one of these moments“, würde Robert Forster sagen. In diesen magischen Momenten hatten sie ihre Vergangenheit eingeholt. „Bright Yellow, Bright Orange“ ist ein typisches Go-Betweens-Album, hat Widerhaken und diesen spröden Sound, der sie wieder im Gleichschritt mit ihrem Back-Katalog laufen läßt. Und wer keine Vergangenheit mehr vor sich hat, kann auch wieder in die Zukunft schauen. Ein Aspekt, der für die Go-Betweens immer mindestens ebenso wichtig war.
Es ist wie in alten Kinos, in denen man mit zwei Projektoren arbeitete, weil der Film nicht auf eine Spule paßte. Es gab beim Wechsel der Spulen jeweils einen Moment, in dem beide Projektoren liefen und die Bilder übereinander lagen. Die des Projektors, der den ersten Teil des Films gezeigt hatte, und so quasi eine Art Geschichtenerzähler war, der von der Gegenwart auf die Vergangenheit schaute, und die des Projektors, der die Fortsetzung abspielen würde und somit in die Zukunft blickte. Wenn beide liefen, ergab sich das perfekte Bild, weil Kratzer auf der einen Spule durch die Bilder auf der anderen überblendet wurden. Das Erinnern und den Blick nach vorn, die alten Stärken und die Ambition – auf „Oceans Apart“ hört man alles. Aber so wie Vergangenheit und Zukunft bei den Go-Betweens zusammenspielen müssen, müssen es auch Forster und McLennan. „Wenn zwei Künstler zusammenarbeiten und sich – wie Grant und ich das tun – ein, zwei Mal die Woche treffen, um darüber zu reden, was sie tun, kommt es irgendwann zusammen“, erklärt Robert Forster überzeugt. „Wir haben uns Songs vorgespielt oder einfach nur geredet, was manchmal genauso wichtig ist, und so entsteht dieses große Go-Betweens-Ganze.“
Robert Vickers, auch nach seinem Ausstieg immer ein genauer Beobachter der Band, sieht das ein bißchen anders: „Robert und Grant sind weiter voneinander entfernt als jemals zuvor. Grant schreibt diese Folk-Songwriter-Songs, und Robert entwickelt einen interessanten neuen Stil. Er hat so einen Konversationston drauf, als würde er einem fiktiven Gegenüber sein Leben erklären. Ich glaube, auf diese Art und Weise hat das noch kein Songwriter vor ihm getan. Auch in ihrer Lebensweise unterscheiden sich die beiden. Robert ist immer noch der etwas seltsame Dandy, aber er ist auch Familienvater und lebt mit seinen zwei Kindern in einem Vorort von Brisbane – gar nicht so weit weg von seinen Eltern, (lacht) Oh! Für diese Information wird er mich hassen. Grant lebt in einer WG und hat sich kaum verändert: geht gern aus, trinkt gern, jagt Mädchen nach. Durch diese Gegensätze entstehen diese schizophrenen Alben. Es ist dann die Aufgabe von Glenn und Adele, das zusammenzubringen. Das haben sie beim neuen Album ganz gut hingekriegt.“
Der Rhythmusgruppe kommt also die nicht unwesentliche Aufgabe zu, alles im Gleichschritt zu halten, oder – wenn wir zu unserem Anfangsbild zurückkommen wollen – dafür zu sorgen, daß die Bilder der Projektoren, wenn es darauf ankommt, paßgenau übereinander liegen.
London, Juni/November 2004 Robert: Der Bunker. Norwood. Wallis auf dem Befehlsstand, Ruffy die Treppe rauf mixing the magic. Froh, wieder in London zu sein. Was ich an der Stadt liebe: Sie fordert einen heraus. Dort sind vermutlich zu jeder Zeit zwei Bands, die großartige Alben machen. Manchmal braucht man sowas. Wenn ich in London bin, um da aufzunehmen, und ins Bett gehe, denke ich daran. Du mußt vollkommen auf der Höhe deiner Kunst sein. Wir waren es.
Grant: Bobbie treibt uns mit seinem Enthusiasmus an.
Robert: „Here Comes A City“! Als ich das die ersten drei, vier Mal hörte, war ich so überwältigt, daß ich gar nicht wahrnahm, daß ich ja auf dieser Platte mitspiele. Es war wie die Stones, die zum ersten Mal „Satisfaction“ hörten, es war wie Joy Division, zum ersten Mal „Love Will Tear Us Apart“ hörend. It was one of these moments.
Grant: Ich habe die ganze Nacht gefeiert nach unserer Show im Barbican (von der fünf Stücke auf der Bonus-CD von „Oceans Apart“ zu hören sind) und komme völlig übernächtigt im Studio an. Mir fällt eins der besten Gitarrenriffs meiner Karriere ein, danach geht’s direkt zum Flughafen, ohne auch nur einen Ton zu hören. Aber ich weiß: Das wird eine absolut großartige Single.
Los Angeles, „McLennan-Forster“-Building Der letzte Ort dieser Geschichte ist kein Ort der Vergangenheit. Nein, nicht mal einer, von dessen Existenz Robert und Grant wußten, als ich sie darauf ansprach. Es handelt sich um ein Gebäude in der überaus erfolgreichen US-TV-Serie „24“ mit Kiefer Sutherland. An diesem Gebäude hängt ein Firmenschild, auf dem steht: „McLennan-Forster“. Verantwortlich dafür ist Produzent und Autor Evan Katz, seit er Robert Forster, Grant McLennan und Amanda Brown 1988 bei einem Akustik-Gig in „McCabe’s Guitar Shop“ in L. A. erstmals sah, Go-Betweens-Fan. „Ich dachte, es wäre mal an der Zeit, diese Band zu würdigen“, meint Katz. „McLennan-Forster ist in der Serie eine Rüstungsfirma, die Waffen für die Regierung entwirft und baut – sie hat also bis auf den Namen wirklich gar nichts mit den Go-Betweens zu tun.“
Grant, der von meiner Frage bezüglich dieser Ehrung vollkommen überrascht ist, hat seine ganz eigene Vorstellung von einem Ort, an dem sich eine Firma mit dem Namen „McLennan-Forster“ befinden könnte: „In der ersten Etage liegen viele Leute auf Couches und lesen Bücher. In der nächsten sind sehr schöne Menschen, die die Flure auf und ab laufen, wie in ,2001 -Odyssee im Weltraum‘. Darüber ein Stockwerk mit Leuten, die in schönen Klamotten umherlaufen – zwischen weißen futuristischen Möbeln. Und überall sind Lautsprecher angebracht. Eine riesige Box – größer als selbst Pink Floyd sie sich vorstellen können – steht auf dem Dach des Gebäudes, aus der schallt ganz laut ,Here Comes A City‘ über die Stadt.“
An diesen Ort folgen wir den Go-Betweens gern.