Kurt Cobain: Die Asche des Grunge
Neil Young betrauert Kurt Cobain, Beck tanzt auf seinem Grab.
Als Kurt Cobain sich im April 1994 mit einer dreifachen Überdosis Heroin und einer Schrotladung ins Jenseits beförderte, hatte die alternative US-Musikszene ihre Galionsfigur verloren. Mit „Smells Like Teen Spirit“ und „Nevermind“ hatte er drei Jahre zuvor die Differenz zwischen Indie-Kultur und Mainstream aufgehoben, mit „In Utero“ von 1993 seinen Sonderstatus als Songwriter bewiesen. Das Vermächtnis „Nirvana Unplugged In New York“ war von schmerzhafter Schönheit.
Es war schließlich der vermeintliche Godfather Neil Young, dessen „My My, Hey Hey (Out Of The Blue)“ Cobain in seinem Abschiedsbrief zitiert hatte, der mit seiner treuen Begleitband Crazy Horse auf „Sleeps With Angels“ den Grunge und seinen wichtigsten Protagonisten zu Grabe trug. Im Titelsong singt er die tragische Ballade von Kurt und Courtney – „She wasn’t perfect/ She had some trips of her own/ He wasn’t worried/ At least he wasn’t alone/ He sleeps with angels.“ Youngs bis heute letztes großes Album evoziert mit seinen gespenstischen Elegien und seiner schwarzen Romantik die meisterlichen Platten „Tonight’s The Night“ und „On The Beach“, die er Anfang der Siebziger aufnahm.
Ein anderer Godfather – der Pate aller Godfather sozusagen -, Johnny Cash, feierte unter der Ägide des Beastie Boys-Produzenten Rick Rubin mit „American Recordings“, einer Sammlung akustischer Songs von teilweise obskurem Ursprung, ein wundersames Comeback.
Im gleichen Jahr stieg der junge Beck Hansen mit „Mellow Gold“ wie ein Phoenix aus der Asche des Grunge. Mit psychedelisch Anmutenden Lo-Fi-Experimenten, Samples und der Slacker-Hymne „I’m A Loser“ hielt er den Schmerzensmännern die Ironie entgegen. Pavement hatten Ähnliches schon zwei Jahre zuvor mit „Slanted And Enchanted“ zelebriert und legten 1994 mit „Crooked Rain Crooked Rain“, auf dem sich Sänger Stephen Malkmus über die pathosbeladenen Rockisten der Smashing Pumpkins und Stone Temple Pilots lustig macht, ein weiteres Meisterwerk nach.
Im Pop-Königreich erlebte derweil der Brit-Pop mit dem Oasis-Debüt „Definitely Maybe“ und Blurs „Parklife“ seine eigentliche Sternstunde. Auch Pulp hatten elf Jahre nach ihrem Debüt mit „His’n’Hers“ und ihrer ersten Top-40-Single „Do You Remember The First Time“ einen kleinen Durchbruch. Die atmosphärisch dichtesten, beklemmendesten, besten Platten des Jahren machten im UK aber andere. Die Tindersticks spielten mit ihrem ersten Album einen düsteren Soundtrack zur Reise ans Ende der Nacht, Portishead schufen mit „Dummy“ eine brodelnde Mischung aus Filmmusik, House, Techno, Ambient und Jazz, die man seinerzeit TripHop nannte.
Im Land der Dichter und Denker dichtete und dachte vor allem die Hamburger Schule. Blumfeld erkundeten auf „L’Etat Et Moi“ die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, die Sterne sangen auf „In echt“ vom „Universal Tellerwäscher“.