Lollapalooza Berlin 2016: Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
Vom Berliner Flughafen Tempelhof ging es in den Treptower Park, vom Beton in den Wald. Auf Tuchfühlung mit den Lollapalooza-Kreaturen an neuem Ort.
>>> Kings Of Leon live beim Lolla: Kauft dieses neue Album!
>>> Tocotronic beim Lollapalooza: Musik für eine fremde Welt
Ein neues Zuhause für die Elfen, die Vogelscheuchen-Männer, die Kobolde und die Narren! Vom Gelände des Flughafen Tempelhof, wo Lollapalooza im vergangenen Jahr ausgetragen wurde, ging es diesmal in den Treptower Park. Dort fühlen sich die phantastischen Tierwesen von Perry Farrell, dem Lollapalooza-Gründer, sicher wohler. Denn es gibt Wiesen, Sträucher, Bäume, viel mehr Stellen, aus denen die Märchentiere hervorlugen und bei den menschlichen Besuchern für glänzende Augen sorgen können. T-R-A-U-M-H-A-F-T bzw. „ein Sommernachtstraum“.
Dabei bot das brach liegende Tempelhofer Feld eine reizvolle Bedingung für Lollapalooza. Die Sonne knallte letzten September auf den Beton (auch 2016 erweist sich der Spätsommer, es ist so heiß, als verlässlichste Jahreszeit in Berlin), die Hitze blieb am Boden hängen. Tempelhof sah aus wie eine riesige Arena, es gab keine Schlupfwinkel, und jede Bewegung war verlangsamt. Wenn dann im freien Feld die Trolle auf Stelzen angelaufen kamen, führte das zu einer Krisensituation. Man musste sich entscheiden, Flucht oder Kampf.
Audience Participation? Bitte nicht!
Hierzulande empfindet man den Aufruf zur Zuschauerbeteiligung an diversen Gaukeleien ja eher als Zumutung. Es gibt dann immer gequält lachende Menschen und anschließend steife Partizipation, wie gebückt durch die Papiertür (obiges Bild) zu laufen. Man muss das können, und man muss das aushalten können. Manche müssen gegen den Impuls ankämpfen die Sache mit einem kontrollierten Polizeigriff zu beenden, und dann schnell wegzurennen.
Der Lollapalooza-Karneval feiert eine Zeit, in der die Leute über andere Dinge gelacht hatten als heute. Heute sind die besten Witze zynische und mehrdeutige. Damals, vielleicht so bis 1920 und Charlie Chaplin grundsätzlich ausgenommen, lachte man sich scheckig, wenn jemand sein Gesicht bunt angemalt hatte oder eine Hose trug, die ein blaues und ein rotes Bein hatte. Sich in diese vergangene Ära hineinzufühlen ist nicht jedermanns Sache.
Dabei tun einem die Lollapalooza-Geschöpfe doch nichts. Mit ihrer Mischung aus Wanderzirkus, Vaudeville, DIY-Athletik, Jules Vernes Fahrzeuge und Freakshow erinnert die Lollapalooza-Truppe vielleicht noch am ehesten an Ray Bradbury und dessen „Dark Carnival“. Wer da Zuschauer war, konnte am Morgen danach selbst Teil der Aktionstruppe sein, wenn er die richtigen Ideen und das Aussehen hatte.
Nur echte Clowns, die sieht man nicht. Aufatmen. Keine Clowns mit italienischen Namen wie Pipolino, keine „Tränen der Clowns“, und auch keine Clowns, die gundsätzlich uninteressierten Kindern die „Weisheiten der Clowns“ verkaufen. Und nirgendwo, Gott sei Dank, ein „Herrrrreinspaziert, herrrreinspaziert!“.
Pflanzen außer Sichtweite
Kein Grund anzunehmen, dass man sich auf der Jagd nach Glühwürmchen tief im Treptower Park verirren könnte. Wer auf Lolla-Romantik unter Bäumen und abgeschiedene Plätzchen gehofft hatte, wird enttäuscht. Das Festival wurde nur unter Auflagen genehmigt, und etliche Bauzäune schirmen die kostbarsten Pflanzen, und das ist ja auch richtig so, ab. Die Zuschauermassen werden durch zum Teil eng abgegrenzte Wege geschleust, man läuft streckenweise über Stahlplatten, die auf empfindlichem Boden ausgelegt wurden.
Es finden sich auf dem Gelände einige kuriose Buden und Gehäuse. Zur Wahrsagerin würde man sich gar nicht trauen ohne zu bezahlen, denn irgendwie müsste man sein Gewissen ja wegen solcher nicht wirklich alles über Bord werfenden Beratungsgespräche beruhigen. Dann gibt es, in der Nähe der „Perry’s Stage“, ein Zirkuszelt, in dem man klassischer Rummelplatz-Action nachgehen kann.
Zum Beispiel Dosenwerfen. Alles abgeräumt, mit drei Würfen. Und man wundert sich, dass es keine Preise gibt. Dann fällt einem aber auch wieder ein, dass das Spiel nichts gekostet hatte. Man kommt sich irgendwie komisch vor, weil man die ganze Zeit nur an Gewinne dachte ohne selbst was investiert zu haben. So verdorben also geht man als Erwachsener an Spiele ran, es ist ein Elend.
Vielleicht ist das der schönste Unterschied zum klassischen Jahrmarkt: Die Lollapalooza-Action ist im Ticket inbegriffen, sie gehört dazu. Das sollte Ohren, Augen, Nerven entlasten. Weit und breit keine Buden-Schreier mit Mikrofon, die für ihre schlechten Preise viele Lose verschachern wollen.
Für diese Ruhe nimmt man die Verfolgung durch das Stelzenungeheuer gerne in Kauf.