LEBENS-LIEDER

Am 21. September wird LEONARD COHEN 80 Jahre alt - am selben Tag erscheint das neue Album "Popular Problems". MANFRED MAURENBRECHER würdigt den romantischen Songdichter und einstigen Partisanen der Gegenkultur

WILDER ANFANG

4. Mai 1970. Die Musikhalle in Hamburg ist voller Menschen. Literaturkenner im feinen Stoff sitzen neben langmähnigen Kuttenträgern, hanseatische Kostüm-Damen leihen ihr Opernglas scheuen Minirock-Mädchen, die es an glatzköpfige Denker weiterreichen. Cannabisduft durchweht den Saal, die Ordner stellen ihre Nasen auf verschnupft.

In dieser Zeit strenger Kleider-, Standes- und Kulturordnung ist schon die Mischung des Publikums ein Ereignis. Die Band tritt auf: vier Männer wie aus einem Western, in ihrer Mitte zwei wunderschöne Frauen. Dann stiehlt sich der Sänger mit seiner Gitarre nach vorn, Verbeugung, Jubel, Pfiffe. Erwartung, als wäre die Luft plötzlich hochgebirgsdünn.

Dies ist das zweite Europakonzert des 35-jährigen Leonard Cohen, in seiner kanadischen Heimat als Literat bekannt. Es gibt Romane und Gedichtbände von ihm – und seit ’67 eben auch jene zwei LPs mit Liedern, die ihn schlagartig weltberühmt machten: „So Long, Marianne“,“Bird On The Wire“,“Sisters Of Mercy“ und vor allem „Suzanne“. Jetzt will jeder wissen, was der Mann taugt oder ob er nur ein Produkt ist.

Für mich steht ein Idol auf der Bühne, ich bin vor zwei Tagen 20 geworden und hergetrampt. Ich erinnere mich an die Unsicherheit während des ganzen Konzerts. Cohen, verletzlich, schnell auf Zwischenrufe reagierend, spielt allein mit Gitarre „Und als der Rebbe singt“, ein jiddisches Lied, das ich aus der Schule kenne – hier dargebracht von einem Partisanen der Gegenkultur? Mit meiner Verwunderung bin ich nicht allein. Adrenalin und die verwirrte Offenheit des Sängers bewirken, dass seine eigenen Lieder nicht so traurig klingen wie auf den Platten, nicht so perfekt, eher wie Gedankenanstöße, manchmal auch holprig. Musikalisch wird der Abend gehalten durch Bob Johnston an der Orgel, Cohens Produzenten, der seit ’65 auch Dylan betreut. Staunend gestehe ich mir ein, wie bodenständig diese Legende wirkt.

Von den Musikern wird der Mann in der Bühnenmitte liebevoll wie ein hochbegabtes, schwieriges Kind behandelt – auch mir, für den er alt ist mit seinen Mitte 30, kommt er ziemlich bizarr vor. So möchte ich werden. Das trau ich mich nie. „Please, Don’t Pass Me By“ ist die Zugabe, eine 15-minütige Bettleroper, Anekdotenflut, Flehen, Verspotten, Flirten und kalt Davongehen darin, eine Bühnenimprovisation, die den absoluten Willen dieses Nicht-Bühnenmenschen offenbart, seine inneren Kräfte gegen die eigene Verklemmung öffentlich freizulassen. Uns Zuhörer zu berühren – nicht durch Kunstfertiges, sondern mit Rückhaltlosigkeit. Mit einem Geheimnis, das in der Existenz selbst liegt und das sich dem Sänger noch nicht gezeigt hat, er greift nur danach. Lässt uns mit danach greifen.

Ein Höhepunkt des Abends ist ganz unmusikalisch. Er sei ja Jude, sagt Cohen, und heute zum ersten Mal hier in Deutschland. Und wir alle jung. Nur um zu zeigen, dass wir ganz andere wären als die Nazis, dass das hinter uns liege, sollten wir alle mal „Heil Hitler“ rufen, das müsste doch möglich sein. Klammes Schweigen, einzelnes Kichern, sonst nichts. Ich weiß nicht, ob Cohen dann (wie manche erzählen) den Gruß selbst gerufen hat. Wie vor den Kopf geschlagen war ich. Mit einer Radikalität konfrontiert, die mich bedrohte. Die ich im Lauf der Jahrzehnte etwas besser begriff, mit jedem Album aus neuen/alten Ideen des singenden Dichters mehr.

Eine Anekdote noch. Charlie Daniels, Südstaatler und meisterhafter Saitenvirtuose in der Band, soll im Berliner Sportpalast ’72 bei einer ähnlich provozierenden Ansage („Wollt ihr den totalen Krieg?“) dem Bandleader Johnston zugeflüstert haben: „Ich gehe. Die kommen gleich auf die Bühne. Die schießen noch auf uns.“ Johnston flüsterte zurück: „Du bleibst. Wenn die schießen, dann auf Lenny. Uns werden sie nichts tun.“

FEUER, KRIEG, WEITES FELD

Seit Cohen Ende der Sechziger Konzerte gab statt Lesungen – was anfangs für ihn nur die leichtere Art war, an Geld zu kommen -, ist er als Schmusepoet und Hippie-Freigeist begrüßt worden. Er gab sich sexuell offen, anfangs auch gern ein bisschen (salon)revolutionär. Für uns Jugendliche waren seine Platten der Sound einer stillen erotischen Revolte, und später haben sich Heerscharen von schmucken Paaren zu Ohrwürmern wie „Dance Me To The End Of Love“ oder „I’m Your Man“ schöne Augen gemacht. Joni Mitchell hat einmal gespottet, Cohen besäße zumindest das Patent auf den Ausdruck „naked body“, der käme in jedem seiner Lieder vor.

Ohne diese Fähigkeit, wunderschöne Melodien zu erfinden und gängig, auch massenfreundlich zu klingen, wäre er vielleicht schnell wieder verschwunden – anders gesagt: Wer solch eine Stimme hat, muss einfach schreiben und singen, was mit Liebe zu tun hat.

Aber schon, dass er sich über die eigene Libertinage und das Rebellentum lustig machte (in „Field Commander Cohen“ z.B. erzählt er von seinen kümmerlichen Heldentaten auf Kuba während der Revolution dort), unterschied ihn von den angesagten Protestlern jener Tage. Er war älter und gründlicher. Verzweifelter. Gebildeter auch. Der Wunsch nach Freiheit: „to be free“ (aus „Bird On The Wire“) ist nur ein Durchgang auf dem Weg zum Geheimnis. Als Schreibender ließ Cohen nie locker – zu jedem veröffentlichten Lied gibt es zahlreiche Vorstufen, Gestrichenes, Überschriebenes, akribisch gesammelt und später in einer Art digitaler Werkschau der Öffentlichkeit vorgelegt. Wer so arbeitet, ist nie „frei“. Motive aus frühen Texten werden noch nach 30 Jahren verwertet. Harte, lebenslange Arbeit ist so eine Suche.

Auf Seite 2 von Cohens erstem Roman,’59 veröffentlicht, steht: „Eine Wunde ist, was sich ereignet, wenn das Wort Fleisch wird.“ Schöpfung: Sind alle Verletzungen also in einer Schrift vorgezeichnet? Am Ende dieses (streckenweise sehr komischen) Romans „The Favourite Game“ brennt für die Hauptfigur alles Erzählte in einem visionären Moment lichterloh: „Tausend schattenhafte Gestalten, ein einziges Feuer, alles, was geschah, diente (…) der Vision, und wenn er es sah, war er mitten im Herzen der Dinge.“

Das Bild führt direkt zu „Joan Of Arc“, einem Lied von ’71. Johanna, umzingelte jungfräuliche Kämpferin, wird vom Feuer verfolgt, ein Dialog beginnt. Das Feuer begehre sie, hört sie und sagt: „Mach deinen Körper kalt, denn meinen halten sollst du bald“. Vernichtung als Triumph: „Und sie begriff in ihrem Stolz, war er das Feuer, so war sie das Holz.“ Der biblische Satz „Liebe deine Feinde“ wird wörtlich genommen: Während die Asche ihres Hochzeitsschleiers über den Gästen weht – über denen, die ihre Ermordung erleben wollten -, ist Johanna im „Herzen der Dinge“, in verzehrender Liebe. Am Ziel. „Ich selbst“, fügt der Sänger listig zu, „will Liebe und hellen Schein, doch müssen sie so grell und auch so grausam sein ?“

„Joan Of Arc“ funktioniert wie ein altes Volkslied – statt des Refrains gibt es eine wiederkehrende Lalala-Sequenz, von Cohen und Backgroundchor so schmelzend gesungen, dass sie keiner je vergessen wird. Alles fügt sich scheinbar einfach, lädt zum Nachsingen ein -wie der „Lindenbaum“ von Schubert -, aber der Sog in die Zerstörung ist vorgezeichnet, es geht gar nicht anders (wie im „Lindenbaum“ übrigens auch). Vernichtung ist notwendig, wenn man etwas erfahren will, das radikal neu ist, und das Aufschreiben führt sie vor. Richtet sie geradezu an. Schreiben ist für Cohen eine gefährliche Tätigkeit, und die Geheimnisse, zu denen sie führt, sind voll Gewalt. Zum Beispiel: Sich in einen Feind zu verlieben, sich in ihn zu verwandeln, in sich selbst die Kraft zu erleben, von der man bedroht wird. Und angezogen! Ein sehr frühes Gedicht geht:

„Ich schreibe, weil ich

etwas machen will,

das so schön ist wie du.

Wenn ich bei dir bin,

will ich so ein Held sein,

wie ich einer sein wollte,

als ich sieben Jahre alt war –

ein vollkommener Mann,

der tötet.“

In „If It Be Your Will“, seinem nach eigener Aussage besten Lied (von ’84), einem Gebet, das Cohen auf seiner langen Welttournee jetzt immer nur angestimmt und dann von den Webb Sisters, seinen Chorsängerinnen, hat singen lassen, heißt es:

„All your children here

In their rags of light,

In our rags of light

All dressed to kill.“

Wer lebt, tötet. Wer liebt, will getötet sein? „Wir leben auf einem Schlachthof. Wer braucht glückliche Songs?“

In vielen seiner Stücke bleibt Cohen ein – manchmal schwarzer – Romantiker. Die Lieder glauben an die Kraft von Selbstverlust und Verwandlung. Motor sind Angst und Einsamkeit, die den Sänger ins Getümmel und den Schreibenden zum Exzess treiben. Aber das Ziel ist ein schönes, neues, das „Herz der Dinge“. Im Alter hat Cohen die eigene anziehend-traurige Stimme, dies „gift of a golden voice“ als den Ansporn bezeichnet, der ihn anders werden ließ als normale Liebeslied-Schreiber. Oder normale Exzess-Schriftsteller. „Als ich älter wurde“, sagt er bei der Entgegennahme des Preises des Principe de Asturias vor drei Jahren, „verstand ich erst die Verpflichtung, die mit dieser Stimme auf mich kam. Die Verpflichtung nämlich, nie lässig dahinzulamentieren. Und wenn man schon einmal dabei ist, die große unvermeidliche Niederlage auszudrücken, die auf uns alle wartet, dann muss das getan sein in den strikten Maßen von Würde und Schönheit.“

Dieser „defeat“ – die „große, unvermeidliche Niederlage“ – das ist also sein Thema. Und es gilt ein Maß, das der Dichter sich einzuhalten verpflichtet hat. Aber mindestens einmal wagte Cohen sich darüber hinaus. 1992 erschien das Album „The Future“, und in seinem Titelstück ist der Sänger ein Seher geworden, der das Böse für absolut notwendig achtet, um die Ordnung der Welt zu bewahren. Ihr Maß. „Gib mir absolute Kontrolle über jede lebende Seele (…) gib mir Crack und analen Sex, nimm den einzig übriggebliebenen Baum und stopf ihn in das Loch deiner Kultur. Gib mir die Berliner Mauer zurück, gib mir Stalin und den heiligen Paulus, ich hab die Zukunft gesehen, Bruder: Sie wird Mord sein!“

Denn auch das Böse wird an sein Ende kommen. Man wird einmal an die alten Schrecken denken wie an Idyllen, wenn das Neue erst da ist. Die Maßlosigkeit. „Die Dinge werden in alle Richtungen auseinandergleiten, es wird nichts geben, das sich weiter aneinander messen lassen wird. Ein Blizzard dieser Welt hat die Schwelle überschritten, und die Ordnung in der Seele ist erledigt.“ To be free? To be gleichgültig!

Moderner war (für mich) Cohen nie als in diesem Epos von 1992. Desillusionierung entmachtet das Schöne, die Musik dazu ist ein Pumpen und Pulsen des miesen kleinen Motors, der aus den Studios wie aus perfekten Einbauküchen in Patchwork-Reihenhäusern der reichsten Länder hinaus auf die namenlosen Schlachtfelder tuckert, die diese Länder beheizen und von deren Existenz wir immer erst hören, wenn die Leichen schon verkohlt sind. Kein Liebesfeuer -kalte, ungezählte Vernichtung. Weites Feld: „Nobody cares if the people live or die.“

Von dort kam Leonard Cohen in 20 Altersjahren zurück.

ERNTEZEIT

Ich glaubte 1970 in Hamburg nicht, dass der Irrwisch, den ich erlebt hatte, noch oft auf Bühnen stehen würde. Und dass seine größten Publikumserfolge erst in den Jahren kämen, in denen ich fast doppelt so alt sein würde wie er jetzt.

Ich hatte erwartet, dass er sich in sein Haus auf Hydra zurückzieht, in dem seine zweite Platte, „Songs From A Room“, grad entstanden war.

Aber Cohen wurde ein fleißiger „worker in song“. Ein fleißiger Wohnungswechsler auch, Montreal, New York, Nashville, Paris, Kalifornien, dazwischen Tourneen, Ehen, Depressionen, Neubeginne. Im Musikbetrieb ein Fremder, der sich auch gern so gerierte. Walter Yetnikoff, Chef der CBS, rief ihn ’84 in sein Büro, um ihm mitzuteilen, dass die Firma sein neuestes Werk, „Various Positions“, in den USA nicht veröffentlichen werde, er sagte: „Look, Leonard, we know you’re great, but we don’t know if you’re any good.“

Cohen gab das galant zurück. „Mich hat die Bescheidenheit eures Interesses an meinem Werk immer tief gerührt“, sagte er zu den CBSlern neun Jahre später, als sie ihm einen Preis für 5 Millionen im Ausland verkaufter Platten überreichen wollten.

Ein Mann, den Frauen prägten, der sich nicht binden kann, aber Freundschaft hält, und den die Sängerinnen, die ihn begleitet haben, zurück ins Geschäft brachten. Jennifer Warnes machte sein Terroristen-Lied „First We Take Manhattan“ weltbekannt, Sharon Robinson half ihm mit der Produktion zweier Alben. Und Anjani Thomas, für die er Solostücke schrieb und die sich mit der Co-Autorenschaft bei dem süßen Abgesang „Nightingale“ revanchierte, war dabei, als ein Schrecken den Über-70-Jährigen noch einmal zur Verwandlung zwang.

Solche „Blizzards“, umkrempelnde Stürme, haben Cohen mehrmals erwischt. 1977 lässt sich der Poet nach einem Partygespräch von Phil Spector, dem Produzenten, der manchmal auf Musiker mit der Flinte zielt, wegsperren für die Herstellung einiger Lieder. Es dauert, bis Spector den Dichter freilässt und dann mit einem Leibwächter verhindert, dass er in die Mischung der entstandenen Platte eingreift. Das Klangergebnis von „Death Of A Ladies‘ Man“ ist respektabel – die Gefahr dem „wall of sound“ nicht abzulauschen.

1993 zieht sich Cohen, gescheiterter Sozialcharakter, in ein buddhistisches Kloster am kalifornischen Mount Baldy zurück, in Freundschaft dem Leiter der Anlage, Roshi, verbunden. Er lebt dort sieben Jahre, wird Mönch, lernt die Striktheit der Ordnung. Was niemand mehr erwartet hat: Nach der Jahrtausendwende veröffentlicht er zwei Alben. Die Stimme ist zurück, die Bilder haben etwas Meditatives, auch skizzenhaft Grobes manchmal, dazugewonnen.

2007 sieht man Cohen bei Auftritten seiner Freundin Anjani Thomas ein wenig ungelenk eine Zugabe mitgestalten, freundlich zurück im klosterfreien Leben, aber ambitionslos.

Dann stellt er zufällig fest, dass sein Vermögen veruntreut wurde. So gut wie alles ist weg. Nach der Schocksekunde wird eine grandiose Band zusammengestellt, es wird geprobt und gebookt, dramaturgisch gefeilt – und sicherlich trainiert der „sportsman“ auch vieles, was Gymnastiklehrer ihm raten.

Seitdem, seit 2008, gibt es eine kaum unterbrochene Welttournee des alten Mannes. In mehreren Hundert Konzerten vor mehreren Hunderttausend Menschen singt, tänzelt, kniet, läuft und verharrt dieser Weise auf den Bühnen der Welt, präsentiert sein Gesamtwerk – und die Musik steht im Mittelpunkt. Jeder Mitspieler – Bandleader Roscoe Beck, Gitarrist Bob Metzger, Bandur-Spieler Javier Mas, Sharon Robinson, alle anderen -leuchtet ausgiebig mit solistischen Einlagen, wird bedankt und befeuert. Die Musik ist ein einziger Schwung, dieses dreistündige Konzert eine Feier des Lebenswerks. Sein Macher mittendrin, tritt oft beiseite, schwenkt den Hut, lässt feine, gezielte Anekdoten vom Stapel, schwelgt in der Tiefe und Innigkeit der Begegnung.

Ein großer Abend. Ein sich immer wiederholender, sicherer Abend. Gegenkonzert zu Hamburg damals. Die Visionen sind untergebracht, die Schrecken gestaltet, das Geheimnis blieb intakt. Musik spielt, das zählt.

Als ich eingeladen wurde, an dem Projekt von Misha Schoeneberg, dem kongenialen Cohen-Übersetzer seit zwei Jahrzehnten, teilzunehmen und ein Lied zu singen, nahm ich das „Anthem“, die Hymne mit diesem gültigen Hinweis, dass Licht erst durch den Riss in allen Dingen zu uns kommt. Das Unvollkommene ist unser Leben. „I gave my best, it wasn’t much.“

Mein Dankeschön.

DEUTSCHE HOMMAGE

Leonard Cohens Lieder in deutscher Übersetzung? Misha G. Schoeneberg gewann Anna Loos, Madsen, Max Prosa Tim Bendzko, Reinhard Mey, Jan Plewka, Nina Hagen und andere deutsche Künstler für sein „Poem“-Projekt – mit gemischtem Erfolg

Auf „Poem: Leonard Cohen in deutscher Sprache“ huldigen 17 deutsche Musiker sehr unterschiedlicher Couleur -Madsen! Fehlfarben! Anna Loos! – dem kanadischen Songschreiber. Der künstlerische Leiter Misha G. Schoeneberg plante bereits Anfang der 90er-Jahre, Songs von Leonard Cohen ins Deutsche zu übersetzen – Rio Reiser sollte sie singen.

Die Compilation versammelt überwiegend alte Stücke des Meisters, deren chansonesker Stil den Übersetzungen nicht zugute kommt: Gerade Cohens Frühwerke schöpfen aus dem Biblischen, und ihre blumigen Bilder klingen im Deutschen oft altertümelnd. Cohens Lyrik ist ein Austarieren von Erotik, Schwarzmalerei und Religion; gerade sein trockener Humor aber geht in der Übersetzung verloren. Begriffe wie ,,Herz“ oder „Liebe“ schlittern leider leicht in den Schwulst. Einige Songs der Beatles etwa würden auf Deutsch aber auch grotesk wirken.

Wenn sich Tim Bendzko an der „Geschichte Isaacs“ versucht, denkt man unweigerlich an Kommunionsunterricht, wofür der Sänger nichts kann – außer, dass er eine faltenfreie und keine an Weltschmerz rau geschmirgelte Stimme hat. Cäthes Version von „Lover Lover Lover“ könnte auch ein Song von Rosenstolz sein. Wendungen wie „Gott der Liebe“,“stolzes Lachen“ und „Regen wäscht ihn rein“ wirken unfreiwillig komisch. Und Minnesang wie „Unsere Küsse sind Stoff aus goldenem Garn“ oder „Du bist mein Stern in der Nacht durch alle Zeit“ sind womöglich zu nah am Buchstaben übersetzt.

Nina Hagen bollert bei „Hallelujah“ so kräuterhexig, dass eher das Tor zur Hölle als zum Himmel aufgeht: In dieser Version des gern belehnten Songs firmieren neun der beteiligten Künstler unter dem selbstironischen Namen „Beautiful Losers“. Als stärkste Interpretation sticht „Sternblauer Trenchcoat“ dank Reinhard Meys Gabe zum Geschichtenerzählen heraus. Jan Plewkas Interpretation von „Dance Me To The End Of Love“ hat etwas Angeschickertes, das tatsächlich fast an den herben Altherren-Charme des Originals heranreicht. Und Manfred Maurenbrecher – kann es einfach.

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