Lily Allen lehrt uns, dass manchmal einfach andere schuld sind

Wie deutlich dürfen wir mit dem Finger auf andere zeigen? Lily Allen hat es vorgemacht.

Es ist eine Frage, die vor allem Frauen häufig stellen: Liegt es an mir? Sobald etwas schiefgeht oder uns jemand ablehnt, kommen die Selbstzweifel. Und grundsätzlich ist es ja eine gute Idee, sich zu hinterfragen und an den eigenen Fehlern zu arbeiten, obwohl „an sich arbeiten“ nervig und unbequem klingt. Manchmal ist es allerdings auch befreiend zu sagen: No way, ihr macht uns das Leben schwer, wir können nichts dafür! Alle anderen sind schuld! Besonders wenn es stimmt.

Insofern war es 2009 ein großer Spaß mitanzusehen, wie Lily Allen, damals 24, sich dagegen wehrte, die zerknirschte Büßerin zu geben. Sie hatte Depressionen, eine Fehlgeburt, betrunkene Nacktfotos und eine fiese Trennung hinter sich, sie litt unter dem überkritischen Blick der Öffentlichkeit: Bin ich zu laut? Zu dick? Zu fordernd? Sie entschied: Nein, nein, nein. „It’s Not Me, It’s You“ hieß konsequenterweise das Album mit den herrlich überkandidelten, bissigen Popsongs, die man heute „Empowering“ nennen würde.

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Es geht gleich los mit „Everyone’s At It“ und der nüchternen Feststellung, dass (zumindest in Lilys Umfeld) alle Drogen nehmen, auf die eine oder andere Art. Solange wir das nicht zugeben, wird sich daran nichts ändern: „From grown politicians to young adolescents/ Prescribing themselves antidepressants …/ The kids are in danger, they’re all getting habits/ ’Cause from what I can see, everyone’s at it.“

Lily Allen

Und warum ist die Betäubung nötig, wieso halten wir den Alltag ohne ein bisschen chemische (oder wenigstens pflanzliche) Unterstützung kaum aus? Das beantwortet sie in „The Fear“. Es liegt unter anderem an unserer oberflächlichen, konsumgeilen Welt. Da schließt sie sich schon selbst mit ein, sie wolle auch „loads of clothes and fuckloads of diamonds“, so seien wir nun mal programmiert. „Weapons of massive consumption.“ Dass sie diese brutalen Erkenntnisse in zuckersüße, sehr anhängliche Melodien verpackt und sie so niedlich singt, macht alles schlimmer. Unterschwellig ist viel Aggression zu spüren, und natürlich fällt das Resümee zynisch aus: „Now I’m not a saint, but I’m not a sinner/ And everything’s cool as long as I’m getting thinner.“

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Manchmal, wie im nicht sehr subtilen „Fuck You“, packt sie der Zorn so sehr, dass sie zur Moralapostelin wird, aber warum auch nicht? Es geht um Bigotterie und stumpfen Hass, solche Leute kann Lily Allen nicht ertragen. Das Highlight des offenherzigen Fingerzeigens ist jedoch „Not Fair“. Als ich den Song zum ersten Mal hörte, musste ich laut lachen. Sie beschreibt einen Typen, der 15-mal am Tag anruft und fragt, ob es ihr gut geht – einen Kümmerer mit etlichen anderen Vorzügen, eigentlich der perfekte Freund. Es gibt nur ein Problem: Im Schlafzimmer bereitet er ihr keine Freude. Sie bemüht sich und geht in Vorleistung („I’m feeling pretty damn hard done by/ I spent ages giving head“), doch von ihm kommt kein entsprechendes Engagement zurück: „It’s not fair and I think you’re really mean …/ Oh, you’re supposed to care/ But you never make me scream!“ Sie fragt sich, ob sie vielleicht überreagiert.

Sollte sie sich zufriedengeben mit wenig – statt mehr zu wollen? Wer Lily Allen kennt, weiß die Antwort. Sie gilt fürs ganze Leben, nicht nur fürs Bett.

Dieser Text erschien zuerst als Teil der Kolumne „Birgit Fuß fragt sich durch“. Weitere Folgen lesen Sie HIER.

Mark Metcalfe Getty Images
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