Links decken, rechts schlagen
Als resolute Einzelkämpferin hat sich AIimee Mann schon im Musikgeschäft durchgeboxt. Nun hat sie im physischen Faustkampf eine adäquate Herausforderung gefunden.
Sie stecken in der Tasche im Vorraum. Ihre knallroten Everlast-Handschuhe. Auch auf Promo-Reise muß Zeit bleiben für ein paar Punches, und sei’s nur gegen den eigenen Schatten. Seit gut 18 Monaten tänzelt Aimee Mann vor dem Sandsack und durch den Ring, mit einem Privat-Trainer. „Ich hätte nie den Mut gehabt, wie Maggie in dieses Männer-Gym zu gehen und nach einem Trainer zu suchen.“ Maggie, das „Million Dollar Baby“. Dem Eastwood-Film gibt sie ein „B plus“. Für die Box-Szenen. Sonst hätte sie gern „weniger Tragödie“ und „mehr Morgan Freeman“ gesehen. Und dann hält sie lachend lieber den Mund, weil: Ihr Trainer coacht auch den Produzenten des Films.
„Ich wollte es nur versuchen“, erklärt Mann ihre Box-Ambitionen, „so ähnlich wie damals mit der Musik. Ich dachte nicht, daß ich ein natürliches Talent dafür hatte. Aber es war lohnend, daran zu arbeiten, zu üben, und besser zu werden. Auch beim Boxen wollte ich herausfinden, ob ich gut werden könnte.“ Inzwischen kann sie sich des Respekts ihrer Sparringspartnerinnen sicher sein. Und Respekt im Ring heißt auch Hilfe für den anderen, selbst wenn die erst mal zum eigenen Nachteil ausfällt. „Eine Partnerin sagte mir: ,Setz deine rechte Hand mehr ein, denn die tut wirklich weh‘.“
„The Forgotten Arm „heißt passend dazu ihr neues Album. Es ist kein Album übers Boxen geworden. Doch Vietnam-Veteran John, der männliche Protagonist ihrer Geschichte einer Paar-Odyssee zwischen Virginia, Reno und Vegas inklusive finalem Drogenabsturz, kann nur ein Boxer sein. „Weil das für ihn“, sagt Mann, „eine Möglichkeit ist, mit diesem Trauma klarzukommen, soviel Gewalt gesehen zu haben. Sie gehört ja weiter zu seinem Leben, nur in einer kontrollierteren Manier.“ Auch Aimee Mann strebt nach Kontrolle, wenn sie in den Ring steigt. „Es gibt verschiedene Aspekte, die ich faszinierend finde. Einer ist, sich in eine Situation zu begeben, die grundsätzlich besonders furchterregend ist. Also muß ich lernen, die Furcht zu kontrollieren, um relaxt und konzentriert zu bleiben. Die negative Antizipation darf dich einfach nicht beherrschen.“ Oder anders gewendet: „Es ist schön zu wissen, daß die Vorstellung des Schlages, der da kommen soll, eigentlich viel schlimmer ist als der Schlag, der wirklich kommt.“ Ganz ohne Schläge ging es im Studio mit Produzent Joe Henry ab. „Er stellt die richtigen Musiker zusammen und nimmt nach wenigen Proben praktisch live auf. Das ist genau die Platte, die ich machen wollte. Ich sagte ihm: Ich will ein bißchen Southern Flavour mit diesem Honky-Tonk-Piano und ein bißchen Mott The Hoople. Joe meinte nur: Das kriegen wir hin.“ Wobei Mann auf Nachfrage gesteht, daß „mein Konzept von Mott The Hoople mit ‚All The Young Dudes‘ anfängt und endet“. Und den Song schrieb auch noch David Bowie. Wer hätte das gedacht: Aimee Mann, die sich traut, noch echte (Konzept-)Alben zu machen, ist nicht wirklich eine Album-Hörerin. Es sei denn, Elton Johns „Tumbleweed Connection“ liegt auf dem Teller.
Dafür kann wohl nur sie diese zwei Fragen aus erster Hand beantworten.
Der größte Fehler beim Boxen? „Zuviel Selbstbewußtsein. Du nimmst die Deckung runter, weil du dir einbildest, du hast schon gewonnen. Aber das weißt du nun mal nie vor dem letzten Gong.“ Und der größte beim Songschreiben? „Sich darüber zu sorgen, daß ein Song fertig wird, statt das Schreiben selbst zu genießen. Aber das ist überall im Leben der größte Fehler: Mit dem Resultat beschäftigt zu sein – und nicht mit dem Prozeß, der dahin führt.“