Leben als Film
Auf eine zu persönliche Seelenschau ha- ben EVERCLEAR überhaupt keine Lust
Es ist schon eine Plackerei mit dem Ruhm: Trotz beachtlicher Erfolge daheim in den USA kriegen Everclear kein Bein auf die europäische Erde. Zu amerikanisch tönt die alternative Rockmusik, zu sehr wie die von so vielen Kollegen im Genre.
Noch dazu verwirren Everclear auf ihrem aktuellen Album „Songs Front An American Movie Vol. I -Learning How To Smile“ anstelle der wütend-ironischen Emphase mit ganz artfremden Klängen, versuchen sensiblen Folk und launigen Pop und covern gar Van Morrsison. Da muss zum besseren Verständnis jetzt also noch einmal die Werbetrommel gerührt werden, und so sitzt Sänger und Liedschreiber Art Alexakis im Kölner Büro seiner Plattenfirma und macht auf sich aufmerksam. „Zu Hause ist es ganz normal, dass die Promotion immer weiter geht“ erklärt er, „und gerade, wenn man sich stilistisch verändert, gibt es halt Erklärungsbedarf.“ Den haben wir auch – schließlich klingt der Titel des Albums schwer bedeutsam, und nun steht obendrein mit „Good Time ForA BadAttitüde -VoL ü“ das zweite Werk der mysteriösen Reihe kurz vor seiner Veröffentlichung. „Ihr Europäer denkt immer, dass sich hinter allem ein Konzept verbirgt“, wundert sich Alexakis, „dabei ist das Unsinn.“
Das Leben komme ihm nun mal oft vor wie ein Film, erklärt er den umständlichen Titel, und in dieser Form habe er sich der eigenen Biografie künstlerisch nähern wollen. „Ursprünglich war JLearning How To Smile‘ als Solo-LP gedacht, und so geht’s mehr als sonst darum, Ehrliches und Verletzliches in die Songs einfließen zu lassen.“ Ob er nicht Angst hat, ein bisschen viel von sich preiszugeben, wenn er solch eine Seelenschau wagt, frage ich ihn, und nun ist Schluss mit dem gemäßigten Ton. „That’s for pussies“, sagt Alexakis abfällig, „ich werde doch mein Innerstes nicht in meinen Liedern preisgeben.“ Aber du hast doch eben… „Meine intimsten Gefühle und Ansichten schreibe ich mir in Gedichten und Songs von der Seele“, donnert et; „die werden aber ganz bestimmt niemals veröffentlicht.“ Warum denn nicht? „Weil die verdammt noch mal keinen etwas angehen.“ Jetzt ist es raus. „Vielleicht werden meine Urenkel meine Notizen in einer Truhe auf dem Dachboden finden“, orakelt er höhnisch, „und mein wahres Ich bei e-bay an den Höchstbietenden verschachern. Das war dann deine Chance.“ Muss nicht sein.