Kritik: „Squid Game 2“: Die alte Magie, von 0 auf 100

Unsere Kritik zu „Squid Game 2“: Hält die zweite Staffel den Erwartungen stand?

Die Kritik enthält kleine Spoiler.

Die zweite „Squid Game“-Staffel hätte sehr riskant beginnen können, Netflix-verrückt, mit neuen Charakteren, neuen Challenges. Aber es ist viel schöner so, wie es Showrunner Hwang Dong-hyuk und Netflix in nur zwei Jahren (für Staffel eins benötigte Hwang Dong-hyuk 12 Jahre) erdacht und umgesetzt haben. Eine Detektivsuche, von vorn und ganz langsam. Wie könnte es auch schnell zurück gehen in die Geheimgesellschaft des „Squid Game“? Man kommt ja nur mit Einladung rein. Die ursprüngliche Prequel-Idee, stattdessen die Rekrutierung des Front Man (Lee Byung-hun) auszubreiten, hat sich glücklicherweise nicht durchgesetzt; aber auch dafür fand sich in „Squid Game 2“ eine elegante Lösung.

Nun die Forterzählung. Seong Gi-hun (Lee Jung-jae) investiert Jahre und sein Vermögen darin, den „Salesman“ (Gong Yoo) im U-Bahn-System von Seoul aufzustöbern. Seong Gi-hun, der gebückt und vernarbt durchs Leben gehende Gewinner des perversen Wettkampfs, ist reich. Er bezahlt eine tägliche Streife seiner Leute durch alle Verkehrsnetze, wo er den „Kartenspielleiter“ vermutet. Er will von ihm erfahren, wie er zurück ins Squid Game kommt. Als ehemaliger Gewinner bezeichnet Seong Gi-hun sich nie. Nur als „einer, der das Spiel schon mal gespielt hat“. Wer das „Squid Game“ überlebt, behält Narben zurück, die einen nicht als Gewinner fühlen lassen.

„Bread and Lottery“

Der Weg zurück braucht seine Zeit. Doch schon in der ersten Episode von „Squid Game 2“, „Bread and Lottery“, gibt es ein erstes Spiel – aber außerhalb der Arena –, bei dem es mindestens einen Toten geben muss. Es ist die hohe Kunst von Regisseur und Autor Hwang Dong-hyuk (sofern Netflix ihn denn wirklich ohne fremde Hilfe, wenn auch unter Zeitdruck hat arbeiten lassen), jenes wirklich sehr abgeschmackte, altes Alles-oder-nichts-Spiel (das wir nicht verraten) derart aufzubereiten, dass man bei jedem Spielzug die Augen verschließen möchte, nur um keinen Toten sehen zu müssen.

Trailer: „Squid Game 2“:

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Ob es demnach klug ist, eine der interessantesten „Squid Game“-Figuren gleich in der Auftaktepisode „aus dem Spiel“ zu nehmen, wird sich zeigen. Gibt es neue Spiele, andere als die sechs? Ja und Nein. Und das ist eine gute Entscheidung.

Rotes Licht, grünes Licht

Es ist schwer, die originalen sechs Spiele zu überbieten. Jedem, der heute „rotes Licht, grünes Licht“ auch nur aus einem anderen Zimmer hört, läuft ein Schauer über den Rücken. Dass wir nun einige der Todesschützen in den Playstation-Uniformen kennenlernen, ist perfide erdacht: Wir verfolgen zunächst ihr öffentliches Leben, ohne zu wissen, dass sie abends zur eigentlichen „Arbeit“ auf eine verborgene Insel fahren und dort freiwillig Menschen erschießen.

Wie verroht muss eine Gesellschaft sein, wie viel Hass müssen diese Versager mit Schusswaffen auf die Mitmenschen in ihrem Land haben? Darüber wird man nach „Squid Game 2“ wieder in Südkorea diskutieren, und im Rest der Welt auch.  Einige der Spieler sind Netzpersönlichkeiten, Influencer mit beknackten Haarfarben und Frisuren. Verachtet Showrunner Hwang Dong-hyuk sie? Opfer sind sie auf jeden Fall, auch wenn sie es nicht wissen.

Die Charaktere in den grünen Spieleranzügen sind Marken geworden. Kein Wunder, dass ihre Nummerierungen in dieser Season auffallend einprägsam sind: 001, 007, 100, 120, 222, 246, 388. Netflix weiß, dass etliche der zig Millionen Streamer dieser Rekordserie sich die südkoreanischen Namen nicht merken könnten (der Autor dieser Zeilen jedenfalls kann es nicht).

Willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit

Wenn überhaupt bietet höchstens das Serienfinale einen Moment, der das Suspension-of-Disbelief-Vertrauen des Zuschauers, die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit, ein wenig strapaziert. Viele der Spieler wachsen bei ihrer Mission, die Spiele mittels einer Revolution zu beenden, über sich hinaus. Menschen zeigen Fähigkeiten, die man ihnen schwer hätte zutrauen können. Aber das geht bei einer Staffel zwei, die sich vom Erfolg der Vorgängerseason emanzipieren muss, in Ordnung.

„Squid Game“ ist zurück. Und wird die Feiertage und Silvester bestimmen. Bingewatching, oder? Böllerparty kann warten.

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