Kritik: Kylie Minogue im Berliner Berghain – Cowgirl mit Glitterkanone

Ist Kylie Minogues neue Musik Country-Pop oder eher Dancepop mit ein wenig Country? Schwer zu entscheiden. Als Sängerin hat sie, das zeigt der „Golden“-Abend in Berlin, eine beeindruckende Präsenz.

Bitte nicht schon wieder Schnee, erst recht nicht aus der Schnee-Kanone! Am Morgen des 20. März, also längst im Frühling, liegt Berlin unter einer leichten Schneedecke. Und jetzt gibt es, drinnen am Abend im Berghain, erneut eine Ladung Flocken.

Aber doch nicht bei Kylie. Das ist kein Schnee. Es glitzert. Das ist Konfetti. Goldfarben natürlich, denn sie bewirbt damit ihr kommendes Album „Golden“ (6. April). Mit einer Promotour „in Club-Atmosphäre“, wie es so schön heißt, vor ungefähr 500 Auserwählten.

Kylie Minogue in London – auch dort waren Fotos erlaubt.

Es gibt eine Bühnenpräsenz, die sich nicht erlernen lässt, also Charisma, und Kylie Minogue hat dieses Charisma. Ihre Ansprachen, ob improvisiert oder von den anderen bisherigen „Golden“-Warmup-Gigs übernommen, sind einfach klasse. Allein, wie sie die Bühne betritt. Obwohl Minogue noch längst nicht übers Mikro zu verstehen ist, meint man von ihren Lippen ein „Heeeey… it’s me!“ ablesen zu können. Es ist so jugendlich.

Dann setzt der Titelsong ein, der von jener berühmten Melodie aus Ennio Morricones „Zwei glorreiche Halunken“ getragen wird. Western-Showdown. Minogue hat „Golden“ in Nashville aufgenommen, mit der Taylor-Swift-Songwriterin Liz Rose eine Art Country-Pop entworfen. Sie erzählt von ihren ersten Abenden in der Stadt, und Kylie wäre wohl nicht Kylie, berichtete sie dabei nicht etwa von Rauchschwaden in der Kaschemme, sondern von Stunden in „a great rooftop bar with many drinks.“ Es geht ums oben sein, jederzeit.

Als Geschichtenerzählerin ist Minogue, wie immer, von der alten Schule, sie spricht in Rollen mit verstellten Stimmen. Sie spricht auch ihr Alter an. Sie ist 49, sagt sie, ruft die Zahl in die Menge, als wäre das ein Statement. Kein Popstar hat so was gemacht, die 49 ausgerufen. Madonna nicht, Mick Jagger nicht. Die wurden zu diesem Thema schon ab 39 immer leiser.

In Nashville verarbeitete Minogue auch eine gescheiterte Liebesbeziehung. Zur prägnanten, immer wiederkehrenden Zeile des Abends wird „I Really Need A Lovesong To Rescue Me“. Ob ihre Musik wirklich Country-Pop ist oder eher Dancepop mit ein wenig Country, ist schwer zu entscheiden. Vielleicht ist Country für sie ein Gedanke, der Leid und Wiederauferstehung transportiert.

Ihre fünfköpfige Band mit zwei Backgroundsängerinnen beherrscht die Rituale. Fingerschnipsen in Zeitlupe mit ausgestreckten Armen. Balladen werden sitzend auf dem Barhocker interpretiert. Die Sängerinnen tragen Jeanshemden. Einen Cowboy-Hut setzt Kylie sich auch auf, obgleich nur für Sekunden. Und mit Duett-Partner Jack Savoretti reist sogar ein Musiker mit, der in Großbritannien Top-Ten-Star ist, bei der „Golden“-Tour aber doch nur für ein Lied die Bühne betritt („Music’s Too Sad Without You“).

Kylie in London

Warmup-Auftritte sind für Künstler schwierig, wenn die neuen Songs noch unbekannt sind, und sich aus den Reaktionen der Fans nicht wirklich ablesen lässt, ob das Material gut ist. Gejubelt wird ja immer.

„Golden“ muss noch wachsen

Unter den 17 Stücken sind zehn von „Golden“. Es ist hoffentlich kein schlechtes Omen, dass der meistgefeierte Song des Abends, „Islands In The Stream“, ein Cover ist. Geschrieben wurde er den Bee Gees, gesungen einst von Dolly Parton und Kenny Rogers, und das Publikum wird sogar noch lauter, als Kylie diesen Klassiker mit dem Refrain eines anderen Klassikers paart, dem des Abba-Lieds „S.O.S.“.

Die „Golden“-Songs wachsen vielleicht noch, sobald die Platte erstmal draußen ist. Mutig, dass Minogue bis auf „Hand On Your Heart“ die eigenen Riesenhits weglässt, „Can’t Get You Out Of My Head“, „Better The Devil You Know“ oder „Step Back In Time“. Aber hätten die im Halb-Akustik-Arrangement überhaupt funktioniert?

Das ist keine Frage, mit der Minogue sich aufhält. Kylie hat mehr erreicht, sie hat sich einen Buchstaben im Alphabet gesichert. Sie ist das „K“, das den Saloon-roten Bühnenvorhang ziert, und bei dem jeder sofort an sie denkt. Ein „K“ aus Glühlampen, umrahmt von einem Herz aus Glühlampen.

Setlist: Kylie Minogue im Berliner Berghain

Golden
One Last Kiss
Raining Glitter
Breathe
Put Yourself in My Place
Shelby ’68
Radio On
Islands in the Stream
The One
A Lifetime to Repair
Music’s Too Sad Without You
Wow
Hand on Your Heart
All the Lovers
Stop Me From Falling

Zugabe:
Sincerely Yours
Dancing

Christie Goodwin Presse-Peter
Christie Goodwin
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