Lemmy

Lemmy will einkaufen gehen. In der Hotellobby sitzen zwar viele von weither angereiste Journalisten, die gerne mit ihm über das aktuelle Album „Mi Are Motörhead“ reden würden, aber Lemmy möchte zum Antikhändler um die Ecke, und keiner kann ihn aufhalten. Seinen Kollegen Mikkey Dee und Phil Campbell tut es leid, aber sie kennen ihren „Lern“. Seit 25 Jahren ist er der Chef von Motörhead und der Inbegriff des Rock’n’Roll. Benimmregeln gelten für ihn folglich nicht Als er schließlich wieder auftaucht, ein Glas Cola-Jack Daniel’s in der Hand, wandelt er sich innerhalb weniger Minuten vom nuschelnden Muffel zum freundlichen Kosmopoliten. Auch das ist „Lern“.

Ihr veröffentlicht alle ein, zwei Jahre ein Album, tourt ständig um die Welt. Wirst Du bloß an Interview-Tagen schnell müde?

Man gewöhnt sich an alles. Wir machen es ja schon lange genug. Aber der Musik-Teil macht mir mehr Spaß. Das Songwriting geht bei uns immer ganz fix. Ich schreibe die Texte praktisch, während ich sie im Studio singe. Und bei unserer Musik sind wir uns auch meistens einig.

Werft Ihr manchmal auch Songs weg, weil sie Euch zu sehr an alte erinnern?

Passiert häufiger, ja. Nach so vielen Alben wird es halt immer schwieriger, sich was Neues auszudenken. Andererseits hat man so viel Routine, dass es jedes Mal für eine Platte reicht, die frisch klingt Man baut hier und da etwas Ungewohntes ein, aber im Grunde ist es doch immer Motörhead.- Die Krüppel bleiben, bloß die Rollstühle verändern sich von Zeit zu Zeit Diesmal habt Ihr einen Sex Pistols-Song gecovert. Warum ausgerechnet „God Save The Queen„?

Ich weiß, dass mich diese Frage bald langweilen wird. Aber wahrscheinlich würde ich sie auch stellen. Naja, wir haben halt auch zu der Zeit angefangen, als Punkrock gerade groß wurde. Es hätten aber genauso gut alle möglichen anderen Bands sein können. Wir haben vor kurzem Songs von The Damned aufgenommen, den Stones und Twisted Sister. Aber ich liebe nun mal Steve Jones‘ Gitarre, und der Song ist cool. John Lydon hat sich noch nicht dazu geäußert Er hat einfach nicht zurückgerufen, obwohl wir mehrmals versucht haben, ihn zu kontaktieren. Unhöflicher Typ.

Ist das Cover auch Deine späte Rache an Großbritannien? Als Du wegzogst, hieß es. Du hasst die Insel.

Nein, so nachtragend bin ich nicht Ich bin nach Los Angeles gezogen, weil Amerika für jeden Europäer ein Traum ist Man sieht es eben dauernd im verdammten Fernsehen. Es ist einfach magisch, das erste Mal durch Hollywood zu laufen. Man wundert sich, dass es wirklich existiert Selbst nach zehn Jahren empfinde ich das immer noch so.

Aber die dortige Rockszene ist auch nicht mehr das, was sie mal war, oder?

Es wird langsam wieder besser. Aber die meisten Bands sind Schleimer, die nur in die Charts wollen. Deren Hauptproblem ist doch, dass sie alles glauben, was man ihnen erzählt Ich weiß, dass das alles Lügen sind: wenn sie dir sagen, dass du phantastisch bist aber genauso, wenn sie dir sagen, dass du Mist bist. Bands, die diesen Bullshit kaufen, sind verloren. Bye bye, mehr Platz für mich. Ich höre einfach nicht mehr hin.

Aber manchmal musst Du das doch. Immerhin habt Dir in den vergangenen Jahren bereits mehrfach die Labels gewechselt, weil Ihr oder die Firma unzufrieden wart All der Stress mit den Plattenfirmen ist mir scheißegal. Mich kann man nicht verletzen, und meine Band auch nicht Uns kann man nicht stoppen. Ich will das 50 sehr machen, dass es völlig egal ist, was mir passiert Ich halte durch. Ich hatte nie Zweifel daran, dass es das wert ist Dass das, was ich mache, ein wertvoller Beitrag zur Musikszene ist I don’t give a fuck what anybody says. Im Trend, nicht im Trend, abgebrannt reich – das ist alles egaL Nur die Musik ist wichtig. Wenn es mir ums Geld ginge, hätte ich schon vor zehn Jahren aufgegeben. Wir hatten ewig keinen Hit mehr. Jeder kennt uns, aber wir verkaufen nicht gerade viele Platten. Jammerschade eigentlich, aber ich kann’s nicht ändern.

Welche Rolle spielen denn die anderen beiden in der Band? Für die meisten Leute ist Motörhead ja gleichbedeutend mit Lemmy.

Wenn’s so wäre, könnte ich einfach eine Backing-Band anheuern, wie Ozzy Osbourne. Aber so bin ich nicht, ich will in einer richtigen Band sein. Anfangs wollte man mich tatsächlich zwingen, die Band „Lemmy’s Motörhead“ zu nennen. So einen Scheiß mache ich nicht mit Sechs Monate habe ich gebraucht, um die Company umzustimmen, aber ich habe mich durchgesetzt. Insgesamt ging es damals allerdings noch nicht so sehr ums Geschäft wie heute. Damals war es Spaß mit etwas Biz, heute ist es nur Biz. Macht das Leben als Rockstar nicht mehr so viel Spaß? Leider nicht Jeder will dir den Spaß verderben. Wenn du vögelst ist das schlecht. Wenn du was Gutes isst, ist das schlecht. Wenn du rauchst, ist’s schlecht und wenn du trinkst, sowieso. Was zur Hölle kann ich noch machen? Soll ich Mineralwasser trinken und joggen? Klingt ja nach verdammt viel Spaß, vielen Dank. Ist aber nicht mein Leben. Ich mag keine Karotten. In den USA machst Du Dich mit der ungesunden Attitüde aber doch zum Antichristen. Die Meinung anderer Leute interessiert mich nicht Nur die der Frauen. Außerdem bin ich doch ein gutes Vorbild. Ich lebe noch. Ich beweise, dass man es tun kann: Man kann jeden Tag feiern und damit durchkommen. Ich finde, dass ich ein guter Mensch bin. Mein Einfluss auf die Kids ist sowieso gering. Ich habe nie auch nur ansatzweise etwas getan, was so einige Metal-Heroen heute abziehen. Tipper Gore kann sich also wieder beruhigt hinlegen.

Kannst Du Dir heutzutage noch vorstellen, etwas anderes zu machen?

Solange wir musikalisch machen können, was wir wollen, bin ich zufrieden. Außerdem bin ich inzwischen über 50. Realistisch gesehen ist die Zeit, eine Familie zu gründen und bürgerlich zu werden, für mich einfach vorbei. Also mache ich das Beste aus meiner Situation und rocke weiter, bis ich sterbe.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates