Lernen auf der Straße
MARK CIRINO und sein Roman „Arizona Blues"
Auch in den USA schreiben junge Menschen Popliteratur, nur macht man nicht so viel Gewese darum, weil es sie dort schon immer gab, seit es Popliteratur gab, das heißt seit den Fünfzigern und den „Beats“. Mark Cirino, Jahrgang 1971, so etwas wie die große weiße Hoffnung des Genres, hat zwei von der Kritik sehr gelobte Romane veröffentlicht und darf schon in Manhattan Creative wntmg unterrichten. So unverkrampft geht das da.
„Arizona Blues“ (Rogner SL Bernhard bei 2001, 326 S., 33 Mark), sein zweites Buch, ist gerade auf deutsch erschienen und erfüllt die Gattungsvorgaben, wie man es sich nur wünschen kann. Viel Musik wird hier zitiert, zumeist die Klassiker: Stones, Velvet Underground, Van Morrison. Auch scheut sich Cirino nicht, die altbekannten Stereotypen und Standardsituationen der amerikanischen Kultur noch einmal fruchtbar zu machen, etwa die Reise durch die Staaten zum Zwecke der Selbstfindung. Und vor allem liefert er Empirie, viel Empirie.
„Die kleinen Erfahrungen, die man unterwegs nebenbei macht, sind es, die man sich merken sollte“, schärft uns Clay ein, der Ich-Erzähler und Front man einer New Yorker Bluesrock-Band. „Nicht den trivialen Quatsch, den sie dir auf der Uni erzählen. Mein Ziel ist es, mir die Weisheit der ganzen Welt zunutze zu machen. Genau. Eines Tages werde ich ein Meisterschüler dessen sein, was man auf der Straße lernt“
Um Weltwissen und nur darum geht es auch Cirino. Wie sein Alter ego, dieser moderne Spinozist und Mystiker in einem, feiert er das Dasein in dessen alltäglichen Facetten mit liebevollen, expressiven Detailbeschreibungen.
Wer so engagiert das Leben auf diesem unvollkommenen Planeten verteidigt, auch wenn er Leid und Trauer keineswegs ausspart, ist im Grunde seines Herzens ein Konservativer. Und ein nachgerade archetypischer, uramerikanischer und in dieser menschenfreundlichen Liberalität nicht mal so unsympathischer Konservativismus spiegelt sich denn auch im Inhalt von „Arizona Blues“ wider.
Clay sitzt an seinem 27. Geburtstag allein in einer Bar und lässt das letzte Jahre Revue passieren: den Geburtstag davor, den er mit Groupie Molly und einer Prise Koks in einer dunklen Seitenstraße verbringt; den brutalen Überfall ihres eifersüchtigen Redneck-Lovers, der nach einem grandiosen Konzert der Band den Falschen absticht, nämlich Clays besten Freund; schließlich Clays Flucht quer durch die Staaten nach Arizona, wo er Shana kennenlernt und sesshaft wird. Statt für den Exzess entscheidet er sich für das einfache Leben.
Aber Cirino ist glücklicherweise New Yorker genug und verkauft diese doch ein wenig simple und wohlfeile Moral nicht gleich als allein seligmachendes Heilsbekenntnis.