Live-Report aus Riad: Musikbiz-Konferenz und Mega-Festival am Rande der Wüste
Die XP Music Futures eröffnet popkulturelle Offensive in Saudi Arabien. Metallica und Black Eyed Peas als Headliner beim Soundstorm
Die Hauptstadt von Saudi Arabien muss man sich als Hardcore Los Angeles vorstellen. Ein weit gestreckter Flachbau-Moloch mit zehnspurigen Autoschneisen, auf denen Tag und Nacht der Verkehr tobt. Eine seit langem geplante, und teilweise bereits fertig gestellte Metro soll den Dauerstau irgendwann entlasten. In eingezäunten Zonen in Richtung Financial District gibt es monströse Baustellen, welche die „Downtown“ aus bizarren Fantasy-Hochhäusern demnächst ergänzen werden.
Am Rand dieser wilden Stadtlandschaft gibt es den „Jax District“. Eine ehemalige Gewerbezone, die gerade nach Masterplan zur Kreativzone umgewidmet wird. Auf Bauzäunen kündigt sich großes Filmstudio an. Auch die Kunstmesse „Diriyah Biennale“ ist gleich nebenan in einer Zeltstadt angesiedelt. Die „Region im Wandel“, den die staatseigene englischsprachige Tageszeitung „Arab News“ in ihrem Motto ausruft, wird hier zwischen Vorstadtstraßen und schroffen Abbruchkanten manifest.
Auch die Musikbiz-Konferenz XP Music Futures ist hier zu finden, in einem guten Dutzend Leichtbauhallen, die Räume für Workshops, Konzerte, Debatten und Musiktechnik-Präsentationen bieten. Zwischendurch singt auch mal ein Chor in traditionellen Gewändern, als wollte man den Turbo-Übergang des Wahhabismus (ein streng traditionalistischer sunnitischer Islam) in die KI-unterstützte K-Pop-Moderne plastisch darstellen.
Das offizielle „Music Institute“ von Saudi Arabien unterstützt dieses Projekt mit Geld und Logistik. In einer Präsentation lädt man die Welt dazu ein, nach Rhiyadh zu kommen. Gleichzeitig gehört es zum Selbstbewusstsein der saudischen „Vision 2030“ auch in der internationalen Musikszene kräftig mitzumischen.
Das ist Teil des Modernisierungsprozesses eines „neuen und moderaten Staates“, den die Politikwissenschaftlerin und Soziologin Aliki Kosyfologou jüngst konstatiert hat. Sie schreibt aber auch: „Doch in einer autoritären religiösen Monarchie mit erdölabhängiger Wirtschaft und latenter Finanzkrise erweist sich die Wirklichkeit als deutlich komplizierter.“
Die XP Music Futures und das anschließende größte Musikfestival Arabiens „Soundstorm“ ist um Leichtigkeit bemüht. Die Politik bleibt außen vor; die Polizei-Patroullie vor dem Eingang wirkt in all dem Gewusel von an- und abfahrenden Shuttle-Bussen eher lässig.
Beim Tages- als auch ein Abendprogramm sprechen immerhin 286 internationale und regionale und Redner:innen aus Saudi Arabien. Ein Anstieg von 47,42 Prozent gegenüber der letzten XP Music. Die Themen entsprechen den bekannten Convention-Standards westlicher Prägung. Etwa „Eine florierende Basiskultur ankurbeln“, oder „Die Kreativwirtschaft mit KI befeuern“ oder „Aufbruch in eine nachhaltige Zukunft“. Selbstbewusste Teilnehmerinnen wie DJ Cosmicat, die mittlerweile auch international hinter dem Mixdeck stehen, nehmen die offiziellen Parolen beim Wort und machen ihr Ding.
„Pop und Rock ohne Bier, schon komisch“, sagt ein britischer Kollege“
Auf dem „Jax“-Gelände geht es überaus lebendig zu. In der einen Ecke rocken DJ-Teams mit House und Techno, in der anderen wird über die Bedeutung des Saiten-Instruments Oud für die arabische Musiktradition und -Zukunft informiert.
Das alles streng ohne jeden Alkohol. Nicht mal ein geheimer Flachmann kreist unter der Hand. Wasser, Kaffee und Soft Drinks müssen reichen. „Pop und Rock ohne Bier, schon komisch“, sagt ein britischer Kollege. Wobei: Rock und gar Hard-&-Heavy-Spielarten sind auf der XP Music Future, KEIN Zukunftsthema. Dann eher K-Pop aus Korea, ein weltweites Exportmodell, das die Veranstalter mit einem eigenen Panel würdigen.
Der Chef des Kongress- und Festival-Veranstalters Ramadan Alharatani sagt bei seinem Eröffnungs-Statement ganz im Musikbranchen-Jargon: „In den vergangenen drei Jahren haben wir die klügsten Köpfe der Musik- und Unterhaltungsbranche aus der ganzen Welt zusammengebracht. Wir sehen XP als Inkubator für Talente und Kreativität und bieten Künstlern eine Plattform, das Wissen, die Werkzeuge und das Netzwerk, die sie benötigen, um eine erfolgreiche, nachhaltige und profitable Karriere in der Region und auf der ganzen Welt zu starten.“
Wichtig ist ihm folgende Statistik: 48,25 Prozent der XP-Music-Teilnehmer sind Frauen und 51,75 Prozent Männer. Zumindest bei der gut ausgebildeten Generation Z ist das neue Popkultur-Modell von Saudi Arabien offenbar angekommen.