Linder Sterling & Morrissey – Glückliche Diebe
Der streitbare Popstar und die Provokations-Künstlerin sind schon lange befreundet, doch erstmals seit 1979 interviewte Morrissey nun die von ihm verehrte Linder Sterling: ein Dialog über Maßlosigkeit, Musen und die Notwendigkeit von Idiotie.
Ihre vielleicht charakteristischste Collage erschien bereits 1977, auf dem Cover der Buzzcocks-Single „Orgasm Addict“. Linder Sterling spielte mit Elementen des medialen Alltags – ein weiblicher Torso, dessen Brüste mit Lippen überklebt sind, während auf dem Kopf ein Bügeleisen thront -, die schon bald die Signatur ihrer visuellen Handschrift werden sollten. Als die Single erschien, war Linder, 1954 in Liverpool geboren, bereits eine feste Größe in Manchesters Punk-Szene, die in diesen Jahren eine relevante Band nach der anderen auszuspucken schien: The Fall, Joy Division, Buzzcocks, Magazine, The Smiths. Dass ihre Collagen eine innere Affinität zum Punk-Ethos besaßen, konnte kaum überraschen: Indem man festgefügte Strukturen auseinanderriss und neu zusammensetzte, führte man die Fassade gesellschaftlich akzeptierter Embleme ad absurdum.
Aber Linders visuelle Kunst ging noch einen Schritt weiter als die Musik ihrer Zeitgenossen. Hannah Höch zur Zeit der Weimarer Republik nicht unähnlich, warf sie alles in einen Topf: Kapitalismus, Sexualität, Gewalt, Feminismus, Morbidität, aber auch Sehnsucht und Hoffnung. Ihre fantastischen und doch so alltäglichen Sujets – Lippenstift, Fernseher, Haushaltsgeräte, Münder, nackte Körper – haben in unserer gegenwärtigen Massenkultur an Stellenwert sogar noch gewonnen.
Linder selbst durchlief diverse Metamorphosen. Sie trat als Sängerin in der Art-Punk-Band Ludus auf. Sie übertrug ihre Collagetechnik auf fotografische Arbeiten (zuletzt in Form von Selbst-Porträts, die sie mit Motiven von Blumen montierte). Im vergangenen Herbst kombinierte sie ihre Radikal-Ästhetik mit der Lust am Spektakel und gab in der Tate St. Ives-Galerie in Cornwall einige Performances, die schwarze Schleier, Hirschgeweihe, goldene Gewänder und ein weißes Pferd thematisierten. Im Mai zeigte Linder neue Arbeiten in der Sorcha Dallas Gallery in Glasgow und lieferte beim dortigen „Internatio- nal Festival of Visual Art“ eine eigens auf die Veranstaltung zugeschnittene Performance ab.
Eine Konstante in ihrem Leben ist die Beziehung zu Morrissey. Sie trafen sich Mitte der 70er-Jahre, schlossen umgehend Freundschaft – und sind seitdem in engem künstlerischem Kontakt. 1992 veröffentlichte sie den Foto-Band „Morrissey Shot“ mit Aufnahmen, die auf seiner damaligen Welt-Tournee entstanden. Das folgende Interview ist allerdings das erste seit 1979, als Morrissey Linder für ein englisches Fanzine interviewte. Ihre Fragen und Antworten, die über mehrere Wochen via E-Mail hin- und hergingen, sind Momentaufnahmen zweier Menschen, für die sich Poesie nicht nur in ihrer Arbeit manifestiert. Als Morrissey die ersten Fragen für dieses Interview abschickte, schloss er mit den Worten: „I shall love you till that final stretch of sand that the sea never quite reaches is finally swathed by crashing waves. Or, perhaps longer … If there’s time.“
Morrissey: Es war 1976 beim Soundcheck der Sex Pistols in Manchester, dass wir uns zum ersten Mal trafen, und seitdem bist du ein Fixpunkt in meinem Leben gewesen. Was mich besonders fasziniert – von deiner physischen Schönheit abgesehen -, ist die Tatsache, dass du in all den Jahren deine Entwicklung nach deinen ureigenen Kriterien vorangetrieben hast. Und wenn mir das auffällt, muss es dir selbst wohl auch bewusst sein. Wenn du morgens um neun in den Spiegel schaust: Wie würdest du diese Eigenschaft definieren?
Linder: In unserer Welt gibt es zu viele Mythen. Ich hatte nie das Bedürfnis, eine Nico zu sein, die eine nicht minder mythologische Figur als Minotaurus war. Mein Interesse an Spiegeln ist eher in der Welt eines Cocteau oder Fellini zu Hause: als die Schnittstelle zum Jenseits – oder als Erinnerung, dass jede Reflexion auch eine Form von Religion ist. Wenn ich mich nach meinen eigenen Kriterien weiterentwickle, dann tue ich das immer mit Hilfe von Spiegeln, um – wie Alice – zu entdecken, dass alles das Gleiche ist, nur seitenverkehrt. Und das alles, was uns als schön erscheint, am Ende hässlich ist. Hallo Nico.
Als Künstler bist du gezwungen, deine Kunst von Außenstehenden beurteilen zu lassen. Haben Urteile von Dritten, die keine Künstler sind, überhaupt einen Wert für dich?
Wobei Künstler die schlimmsten Kritiker sind. Ich führe ein bemerkenswert abgeschirmtes Leben. Ich habe einige bewusste Entscheidungen getroffen, wie ich mit 55 leben möchte – wobei sich diese Entscheidungen vermutlich nicht radikal von denen unterscheiden, die ich mit 20 getroffen habe. Ich liebe es, mich in Luft aufzulösen.
In allen Phasen ist deine Arbeit – egal ob Musikaufnahme, Fotografie, Montage – ein demonstrativer Aufschrei. Was müsste passieren, damit dieser Schrei ein Ende findet?
Manchmal sehe ich Linder mit 80 Jahren – und sie schreit noch immer. Ich bin so, wie ich geboren wurde – und wie ich sicher auch sterben werde. Ich meditiere jetzt täglich im Morgengrauen, um diese Stille zu finden. Manchmal mit Erfolg. Der Schrei würde verstummen, wenn die Welt in der Lage wäre, all die aufgetürmten Daunendecken wegzureißen, die mich seit meiner Kindheit zu ersticken suchen.
Es hat immer ein bedrohliches Element in deiner Arbeit gegeben, obwohl du privat sehr umgänglich, freundlich und auch außergewöhnlich witzig bist. Ist Kunst nichts anderes als die Libertinage, sich von allen Verpflichtungen zu befreien, damit wir wahllos Kleckse an die Wand pinseln können? Ist es mehr als dein privates Graffito?
(Die Musikerin) Patti Palladin sagte einmal, ich klinge wie Julie Andrews – was ich als größtmögliches Kompliment empfand. Man nenne mich Maria. Nein, sollte es irgendwelche „unterschwelligen Drohungen“ in meiner Arbeit geben, dann führen sie ihr eigenes Leben. Wenn Künstler sich bemühen, ihr Publikum zu verstören, scheitern sie kläglich – Goya und Gina Pane ausgenommen. Der australische Kunstkritiker Robert Hughes schrieb einmal, dass der Niedergang der amerikanischen Kunst-Schulen in den Sechzigern dadurch begann, dass sie den Schülern nahelegten, „sich selbst auszudrücken“. „Und in diesem Fach“, so schrieb er mit seinem knochentrockenen Humor, „konnte natürlich niemand durchfallen.“
Für mich bedeutet Kunst, eine persönliche Erfahrung in eine universelle Wahrheit zu transformieren – den Gang zum Laden an der Ecke in eine kosmische Reise zu verwandeln. Und in diesem Punkt hast du mich nie enttäuscht: „Loafing oafs in all-night chemists“ (aus Morrisseys Song „Now My Heart Is Full“).
Ich glaube, dass Kunst ein Wunder ist, und ich fühle in diesen seltenen Momenten eine ungeheuere Erleichterung, dass jemand alle Teile richtig zusammengesetzt hat. Aber wie lässt es sich vermeiden, dabei die Arbeit eines anderen zu kopieren? Letztendlich arbeiten wir alle mit den gleichen Worten, den gleichen Materialien.
Ich habe immer mit Materialien gearbeitet, die ich gefunden habe: ein Foto, eine Zeitschrift, eine Szene aus einem Film, mich selbst. Wenn dann der kreative Teil beginnt, bin ich gerne eine glückliche Diebin. Der Kunstgriff besteht darin, dem Bekannten ein neues Gesicht zu geben. Ich gebe dem Offensichtlichen eine verloren gegangene Dimension zurück. Was mich zu dem Phänomen des Wortspiels bringt, das in meiner Arbeit eine zentrale Rolle spielt: Ich blättere durch ein etymologisches Wörterbuch mit den gleichen zittrigen Fingern, den gleichen weit aufgerissenen Augen wie ein Schuljunge bei der Lektüre eines Porno-Hefts.
Kunst ist auch die Maßlosigkeit dessen, der sich in seiner Kunst völlig verliert. Oder nicht? Ich denke, dass Maßlosigkeit einerseits unvermeidlich ist. Andererseits gibt es Momente, wo man mitten in seinem Schwung innehält und sich die bange Frage stellt, ob man nicht vielleicht doch etwas plemplem ist.
Nicht ganz sauber zu ticken gehört zur Grundausstattung eines jeden Künstlers, der diesen Namen verdient hat. Die meisten Künstler, die ich wirklich verehre, hatten eigentlich komplett das Rad ab. Anders gesagt: Sie mussten sich als komplette Idioten präsentieren, um in einer übersättigten und abgestumpften Welt überhaupt noch Gehör zu finden. Nimm nur Sun Ra: Selbst die Fahrer des Krankenwagens, die ihn abholten, waren davon überzeugt, dass er vom Saturn stammen würde. Joseph Beuys schmierte fettigen Filz in die Galerien … Die meisten Künstler sollten unfähig sein, eine normale Anstellung zu finden. Der Künstler ist letztlich der Dorftrottel, den man nun aber für die Rolle des Superman castet.
Fühlst du dich als Bestandteil deiner Kunst, weil du – nun ja – selbst Kunst bist? Leigh Bowery setzte sich einmal für Stunden hinter eine Glasscheibe, er selbst war das Objekt, und das Publikum stand in langen Schlangen und machte sich eifrig Notizen. Würdest du so weit gehen in dem Kult des kreativen Selbst – oder trittst du lieber einen Schritt zur Seite?
Ich habe mich selbst immer als eines der Objekte verstanden, die mir in die Hände fallen.
In deinen Selbst-Porträts verdeckst du grundsätzlich deinen Mund, entweder mit Blumen, mit ausgeschnittenen Mündern anderer Menschen oder mit Küchenutensilien. Warum versteckst du deinen Mund, wo er doch eines der zentralen Organe deiner Person ist?
Der Mund kann dich in zweierlei Hinsicht täuschen: durch das, was reingeht – und durch das, was rauskommt. Ich bin keine Quasselstrippe, beiße mir aber auch nicht auf die Lippen. Im Laufe der Zeit habe ich das Interesse am Sprechen mehr und mehr verloren. Und die Anzahl der Menschen, denen ich meine schrumpfenden Wort-Kollektionen präsentieren möchte, ist ebenfalls kontinuierlich kleiner geworden. Mein innerer Monolog ist Beschäftigung genug. Du hast einmal gesagt, du habest das Gefühl, schon alles gelesen zu haben. Ich habe das Gefühl, alles gesagt und gehört zu haben. Ich bin dankbar für jede leere Seite. Und ein immer wiederkehrendes Motiv meiner Arbeit ist die Tatsache, dass Frauen nun mal mehr als nur zwei Lippen haben.
Die Gefühle der Menschen sind immer stärker als das, was sie letztlich der Welt gegenüber zum Ausdruck bringen. Die Sehnsucht hat einen längeren Atem als die Befriedigung. Warum sind wir nicht in der Lage, es alles rauszulassen?
Aus dem guten Grunde, dass wir – koste es, was es wolle – alles in uns festhalten müssen. Gelungene Kunst ist noch nie dadurch entstanden, dass man nackt durch die Halle läuft und alles raushängen lässt. Der Künstler muss immer versuchen, zwei Dinge in Einklang zu bringen: den Versuch, sich sein Stück vom Glück abzuschneiden – und die Ernüchterung, mit diesem Versuch immer wieder auf die Nase zu fallen. Wie gerade du, der Fürst des Widerspruchs, nur zu gut weißt, gibt es einen Moment der ekstatischen Frustration, der der Inspiration durchaus nahe kommt. Es geht letztlich um die Kontrolle über das Material, das man benutzt. Wer sich selbst in seiner künstlerischen Nische einlullt, kann auch gleich Muscheln auf Teekannen kleben.
Was die Sexualität angeht, ist das menschliche Bewusstsein erschreckend limitiert. Wann immer Sexualität in der modernen Kunst thematisiert wird, wird es als originelle Schweinerei abgetan. Seit ihren Anfängen lebt die Popmusik davon, eine artifizielle Sexualität zu suggerieren. Warum ist Sexualität für die Menschheit eine derartige Last? Pferde brauchen nicht das Kamasutra oder „The Joy of Sex“. Können wir uns darauf verständigen, dass die Menschen – sexuell gesehen – ein faszinierendes Häuflein Elend sind?
Ich komme aus einer frostigeren Zeit, in der ein Mann seinen Weg durch fünf Schichten von Unterwäsche kämpfen musste, um einen Blick auf das sündige Fleisch zu erhaschen, das ihm am Ende dann doch versagt blieb. Die doppelbödige sexuelle Welt der Sechziger – vor Fitness-Centern, Sonnenbetten und Ironie – prägte Menschen wie mich, die sich bei Nacht und Nebel durch ihre Pubertät pirschen mussten. Das ultimative Mysterium entpuppte sich dann als so profan wie ein Küchenquirl, nur weniger praktisch. Aber wie heißt es so trefflich in deinem Song: „Amid concrete and clay and general decay, nature must still find a way …“ (aus dem The Smiths-Song „Stretch Out And Wait“).
Du hast dein Leben lang für deine Arbeit gelebt. Und da ich davon überzeugt bin, dass man in der Kunst gar keine Wahl hat – wir beschließen nicht, Sänger zu werden, sondern stellen eines Tages fest, dass wir Sänger sind -, stellt sich die Frage, ob dein Leben ohne die Kunst nicht einfacher verlaufen wäre.
Nun, ich denke, ich habe Keats und Yeats auf meiner Seite. Ich glaube, Letzterer schrieb, dass man gezwungen ist, „zwischen Perfektion im Leben oder in der Arbeit zu wählen“. Ich habe nie davon geträumt, eine Sprinkleranlage für meinen Rasen zu besitzen.
Du lebst zurückgezogen im Norden Englands, obwohl deine Arbeiten eher zu einem Ort wie Berlin passen würden. Es geht bei dir immer ums Sich-Öffnen und ums Sich-Eingraben …
Wie du dich vielleicht erinnerst, wuchs man in den Sechzigern hier mit einer immanenten Furcht auf. Das hatte sicher noch mit der Erinnerung an den Krieg zu tun, zum Teil auch mit der Tatsache, dass das Leben in dieser Gegend nicht gerade ein Zuckerschlecken war. Ich wuchs in einem Haus auf, in dem Aberglaube auf der Tagesordnung stand: dass Lachen in Weinen umschlagen würde, dass man bei einem Gewitter die Spiegel an der Wand umdrehen müsse, dass ein Fremder anrufen würde, wenn man ein Messer zu Boden fallen lässt. Es ist eine Poesie in diesem Aberglauben, die mich noch immer beschäftigt. Meine Mutter lehrte mich, dass es besser sei aufzufallen, als stillschweigend übergangen zu werden.
Ich denke, dass auch Punk eine wichtige Rolle spielte – vor allem in Manchester, weit weg von den Laufstegen in London, wo es viel leichter war, ein Punk zu sein. Rückblickend waren die Ideen und Impulse, die damals hier – und du weißt das auch, weil du selbst hier gelebt hast – im Überfluss gehandelt wurden, die beste Erziehung in intellektueller Fantasie. Nicht dass man diese Bezeichnung damals verwendet hätte, aber die Tatsache bleibt, dass Leute wie du, Howard Devoto und Pete Shelley außergewöhnlich smart waren. Alle fanden andere Ansätze, um zu sagen: „Ja, aber …“ Es hatte weniger mit Talent als mit Genie zu tun: Da waren Musiker und Sänger, die aber die Augen und das Hirn eines Schriftstellers hatten. Heute gibt es Jungs mit riesigen … Plattensammlungen, die mich als Manchesters Muse bezeichnen. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Aber ihr wart auch Musen für mich.
Du hattest Phasen, wo du dich willentlich flachbrüstig zeigtest. Dankenswerterweise bist du in jüngster Zeit, nicht zuletzt bei deinen Selbst-Porträts, dazu übergegangen, deine respektablen Frontscheinwerfer nicht mehr zu verstecken. Sind Titten eine Tortur?
Wahrscheinlich werde ich 70 sein, bis ich meinen ganzen Ausschnitt der Weltöffentlichkeit präsentiere. Erinnerst du dich, dass ich V-Pullover rückwärts trug? Als junge Frau in den Siebzigern träumte ich davon, flachbrüstig zu sein – ohne BH, befreit, sicher und gut versteckt in einem Pulli. Während ich natürlich prompt 80C-Cups tragen musste und viel zu viel Lippenstift auftrug, als ich später zu feministischen Veranstaltungen in Manchester ging. Das Recht auf freie Wahl, das eine Frau hat.
Ein Song ist im Vergleich zu einem Kunstwerk an der Wand viel realer, weil wir den Song sofort selbst singen können, während wir nie ein Kunstwerk werden. Musiker demaskieren sich eher aus Versehen in ihrem Song, während ein Maler sich ganz bewusst darstellt. Hat das vielleicht damit zu tun, dass bildende Künstler davon ausgehen, dass ihre Botschaft von den meisten Menschen eh nicht verstanden wird? Und wäre es snobistisch, aus dieser Distanziertheit einen Lustgewinn zu beziehen?
Wie unser Oscar (Wilde) einmal bemerkte: „Das Ziel eines Künstlers ist es, Kunst zu enthüllen und sich selbst zu verhüllen.“ Das gilt für die Gegenstände in einer Galerie, trifft aber manchmal auch auf Sänger zu. Johnny Ray beispielsweise trug immer eine Maske, auch wenn sie ihm oft nicht zu passen schien. Die Sängerinnen, die ich schätze, haben da ein viel ausgeprägteres Selbstbewusstsein: Urszula Dudziak, Yma Sumac, Norma Winstone, Anette Peacock. Der wirkliche Unterschied ist doch der, dass Künstler – anders als Sänger – nie Applaus zu hören bekommen.
Würdest du mir zustimmen, dass wir bei Leuten, die wir bewundern, Exzentrik als eine positive Qualität empfinden, während wir sie bei Leuten, die wir nicht mögen, als abstoßende Marotte abtun?
Ich habe für „die schillernden Charaktere“ nie viel übrig gehabt. Allzu oft bedeutet „exzentrisch“ nichts anderes als „langweiliger alter Furz“. Man braucht viel Talent, um Exzentrik in Charme umzuwandeln.
Wenn Live-Musik die stärkste Kunstform ist, weil sie Klang, Worte, Körperlichkeit, Bewegung, Stil, Sex, Tanz und die direkte Reaktion des Publikums in sich vereint: Akzeptierst du damit im Umkehrschluss die Limitierungen, die eine Kunstausstellung in einer kalten Kölner Museumshalle mit sich bringt?
Kann Seurat jemals zu Sinatra aufschließen – oder Monet zu Morrissey? Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube, dass sie beide die Möglichkeit haben, sich zu ihrer Bestimmung emporzuschwingen. Kunst dreht sich immer um das Leben. Wenn sie sich nur um sich selbst dreht, verkümmert und stirbt sie im Handumdrehen.
Wenn du abzuwägen hättest, was in deinem Leben den gewichtigeren Anteil hat: das, was du in deinem Inneren findest – oder das, was aus der Außenwelt stammt: Was würdest du als wichtigere Quelle bezeichnen?
Am Tag, als ich geboren wurde, kamen alle Engel zusammen und ließen mich in einem Eimer zur Erde hernieder. Auf dem Weg nach unten sah ich Rubine und Diamanten und wundervolle Monster. Ich habe die Erfahrung nie vergessen, und heute zählen einige der Monster zu meinen besten Freunden. Die Rubine und Diamanten? Wir haben sie verkauft, haben das Geld aufgeteilt – und wenn wir nicht gestorben sind, leben wir noch heute.
„The Darktown Cakewalk Diary“, Linders 13-stündige Performance, wird am 10. Juli noch einmal in der Londoner Chisenhale Gallery aufgeführt. Siehe: www.cteditions.posterous.com