LAMBCHOP und die unverhoffte Kraft des süffisanten Leiseseins
Die Angst vor dem Altwerden verliert man hier. Der Lambchop-Sänger Kurt Wagner sieht als hell gekleideter Vorsitzender des Konzerts nämlich keineswegs wie ein singender Fliesenleger oder Truck-Stop-Cowboy aus. Mehr wie einer der Wohlfahrts-Senioren, die mit der Sonnenkappe vom Minigolf kommen. Lassen Sie sich von alten Männern gerne etwas erzählen? Wagner ist in Wahrheit noch jung genug, aber dennoch entscheidet sich an dieser Frage, ob der Abend mit Lambchop einem etwas bringt oder nicht. Denn heute steht die unsoulige Ausgabe der Band auf der Bühne, die unten in den Ecken an Spinnennetzen forscht und nicht up withpeople ist. Die neue Platte „Is A Woman“ wird fast komplett aufgeführt, und das ist Musik, die klingt, als ob danach nichts mehr kommt. Viele haben sie zutreffend beschrieben: Jedes Stück scheint das letzte eines langen Abends zu sein. Winter des Lebens. Kurt Wagner streicht die Gitarre auf seinem Knie schon bei der Eröffnung „The Daily Growl“ mit geschwundener Kraft, die Töne von Pianist Tony Crow sind verlöschende Lichter. Alle acht Ensemblisten halten sich an diese Partitur, denn am bewegendsten ist die Stille (das sagen auch Fans der Bands Talk Talk oder Savoy Grand), wenn sie endlos genau arrangiert ist und im Konzert klingt, als habe man Kopfhörer auf. Das magische Geheimnis von Lambchop ist eben, dass Kurt Wagners Stimme so präsent ist, obwohl dieses belegte Seufzen nach logischen Gesetzen unhörbar sein müsste. Er ist süffisant, er Performanceist gütig, er singt vom Tod wie von einem Ereignis, bei dem man nicht unbedingt dabeigewesen sein muss. Keine Angst! Wenn er am Ende von „ou Masculine You“ von einem Schrei übermannt wird und die Band in die Instrumente haut, hat das etwas Neckisches. Dann erzählt Tony Crow einen Witz. Die Pointe lautet: „My name is Beerfuck!“ Für „This Corrosion“, das Sisters Of Mercy-Cover im Zugabenteil, kniet Kurt Wagner auf seinem Hocker. Das ist mindestens genauso lustig, aber vor allem ein Beweis dafür, wieviele verschiedene Stellungen ein großer Poet beherrschen kann, ohne aus der Form zu fallen. JOACHM HENTSCHEL