Lenin – McCartney
In den Sixties im DDR-Twist-Keller, heute beim Heavy-Festival: Die Sputniks, einst als "Beatles des Ostens" gefeiert, sind zurück
Doch, die Sputniks waren eine der ganz großen Überraschungen der vergangenen Saison. Muß man nur die 35 000 Zuschauer fragen, die dabeiwaren, down in Wacken im August, bei diesem riesenhaften Metal-Festival, als die Sputniks zur Primetime die Bühne enterten. Unangekündigt. Wobei den meisten der Metalfans der Name der Berliner Band sowieso kaum etwas gesagt hätte, vorher, was der Begeisterung während des Auftritts aber keinen Abbruch tat. Ein klein wenig Sputniks-Mania, als sie die Masse rockten. Sie machten es im bewährten Gitarren-Twang. Im Osten sagte man früher „Big Beat“ dazu. Manchmal muß die Musikgeschichte einfach neu geschrieben werden.
Für etwas historische Gerechtigkeit. Rückblende: Ostberlin, Anfang der 60er Jahre. Im Treptower Twist-Keller werden die Gitarren gewetzt. 200 Leute sind ins Gewölbe geklemmt, schwitzen, und draußen lungern die vielen Hunderte, die’s wieder nicht nach drinnen geschafft haben. Auf der Bühne die Sputniks, das Franke-Echo-Quintett und viele weitere Bands. Und nicht nur da. Überall in der sozialistischen Republik wird gerockt. Man braucht zwar die sogenannte „Musikerpappe“, um überhaupt auftreten zu dürfen, und auch an die 60/40-Regel (also höchstens 40 Prozent Lieder aus dem Westen im Repertoire) sollte sich eine Band schon halten. Es stand immer ein mißgünstiger Zeitgenosse mit im Saal, der vielleicht petzen wollte.
Aber ansonsten ging da durchaus was. Auch die DDR beteiligte sich begeistert an der großen Internationale der Beatmusik. Man machte es mit dem im Staate üblichen Talent zur Improvisation, auch beim Beschaffen der Instrumente. „Wir hatten nur selbstgebasteltes Zeug“, sagt Henry Kotowski, Jahrgang 1944, der mit den Sputniks schon den Swing im Leben suchte., Als Musiker hatte man ein paar Freiheiten mehr. Und hat auch besser verdient.“
„Beatles des Ostens“ wurden die Sputniks genannt. Musikalisch ein krummer Vergleich, da lagen die Shadows mit ihrem Gitarrensound wesentlich näher. Es war der Erfolg, der den Ehrentitel rechtfertigte. Kreischende Mädchen bei den Auftritten und begeisterte Massen, die bei Gala-Konzerten die nach der Band folgenden Künstler einfach niedergeschrien haben. Eine wirkliche Sputniks-Mania. Das wurde sogar mal aus dem Berliner Friedrichstadt-Palast live im Fernsehen übertragen.
So hätte das weitergehen können, wenn da nicht in Westberlin bei einem kurzen Auftritt der Rolling Stones die Waldbühne zu Klump geschlagen worden wäre, 1965, und man in der verwirrten DDR nicht überhaupt eine Zügellosigkeit der Jugendlichen befürchtet hätte. Staatsoberhaupt Ulbricht maulte: „Mit der Monotonie des Yeah, Yeah, Yeah sollte man doch Schluß machen.“ So geschah es.
Kurzerhand wurde der heimischen Beat-Bewegung das Genick gebrochen, Bands landesweit verboten. Für mehrere Jahre war Rock in der DDR mausetot. Die Musiker wichen aus in den Jazz, überwinterten im Schlagergeschäft. Henry Kotowski hatte dabei in den 70er Jahren mit „Geh nicht allein“ sogar einmal einen Nummer-eins-Hit. Auch mit den Anfängen der Puhdys ist sein Name eng verknüpft, was aber musikalisch dann nicht zusammenlief. Er arbeitete mit Manfred Krug, mit Klaus Lenz oder mal als Stuntman bei Fernsehproduktionen. 1984 stellte er den Ausreiseantrag und ging nach München, Musik machen.
Ein Jahrzehnt später kehrte Henry Kotowski wieder zurück nach Berlin, um dort dann auch ziemlich bald die Sputniks zu reanimieren. Ein Masterplan steckte nicht dahinter und schon gar nicht der Wunsch, eine Ost-Nostalgie zu befriedigen. „Das war ein Zehn-Sekunden-Einfall“, sagt der frühere Schlagzeuger und jetzige Rhythmusgitarrist der Band zur Wiederaufnahme der musikalischen Arbeit.
Nachdem fast 40 Jahre Ruhe um die Sputniks war, will man jetzt einfach versuchen, den Zeh wieder in die Tür zu bekommen, die einmal so richtig weit offen stand. Vor dem Verbot der Band in den 70er Jahren. Damals in der DDR „Daß halt nun auch der ganze Quatsch mit dranhängt“, ist Kotowski dabei eher lästig. „Wir wollen gar kein Politikum daraus machen. Nur zeigen, daß da ’ne Band ist, die spielen will.“ Die Sputniks. The Beat goes on.