Lambchop & Chesnutt: Hamburg, Fabrik

Amerikanische Heimatmusik, gebrochen: Die jüngst gestiftete Verbindung des Lambchop-Vorstehers Kurt Wagner mit Vic Chesnutt führte zu einer Tournee, die man als Musikantenstadl des Americana bezeichnen kann. Chesnutt kritzelte für das Lambchop-Album „What Another Man Spills“ ein paar Zeichnungen, Wagner revanchierte sich mit der Produktion von Chesnutts Album „The Salesman And Bernadette“. Auch Joey Burns und John Convertino, ehedem Mitspieler bei Giant Sand, gehören mit Calexico zu den in der Wolle gefärbten Traditionalisten der Folklore. Unter white man ’s soul music sollte man den Abend wohl verbuchen, und beseelt spielten alle Ensembles. Calexico bestachen mit sparsamen Mitteln, mit Mariachi-Sentiment und Borderline-Lyrik, und der in diesem Zusammenhang stets beschworene „Saloon an der mexikanischen Grenze zur Mittagszeit“ lag plötzlich in der Hamburger Fabrik. Ab der Lambchop-Gitarrist Paul hinzugerufen wurde, verbreitete sich sofort das unvergleichliche Lambchop-Phlegma.

Bei Lambchop, der Big Band der Country-Travestie, bot sich die Hängematte an. Kurt Wagner saß wie stets stoisch auf seinem Schemel, die Baseball-Kappe unverrückbar auf dem Kopf, versunken ins gemütliche Gebrummel. Die schläfrigen Pretiosen wurden aufgeführt von knapp einem Dutzend Musiker, darunter drei Bläser, die manchmal eine Art Schwung ins somnambule Geschlurfe brachten. Gerade wollten wir zum Galopp rufen, da wurde es schon angestimmt: Curtis Mayfields „Gimme Your Love“ in einem Groove, der nur Wagner nicht ansteckte. Der kam zur Zugabe auf die Bühne zurück, Mitternacht war es mittlerweile, und hinterdrein kamen seine Musiker mit Torte und sangen „Happy Birthday“: Der Holzfußbodenleger aus Nashville war soeben 40 Jahre alt geworden.

Vic Chesnutt, der eigentliche Star unter den Käuzen, wurde ebenfalls von der Lambchop-Truppe begleitet. Aber, ach: Die sonst kargen und berührenden Lieder des Krüppels versuppten in einem Ambiente, daß immer mehr zur ausgelassenen Geburtstagsfete geriet. Chesnutt reckte den Kopf, als wollte er sich befreien aus der wohlmeinenden Umarmung.

Am Ausgang schob man schon vor Schluß einige Zuhörer im Rollstuhl aus dem Gemäuer. Es war genug.

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