lalo schifrin, mr. exotica
„Ich hatte eine klassische Musikausbildung – Klavierunterricht bei Enrique Barenboim, dem Vater von Daniel. Ich war regelmäßig bei den Proben des Philharmonischen Orchesters von Buenos Aires, bei dem mein Vater 35 Jahre lang Konzertmeister war. Mein Interesse für Filmmusik entdeckte ich, als ich etwa sieben Jahre alt war. Ich schaute mir mit Freunden viele Filme im Kino an, und bei dem Besuch eines Horrorfilms wurde mir klar, dass die Bilder ohne Musik weitaus weniger angsteinflößend gewesen wären. Ich habe mir später viele Filme nur wegen ihrer Musik mehrfach angesehen, da man damals noch keine Alben mit Filmmusik kaufen konnte“, erinnert sich der 69-jährige gebürtige Argentinier beim Gespräch im „Plaza Athenee“, seinem Lieblingshotel in Paris. Lalo Schifrin hat die Musik für mehr als 100 Spielfilme und TV-Serien geschrieben, darunter Filme wie „Cool Hand Luke“(’67),“Bullitt“(’68), „Dirty Harry“ C71), „Enter The Dragon“ C73), „Rush Hour“ (’98) und TV-Serien wie „Mission: Impossible“ und „Mannix“.
Für Schifrin, der seit langem in LA. lebt, war Paris eine wesentliche Station seiner Laufbahn. Nach dem Musikstudium in Buenos Aires bewarb er sich Anfang der 50er Jahre erfolgreich um ein Stipendium am Konservatorium in Paris. Parallel zur klassischen Ausbildung entwickelte Schifrin ein ausgeprägtes Faible für Jazz. Er spielte Platten von Jazzpianisten wie Art Tatum oderThelonious Monk mit reduzierter Geschwindigkeit ab, um deren Spielfluss besser kopieren und so seinen eigenen Stil entwickeln zu können. Tagsüber besuchte er Vorlesungen des Komponisten Olivier Messiaen, abends spielte er, um sich ein Taschengeld zu verdienen, in den Pariser Jazzclubs. „Messiaen hat nicht mehr mit mir gesprochen, als er erfuhr, dass ich Jazzmusiker bin. Aber Jazz und klassische Musik stehen für mich auf einer Ebene. Man muss verstehen, dass Jazz eine eigene Dynamik besitzt, eine eigene Art hat, sich rhythmisch zum Ausdruck zu bringen. Ich verstehe mich primär als Musikmacher – egal, ob ich Musik für einen Film schreibe, ein Symphonieorchester dirigiere oder mit einer Jazzband spiele.“
Die Verschmelzung seiner beiden großen Leidenschaften, von Jazz und von Klassik, kommt besonders in seiner Reihe „Jazz Meets The Symphony“ zum Tragen. Bereits fünf Alben hat er seit 1993 in dieser Reihe veröffentlicht, für die er vor allem bekannte Jazz-Stücke für Jazzband und Symphonieorchester arrangiert hat. Aber auch die meisten seiner Arbeiten für Film und TV leben vondieserVerbindung.die dann auch schnell den Stempel „Schifrin-Sound“ erhielt. „Der Titeltrack von .Mission: Impossible‘ etwa ist eine typische Kombination von Jazz mit symphonischen Streichern und Bläsern. Auch die Scores für ,Enter The Dragon‘ und ,Rush Hour‘, für die ich die Jazz- oder Jazzrock-Rhythmen mit der Musik des Orients kombiniert habe. Weil diese Filme sehr erfolgreich waren, halten viele Hörer diese Musik für mein Erkennungsmerkmal. Ich habe aber auch viele Scores geschrieben, in denen Jazz keine Rolle spielt; bei The Fox‘ (’68) z.B. ist es eher Kammermusik. In erster Linie bin ich ein Chamäleon. Wenn ich die Arbeit für einen Film annehme, schreibe ich für diesen einen Film und für die Geschichtedieses Films und vergesse, dass ich Lalo Schifrin bin. Dann bin ich Teil eines Teams mit dem Regisseur, dem Kameramann, dem Schnitt und dem Drehbuchautoren. Gemeinsam versuchen wir, eine Illusion zu erschaffen.“
Auf einer Illusion beruht auch das häufig gehörte Lob, Schifrin habe eine großartige Musiksequenz für Steve McQueens atemberaubende Autojagd in „Bullitt“ geschrieben, eine der berühmtesten Action-Szenen der Filmgeschichte. „Meine Musik läuft lediglich zu den Szenen vor der Jagd, in denen Steve mit den Ganoven Katz und Maus spielt. Dadurch wird die Spannung zur eigentlichen Jagd aufgebaut, zu der dann nur noch Sound-Effekte zu hören sind. Zu viel Musik hätte die Szene überladen.“
Zu seinen jüngeren Arbeiten zählen seine Scores für „Rush Hour“ und „Rush Hour 2“. Den Enthusiasmus von Regisseur Brett Ratner bezeichnet Schifrin als ansteckend: „Für ,Rush Hour‘ hatte mich Brett gebeten, einen,Enter The Dragon‘-Score der 90er zu schreiben. Für ,Rush Hour 2′ sollte es dagegen ein symphonischer Score werden. Ein Symphonie-Orchester bietet halt erstaunlich viele Möglichkeiten.“
Mit „The Return Of The Marquis De Sade“ hat er eine Fortsetzung seines erfolgreichen Schifrin/Sade-Jazz-Album von 1966 aufgenommen, und unlängst komponierte er im Auftrag des Sultans von Oman die „Symphonie Impressions Of Oman“, die er mit dem London Symphony Orchestra inzwischen auch einspielte. In den vergangenen Jahrhunderten waren es ja immer betuchte Mäzene, die den großen Komponisten ungewöhnliche Projekten ermöglichten.