LEONARD COHEN
Vor exakt vier Jahren zog er den großen Strich: Cohen wurde Mönch. Im „Mount Baldy Zen Centre“, 80 Kilometer südlich von LA, vertieft sich der 63jährige Kanadier seither in Zen-Philosophie und die eigenen Schriften. „More Best Of“, die jüngste Compilation, beinhaltet immerhin zwei neue Songs, die er in diesen vier Jahren schrieb.
Elegant gekleidet wie immer, Zigarette und Scotch nach wie vor aufgeschlossen, treffen wir Cohen bei einer seiner sporadischen Exkursionen in die vermeintliche Zivilisation.
Was denkt jemand, der aus philosophischer Distanz auf 30 Jahre Musikgeschäft zurückblicken kann?
Erfolg, so unbeständig er war, habe ich stets als Gnade empfunden. Ich hatte das Glück, mit dem einen Postulat, das ich zu Beginn des Spiels aufgestellt hatte, nicht an der Realität zu scheitern: Ich wollte für meine Arbeit bezahlt werden – nicht aber für Geld arbeiten.
Was hältst Du von den jungen Musikern, die Dich geradezu vergöttern?
Ich hör kaum noch Musik – dort oben gibt’s nicht mal einen Plattenspieler. Aber es haut mich immer um, wenn jemand meine Songs covert. Ich habe nie kapiert, warum überhaupt Menschen meine Musik mögen. Die eigene Kritikfähigkeit geht dann sehr schnell über Bord. Nein, ich bin dankbar und fühle mich geehrt, daß meine Arbeit so etwas wie einen funktionellen Wert hat.
In einem Cobain-Song heißt es: „Give me a Leonard-Cohen-afterworld/ So I can sigh eternally“. Wie geht man mit derartiger Vergötterung um?
1993, bei meinem Konzert in Seattle, kamen die anderen Jungs von Nirvana hinter die Bühne. Als ich dann von seinem Selbstmord hörte… ich wünschte mir, daß er auch gekommen wäre, daß ich mit ihm hätte sprechen können. Junge Leute, die mit ihrem Leben in eine Sackgasse geraten, kommen oft zu uns ins Kloster. Es gibt unorthodoxe Wege jenseits der herkömmlichen Psychotherapie, um mit ihnen einen Dialog aufzubauen. Nicht, daß ich selbst etwas hätte bewegen können! Aber es ist einer dieser Fälle, wo man sich fragt: „Was wäre, wenn….?“
Du hältst also nichts von Dylans Credo „Nur weil dir meine Musik etwas bedeutet, heißt das nicht, daß ich für dein Leben verantwortlich bin“?
Im Gegenteil. Diese Menschen haben mir mein Leben geschenkt. Es mag vielleicht ein bescheidenes Leben sein, aber immerhin konnte ich meine Kinder auf eine vernünftige Schule schicken, immerhin darf ich dieses unbeschwerte, sorglose Leben führen. So zumindest sieht es nach außen hin aus – über meine privaten Krisen wollen wir hier ja nicht reden. Ich hatte nie das Talent zum Rotzlöffel, nie die Veranlagung dazu, undankbar gegenüber jenen zu sein, die meine Platten kaufen und meine Konzerte besuchen.
Gab es im Unterbewußtsein nie den heimlichen Wunsch, sich einen Irokesen-Schnitt zuzulegen und kopfüber ins Publikum zu springen?
Nein, obwohl ich mich gern daran erinnere, wie ich diesen dürren, wunderschönen Menschen kennenlernte, der genau das tat – Iggy Pop. Don Was, der gerade sein Album produzierte, brachte ihn zu mir nach Hause. Zufälligerweise drückte uns jemand eine Heiratsanzeige aus einer Zeitung in die Hand: „Gesucht! Ein Mann mit der moralischen Integrität von Leonard Cohen und dem Mumm von Iggy Pop.“ Don machte ein Foto von uns, mit dem wir uns bei der Dame bewarben. Sie hat uns einen rührenden Brief geschrieben.
Bevor Du in Kalifornien seßhaft wurdest, hast Du lange in Griechenland gelebt. Brauchst Du die Sonne?
Ich komme aus Montreal, wo sieben Monate im Jahr Winter ist Wenn man dann nach draußen in die Sonne geht, wird man mit der Nase darauf gestoßen, daß dieser Kosmos auch sein Positives hat. Obendrein sieht man braungebrannt besser aus.
Auch wenn’s ungesund ist? Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, zuckt man nur noch mit den Schultern. Vor ein paar Jahren, als ich’s gerade mit Prozac probierte, hörte ich zufällig, daß unorthodoxe Psycho-Gurus ihren Patienten Amphetamine gegen Depressionen verschrieben. Ich sagte zu meinem Doktor: „Na, wie wär’s mit ein bißchen Speed?“ Er sagte: „Es macht abhängig.“ Und ich: „Na und? Meinen Sie, ich laufe Gefahr, auf die Straße zu gehen und ’ne Tankstelle in die Luft zu jagen?“ Was hat Prozac bewirkt? Prozac gab mir Boden unter den Füßen, zog über dem Kopf aber auch eine Decke ein – während mich Paxil wiederum gnadenlos aufputschte. Letztlich hab ich’s geschafft, ohne Pharma-Krücken klarzukommen. Ab und zu nehm ich noch Speed – und bin super drauf. Am effizientesten aber ist Meditation, dieses intime Zusammensein mit dir selbst. Es ist wie gemacht für mich.
Und gleich noch eine indiskrete Frage: Was macht Dein Liebesleben?
Hmm. Das Kloster ist nicht gerade prädestiniert für ein ausuferndes Liebesleben – auch wenn es dort attraktive Frauen in Hülle und Fülle gibt! Aber ich bin in diesem Punkt nicht gerade übermäßig aktiv.
Sondern schreibst statt dessen sublime Songs…
An einem Text arbeite ich schon seit Jahren. Ich hab 30 oder 40 Verse, finde aber kein Ende: „I’m turning tricks, I’m getting fixed/ I’m back on Boogie Street/ I’d like to quit the business/ But I’m lazy and I’m weak/ The thought of you is fragant, the loss of you complete/ There’s nothing but a scratch or two/ A thousand kisses deep.“
Hey, das ist gut! Wieso machst Du da nichts draus?
Ich könnt’s versuchen. Aber ich schlag mich auch so schon durch.