Lars Ulrich
Lars Ulrich legt erst mal die Beine hoch. Es war ein anstrengender Tag. In Berlin stellten Metallica vor einem Kinosaal voller Fans das neue Album „St. Anger“ vor, und die Verehrung, die dem Drummer bei solchen Gelegenheiten oft entgegenschlägt, ist ihm immer ein wenig peinlich. Zumal die Songs diesmal gar nicht zum Niederknien sind, eher zum Kopfschütteln, also: Headbangen. Metallica haben ihre Drohung wahrgemacht: Es wird geschrien und gedroschen und geschrammelt wie in den guten alten Zeiten vor dem „Black Album “ (’91).
„St. Anger“ ist erstaunlich hart für eine Band, die vor Jahren sagte, sie wolle nicht mehr Metal sein, sondern in einer Klasse mit U2 spielen.
Mir ist erst nach den Aufnahmen aufgefallen, dass wir dazu tendieren, reaktionär zu sein, im Sinne von: Wir reagieren immer unbewusst auf das, was wir vorher gemacht haben. Nach dem Symphonie-Album war es Zeit, wieder etwas ganz Anderes zu machen. Wir haben jahrelang den Speed-Kram vermieden, weil wir dachten, es gäbe da nichts mehr hinzuzufügen. Aber im letzten Herbst wurden wir auf einmal immer schneller und schneller, ohne darüber nachzudenken, und es hat so viel Spaß gemacht, es schien natürlich. Vielleicht wird erwartet, dass man 4m Alter‘ eher ruhiger wird. Aber man darf aber nicht vergessen, dass wir gar nicht so alt sind, sondern noch in den 30ern. Wir sind zwar schon 100 Jahre dabei, aber ich habe diese Band ja mit 17 gegründet.
Mit den weniger harten Alben „Load“ und „Reload“ habt ihr viele Metal-Fans verärgert. Meinst du, die kommen jetzt zurück?
Ach, das ist ja das Schöne an Metallica: Wir gehören keinem, auch nicht den Fans. Wir bestimmen, was wir machen. Wer mitkommen will, soll es tun. Wer nicht – okay. Wenn wir auf alle hören würden, wären wir bald wie Linda Blair im „Exorzisten“ – unsere Köpfe würden sich so schnell drehen, dass sie abfallen. Es ist sinnlos, anderen gefallen zu wollen. Zeitverschwendung. Bei uns kommt alles von Herzen, und ob gut oder schlecht, es ist dann zumindest ehrlich. Darauf bin ich am meisten stolz.
Hattet ihr schon viele Songs in der Tasche, als ihr ins Studio gingt?
Gar keine. Alles, was vorher geschrieben war, musste draußen bleiben. Wir wollten alles gemeinsam machen, zum allerersten Mal. Früher waren es immer nur James (Hetfield, Sänger) und ich.
Habt ihr beschlossen, dass ihr etwas ändern müsst, nachdem Bassist Jason Newsted ausgestiegen war?
Danach haben wir uns selbst endlich mal genau angeguckt und überlegt, warum er gegangen ist. James und ich kämpften immer darum, wer der Anfuhrer ist. Und das Einzige, worauf wir uns je einigen konnten, war, dass Jason und Kirk (Hammett, Gitarrist) nichts damit zu tun hatten, was gemacht wird Die Diagnose stand schnell fest: Wir mussten eine gesundere Arbeitsweise finden.
Habt ihr an Trennung gedacht?
Im Herbst 2001 dachte ich, es könnte zu Ende gehen. Als James in die Reha ging, um sich mit seinen Problemen zu beschäftigen. Er war neun Monate wegeine lange Zeit, wenn man still im Studio sitzt und wartet. Dann denkt man schon nach. Hoffentlich kommt er nicht mit Konditionen zurück wie: Wir singen jetzt über Alkoholmissbrauch oder so.
Wie kamst du damit, dass nach 20 Jahren Schluss sein könnte, klar?
Ich konnte es nicht ertragen, dass es nur James Hetfields Entscheidung wäre. Also sagte ich mir: Wenn er nicht weitermachen vrXL,fuck iV, dann gehe ich zuerst.
Warst du überrascht, als James zugab, Alkoholprobleme zu haben?
Schon, aber fünf Minuten, nachdem er in die Reha gegangen war, fing ich an, all die Zeichen zu sehen, die vorher bereits da waren. Und wollte mich in den Arsch treten.
Was macht ihr jetzt anders, damit es nicht wieder so weit kommt?
Ich seh Metallica als Monster, das durch die Welt zieht, immer mehr Leute frisst und Land gewinnt Wir ritten das Monster, aber keiner fragte uns, wie es uns dabei geht Wir waren immer nur so-und-so von Metallica. Aber man braucht auch mal eine Auszeit, um nur Lars oder James zu sein. Das haben wir erkannt Ich glaube, wir haben noch eine lange, gesunde Zukunft vor uns.