Fünf Bücher, die man lesen muss, um die Liebe zu verstehen
Die Menschen verschlingen Liebesromane. Doch sie sind eher schlechte Ratgeber zum Thema.
Natürlich gibt von Shakespeare bis Murakami viele Beispiele für kluge literarische Gedanken über die Liebe. Wer sich darin vergräbt, wird nicht zwangsläufig zum unverbesserlichen Romantiker, denn viele der größten Liebesgeschichten enden mindestens für einen Protagonisten unglücklich.
Vielleicht bietet es sich auf der Suche nach der großen Liebe deshalb eher an, einen Blick in die eine oder andere theoretische Auseinandersetzungen zu werfen. Hier finden sich einige Lehrbücher, die diesem Lebensthema mit mal mehr und mal weniger großem Aufwand hinterher gespürt sind. Sozusagen als „L’education sentimentale“ (um es mit einem Autor zu sagen, der die Liebe verstanden hat wie kaum ein anderer). Sie alle eint allerdings, dass sie zunächst kaum als Glücksanleitung verstanden werden können. Und doch halten die Bücher einige Tipps fürs Leben parat.
Fünf Bücher, die man lesen muss, um die Liebe zu verstehen
1. Die Kunst des Liebens (Erich Fromm)
Der große Psychoanalytiker Erich Fromm wollte eigentlich nur ein kleines Büchlein schreiben, in dem er die wichtigsten Thesen seines bisherigen Werks („Die Furcht vor der Freiheit“, „Wege aus einer kranken Gesellschaft“) zu verdichten suchte. Daraus wurde einer der größten Bestseller zum Thema, von mehreren Generationen verschlungen, in Universitätsseminaren abwechselnd als hellsichtig gepriesen und esoterisch abgetan.
AmazonFromm geht davon aus, dass man die Fähigkeit zur Liebe erlernen muss, dass sie Selbstliebe zur Bedingung hat und schließlich die Entwicklung der ganzen Persönlichkeit als Voraussetzung des Gelingens dringend benötigt. Mit anderen Worten: Wer sich selbst nicht gefunden hat, findet auch niemanden anderen. Grundpfeiler für die Kunst des Liebens sind für ihn Disziplin, Geduld, Konzentration und produktives Tätigsein. Außerdem glaubte der 1980 verstorbene Humanist daran, dass eine kranke, destruktive Gesellschaft voller Narzissten auch nichts anderes als Liebesunfähige erzeugen kann.
2. Fragmente einer Sprache der Liebe (Roland Barthes)
Noch einer dieser unwahrscheinlichen Bestseller. „Fragmente einer Sprache der Liebe“ erschien 1977 und wurde auf Anhieb nach seinen berühmten „Mythen des Alltags“ zum populärsten Buch des lebenslustigen Semiologen. Mit alphabetisch angeordneten Begriffen und fest an „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe gebunden, schuf Barthes eine Art Lexikon der Liebe und des Gefühls, in dem die Absonderlichkeiten des menschlichen Zusammenlebens und Zusammenfindens scharfsinnig umrissen werden.
AmazonDabei wird natürlich, wie es sich für einen Zeichendeuter gehört, so gut wie jede sprachliche Formel auseinandergenommen, die sich die Verliebten Tag für Tag in die Ohren säuseln. Ausgangspunkt für das Buch sind „Bruchstücke verschiedensten Ursprungs“, wie der Franzose im Vorwort schreibt: persönliche Erfahrungen und Gespräche mit Freunden, philosophische und psychoanalytische Texte und eben Kunst, Musik und Literatur. Die daraus entstandene Montage ergibt ein hinreißendes, wenngleich nicht immer leicht zu lesendes theoretisches Puzzle.
3. Liebe als Passion: Zur Codierung von Intimität (Niklas Luhmann)
Natürlich kann man Niklas Luhmann nicht einfach so lesen auf der Bahnfahrt zur Geliebten in der Ferne. Dafür sind die Sätze des Soziologen und Systemtheoretikers viel zu sperrig. Aber so wie Fromm die sozialpsychologische Dimension der Liebe erkundet und Barthes ihre Wirkweise als Diskurs, veranschaulicht er die Liebe als kommunikativen Code. Auch Luhmann geht unromantisch davon aus, dass die Liebe nicht von alleine kommt – und er stellt sich die Frage, wie man wissen kann, was Liebe ist und was sie von einem verlangt.
AmazonEntscheidend ist dabei, dass die Liebe als Code dazu beiträgt, dass der Einzelne in einem Gefüge aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Erziehung nicht verloren geht, sondern überhaupt erst eine Existenzberechtigung gewinnt. Im luftleeren Raum findet dies natürlich nicht statt; Luhmann analysiert literarische Werke aus vergangenen Jahrhunderten und interessiert sich bevorzugt für Anleitungen zum Lieben. So ist sein wissenschaftlicher Roman selbst zu einer Art Liebesanleitung geworden.
4. Der Konsum der Romantik (Eva Illouz)
Mit „Liebe muss weh tun“ schrieb die israelische Soziologin so etwas wie das Kultbuch der liebeshungrigen, aufgeklärten Generation Y – denn schon mit dem Titel wird das Liebeswirrwarr einer Zeit schmerzhaft auf den Punkt gebracht, in der die Theorie, was romantische Liebe sein könnte und die Praxis, wie mit den in langjährigen Beziehungen auftretenden Problemen umgegangen werden kann, nicht weiter voneinander entfernt sein könnten.
AmazonIhr Grundlagenwerk ist aber „Der Konsum der Romantik: Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus“, in dem facettenreich und mithilfe einer umfangreichen statistischen Erhebung veranschaulicht wird, wie sich die Liebe und die Ökonomie längst gegenseitig beeinflussen. Demnach gibt es keine Romantik mehr, ohne dafür etwas investieren zu müssen. Die amerikanische Praxis des (vermeintlich unschuldigen) Datens, bei dem zuerst in einem Café oder eine Bar etwas getrunken und später dann eine Spritztour im eigenen Wagen gemacht wird, bevor es zur Sache gehen DARF, steht mustergültig für diese nach Illouz längst eingefahrene und größtenteils bedenkliche Dynamik. Die Liebe ist zum bevorzugten Ort des Konsums geworden.
5. Liebe: Warum sie so schwierig ist und wie sie dennoch gelingt (Wilhelm Schmid)
Wilhelm Schmid ist wahrscheinlich der bekannteste Vertreter einer Lebensberatungsphilosophie, die ihre praktischen Tipps für ein gelungenes Leben mit einer leidenschaftlichen Untersuchung gesellschaftlicher und psychologischer Missstände paart. Sein Ratgeber ist natürlich auch eine Art „Kunst des Liebens“, doch sie legt Wert darauf, die Probleme, die zwangsläufig in einer Paarbeziehung auftreten, hinreichend und vor allem ganz praktisch zu thematisieren.
AmazonIn der Reihe der hier aufgeführten Werke mag Schmids Büchlein wohl das zugänglichste sein, was aber auch daran liegt, dass sich der Autor mit viel Humor und Weitsicht bemüht, die großen Themen der Philosophie und Gesellschaftstheorie (Schmid hat über Michel Foucault promoviert) auf ihr manchmal gar nicht so festes Fundament zurückzuführen. Dabei kommt Schmid zur Erkenntnis, dass es vor allem die intensive, vorurteilsfreie Betrachtung des Anderen ist, welche die Liebe am Laufen hält.
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