Linker Kosmopolit
Von der Rezeption seines "Bayreuth"-Werkes enttäuscht, gibt sich Joachim Wittnun gemäßigt
Joachim Witt ist vorsichtig geworden. „Ich habe mich schon erschrocken, welche Assoziationen meine Musik bei manchen Leuten auslöst und in welche Ecke ich geschoben worden bin“, bekennt er recht freimütig. „Ich bin halt insofern überrascht, als dass mir nicht mal die Idee gekommen war, dass man mich dermaßen falsch verstehen könnte.“
Mit den strengen Tönen seines letzten Werks „Bayreuth Eins“ landete Witt zum eigenen Entsetzen im politisch bedenklichen Sumpf der Kollegen Rammstein und anderer teutonischer Kasperlefiguren – allerlei Medienwächter hoben den Zeigefinger ob der herrischen Ästhetik des Videos „Die Flut“ und bezichtigten Herrn Witt mahnend der politischen Fahrlässigkeit. Der aber wehrt diese Vorwürfe vehement ab.
„Alles Unsinn! Ich reagiere mit meiner Kunst auf Gefühle und Stimmungen, die sich für mich richtig anfühlen. In einem solchen Moment interessiert mich nicht irgendein möglicher politischer oder ästhetischer Hintergrund – Kunst ist Kunst, und was ich gut finde, finde ich gut“, sagt der Hamburger in bester l’artpour l’art-Ignoranz, und schon sind wir mittendrin in der ungeliebten Diskussion. Doch Witt zollt der unerwünschten Rezeption seines Werkes durchaus Tribut. „Nun, ich überlege mir mittlerweile schon zweimal, was ich mache und singe und wie es wohl auf andere Menschen wirkt“
Entsprechend gemäßigter geht es auf dem neuen Album des norddeutsehen Barden zu; „Bayreuth Zwei“ zwar noch immer auf das besagte strenge Design, doch inhaltlich gefällt sich Witt jetzt eine Spur wehmütiger, melancholischer. „Ich bin ein linker Kosmopolit“, sagt Witt etwas überraschend über sich selbst und verweist damit auf eine andere, bessere Tradition der deutschen Historie: Viel des meist ungeordnetes Gedankengutes des Herrn Witt belehnt die deutsche Romantik. Von Naturalismus ist die Rede und von den entsprechenden großen, wild fluktuierenden Gefühlen. In Zukunft mögen Eichendorff und Novalis die Bezugspunkte in der irrwitzigen, oft schwindelerregenden Lyrik des Joachim Witt sein. Der geht zum Zwecke der Einheit mit sich selbst allerdings nicht an den Rhein wie seine Väter im Geiste, sondern doch lieber nach Schleswig-Holstein. „Auf dem Lande spür‘ ich die Erde,“ erläutert Witt, ganz Gemütsmensch. „Hier spüre ich das, aus dem ich gemacht bin und zu dem ich irgendwann in der Zukunft wieder werden werde.“
Bei aller Erdverbundenheit zirpt Joachim Witt seine Lieder ja nun nicht zärtlich zur Harfe – auch „Bayreuth Zwei“ grollt guttural und grandios existenzialistisch. „Es gibt halt neben den romantischen Gefühlen auch ein großes aggressives Potenzial in mir“, erklärt sich Witt. „Dem muss ich Ausdruck verleihen.“ Und so poltert er also in Weisen wie „Seenot“, „Der Sturm“ oder „Die Flucht“ wie ein deutscher Golem durchs unfertige Sein, der Welt ein Fremder, gefangen im wackligen Apparat.
„Es sind schon die großen Fragen, die mich umtreiben“, stimmt Witt zu und analysiert weiter: „Eben so grundsätzliches Zeug wie ,Was mache ich hier?‘, ,Warum existiere ich überhaupt?‘. Im Hier und Jetzt finde ich mich nicht immer so zurechtich bin halt ein Träumer.“ Das stimmt wohl.