Legenden der Langeweile
Irgendwann musste es soweit kommen. Nun sind Rockmusik und Popkultur so alt, dass man Ständig Jubiläen ertragen muss, Geburts- und Todestage feiert, dieses und jenes Ereignis hochleben lässt, an das eine bahnbrechende Album und die andere entscheidende Bewegung erinnert wird. 2007 war besonders schlimm.
Im August jährte sich der Todestag von Elvis Presley zum 30. Mal, und weil es im Sommerloch immer wenig zu berichten gibt, nahm sich jeder TV-Sender und jede Zeitung noch mal der altbekannten Geschichte an. Es ist auch zu verlockend, denn Elvis verkörpert alles, was in der Popkultur schiefgehen kann. Er war über die Maßen talentiert, schön und ehrgeizig, endete dann aber einsam, fett und vollgepumpt mit Drogen. Dagegen konnte auch das Jubiläum von Punk nicht anstinken. Zwar wurde „Never Mind The Bollocks“ 30 Jahre alt, erwachsen also, doch Johnny Rotten gab immer noch den quäkenden Rebellen, während er ein gewinnträchtiges Re-Issue vorbereitete und für das „Guitar Hero“-Computerspiel warb. In der Bundesrepublik war 1977 in musikalischer Hinsicht vielleicht ohnehin kein so revolutionäres Jahr, der Durchschnitt hörte lieber „Arriival“ von ABBA Und hatte ganz andere Sorgen. Der deutsche Herbst! Monatelang wurde noch einmal in allen Einzelheiten über die RAF unterrichtet, Stefan Aust legte neue Erkenntnisse vor, Stammheim-Experten, Kriminologen und Angehörige von Opfern gaben sich in Talkshows die Klinke in die Hand. Baader, Meinhof, Ensslin – das sind die wahren Popstars von 1977, scheint es, und ihr „No Future“ war viel radikaler. Das Chaos, das sie anrichteten, wirkt noch heute nach. Die Diskussion um die 68er haben wir deshalb zum Glück schon im Jahr vor dem großen Jubiläum hinter uns gebracht, weil die ja, wenn man geistesschlichte Konservative fragt, schuld sind an der RAF und ungefähr allem, was im modernen Deutschland nicht so gut läuft.
Dabei sah die Welt 1967 noch so vielversprechend aus. Alles über den „Summer of Love“ zeigte Arte bei seinen wochenlangen Hippie-Festspielen, natürlich musste auch “ Sgt. Pepper“ gedacht werden und dem Debüt der Doors – es waren aufregende Zeiten, und die meisten von uns waren nicht dabei, was möglicherweise auch ein Grund ist, warum wir sie so aufregend finden. Während in San Francisco der ROLL1NG STONE gegründet wurde, waren hierzulande die Ofarims länger Nummer eins als die Beatles. Dafür wurde immerhin Boris Becker geboren, was nun zu so schönen Sendungen führte wie „BB – Eine Legende wird 40“.
Der 100. Geburtstag von Astrid Lindgren und Frida Kahlo stand an, die „Gruppe 47“ wurde ebenso bedacht wie 20 Jahre „Appetite For Destruction“ . Es gab eine Jubiläums-Edition von „The Joshua Tree“, und Michael Mittermeier bekam seine Jubel-Show auf Pro7, weil er 1987 zum ersten Mal auf Tour ging. Mehr gab jenes Jahr nicht her, und 1997 war auch nicht so viel los – bis auf den sagenumwobenen Tod von Lady Di natürlich, den deren Söhne stilgerecht im Wembley-Stadion mit Take That und Elton John feierten. Außerdem erschien damals der erste „Harry Potter“, die vielen folgenden Bänden verdarben allerdings die Einzigartigkeit des Ereignisses.
Und 2007? War langweilig. Deshalb mussten wir ja all die Jubiläen feiern.